Wieso Krise? : Erneuerbare Energien und Energieeffizienz - Österreich, quo vadis?

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Erneuerbare Energien und Energieeffizienz - Österreich, quo vadis?

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"Krise" - diesen Begriff hört und liest man medial mittlerweile täglich, hat er doch seine sprachlichen Auswüchse in der sogenannten "Klimakrise", der "Energiekrise" oder der "Ukrainekrise" gefunden. Auch wenn die politische Schlagkraft von "Krise" intentionalen Charakter besitzt, der in vielen Fällen - wenn nicht vulgär, messianisch wenig/zu viel versprechend - berechtigte Ziele setzt, wird der Medienkonsum dadurch in ein Übergewicht negativer Konnotationen gerückