Horizont Europa-Projekt HyLICAL : Magnetische Kühlung für industrielle Wasserstoffverflüssigung

HyLICAL: Die Forschenden wollen einen Prototyp bauen, mit dessen Hilfe die magnetische Kühlung Einzug in die industrielle Wasserstoff-Verflüssigung halten soll.

HyLICAL: Die Forschenden wollen einen Prototyp bauen, mit dessen Hilfe die magnetische Kühlung Einzug in die industrielle Wasserstoff-Verflüssigung halten soll.

- © Bild: T. Gottschall, B. Schröder/HZDR

Auf dem Weg zu einer CO2-neutralen Gesellschaft wird Wasserstoff eine zentrale Rolle spielen. Gemessen am heutigen Verbrauch verfünffacht sich Schätzungen zufolge der weltweite Wasserstoff-Bedarf bis 2050 auf rund 550 Millionen Tonnen. Für die Speicherung von Wasserstoff werden jedoch große Mengen an Energie benötigt. Bei der Verflüssigung geht etwa ein Drittel des Energiegehalts des Wasserstoffs verloren, was den Prozess weitgehend unwirtschaftlich macht.
In dem mit rund fünf Millionen Euro geförderten Horizont Europa-Projekt HyLICAL will ein Team unter Beteiligung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR), der TU Darmstadt und des Start-up-Unternehmens MAGNOTHERM nun Technologien zur Speicherung von flüssigem Wasserstoff deutlich verbessern. Dazu setzt das Team auf magnetokalorische Materialien: Stoffe, die ihre Temperatur ändern, wenn sie in ein Magnetfeld gebracht werden.

Dr. Tino Gottschall vom Hochfeld-Magnetlabor Dresden (HLD) am HZDR erklärt:

Dr. Tino Gottschall vom Hochfeld-Magnetlabor Dresden (HLD) am HZDR war Vortragender beim Klima-Kälte-Tag 2022 der HLK und referierte in Wien über den „Magnetkalorischen Effekt“.
Bild: HLK/ E. Herrmann
Dr. Tino Gottschall vom Hochfeld-Magnetlabor Dresden (HLD) am HZDR war Vortragender beim Klima-Kälte-Tag 2022 der HLK und referierte in Wien über den „Magnetkalorischen Effekt“. - © Bild: HLK/ E. Herrmann
In dem Gemeinschaftsprojekt wollen wir mit Partnern aus neun europäischen Ländern den Energieverbrauch sowie die Investitions- und Betriebskosten bei der Wasserstoff-Verflüssigung entscheidend senken.
Tino Gottschall

Dazu wollen die Partner ihre Kompetenzen in den Bereichen Materialforschung, Anlagenentwicklung und Simulation bündeln und in eine neue Technologie überführen.

Denn Energie kann in Form von flüssigem Wasserstoff gespeichert und transportiert werden. Dies erfordert jedoch eine kostengünstige Verflüssigungstechnologie. Flüssiger Wasserstoff hat eine 70 Prozent höhere volumetrische Energiedichte als der an Wasserstofftankstellen komprimierte gasförmige Wasserstoff. Das macht den Transport und die Speicherung großer Mengen flüssigen Wasserstoffs attraktiv. Wasserstoff könnte in Zukunft eine größere Rolle im Verkehr spielen - bis hin zum Energieträger für die Schwerlastmobilität. Die Verflüssigung von Wasserstoff, wie sie im Vorhaben geplant ist, soll die technologische Machbarkeit zur Handhabung großer Mengen Wasserstoff sondieren.

Die dem Projekt zugrundeliegende Idee

Prof. Oliver Gutfleisch vom Institut für Materialwissenschaft an der TU Darmstadt umreißt die dem Projekt zugrundeliegende Idee: „Wir wollen eine alternative Technologie zur Verflüssigung etablieren, die auf dem Prinzip der magnetischen Kühlung beruht. Wenn wir das mit dem herkömmlichen Kühlprozess bildhaft vergleichen wollen, würde ein Magnet die Rolle des Kompressors übernehmen und das magnetokalorische Material die des Kühlmittels. Ihr Zusammenspiel ermöglicht es uns, die für die Wasserstoff-Verflüssigung nötigen tiefen Temperaturen zu erreichen

Aus den langjährigen gemeinsamen Vorarbeiten heraus wurde 2019 die Firma MAGNOTHERM aus der TU Darmstadt ausgegründet. Das große Ziel des Start-ups: die Markteinführung der magnetischen Kühlung. Mit einem Getränkekühler für industrielle Anwendungen gibt es bereits ein kommerzielles Produkt. „Unsere Technologie bedeutet zudem eine massive Steigerung von Effizienz und Nachhaltigkeit, ganz ohne Kompressoren und umweltschädliche Kühlgase. So können wir die grüne Transformation beschleunigen“, erklärt Timur Sirman, einer der beiden MAGNOTHERM-Geschäftsführer. HyLICAL ist nun der nächste Schritt in Richtung Tieftemperatur-Anwendung.

Wasserstoffverflüssigung mit dem magnetokalorischen Prinzip im Industriemaßstab

Um die magnetische Kühlung in die industrielle Wasserstoffverflüssigung einzuführen, wollen die Forschenden nun einen Prototyp bauen. Dabei kann das Team auf die langjährige Expertise am HLD sowohl in der Entwicklung und Herstellung von Magnetspulen als auch in der Kryotechnik zurückgreifen.
Gottschall, seinerzeit Mitbegründer von MAGNOTHERM, meint:

Wir haben bereits viele magnetische Materialien in hohen Feldern untersucht – diese Materialbibliothek ist ein Erfahrungsschatz, auf dem wir aufbauen können.
Tino Gottschall

Magnetokalorische Materialien, die im angestrebten Temperaturbereich arbeiten, entwickeln Wissenschaftler*innen an der Technischen Universität Darmstadt bereits.
Gutfleisch dazu:

Zur Wasserstoff-Verflüssigung benötigen wir -253 Grad Celsius. Diesen sehr tiefen Temperaturen nähern wir uns durch Vorkühlung mit flüssigem Stickstoff, mit dem wir bis auf -196 Grad kommen.
Oliver Gutfleisch
Die Differenz muss dann unser magnetokalorisches Material schaffen.
Oliver Gutfleisch

Mit der Pilotanlage will das Team zeigen, dass die Wasserstoffverflüssigung nach dem magnetokalorischen Prinzip im industriellen Massstab machbar ist, das heißt konkret: für eine Produktion von mehr als 5 Tonnen pro Tag. Zudem wollen die Forschenden den Materialeinsatz an kritischen Rohstoffen zurückfahren. Das Team rechnet mit einem um bis zu 50 Prozent geringeren Energieverbrauch bei der Verflüssigung im Vergleich zur heute etablierten konventionellen Technologie. Damit soll flüssiger Wasserstoff deutlich kostengünstiger werden. Darüber hinaus ermöglicht das Konzept die Realisierung von Verflüssigungsanlagen, die in kleinem Maßstab und dezentral betrieben werden können. Diese Betriebsweise macht die Technologie daher auch für den Ausbau erneuerbarer Energiequellen interessant. Deren ebenfalls häufig dezentral gewonnene Energie könnte so über den Umweg des flüssigen Wasserstoffs vorteilhaft zwischengespeichert werden.

Anm.: Das Projekt wird von der Clean Hydrogen Partnership und ihren Mitgliedern unterstützt. - Finanziert von der Europäischen Union. Die geäußerten Ansichten und Meinungen sind jedoch ausschließlich die der Autoren und spiegeln nicht unbedingt die der Europäischen Union wider. Weder die Europäische Union noch die Bewilligungsbehörde können für sie verantwortlich gemacht werden.

Über das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR)

Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) forscht auf den Gebieten Energie, Gesundheit und Materie. Folgende Fragestellungen stehen hierbei im Fokus:

  • Wie nutzt man Energie und Ressourcen effizient, sicher und nachhaltig?
  • Wie können Krebserkrankungen besser visualisiert, charakterisiert und wirksam behandelt werden?
  • Wie verhalten sich Materie und Materialien unter dem Einfluss hoher Felder und in kleinsten Dimensionen?

Das HZDR entwickelt und betreibt große Infrastrukturen, die auch von externen Messgästen genutzt werden: Ionenstrahlzentrum, Hochfeld-Magnetlabor Dresden und ELBE-Zentrum für Hochleistungs-Strahlenquellen.
Es ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, hat sechs Standorte (Dresden, Freiberg, Görlitz, Grenoble, Leipzig, Schenefeld bei Hamburg) und beschäftigt fast 1.500 Mitarbeiter*innen – davon etwa 670 Wissenschaftler*innen inklusive 220 Doktorand*innen.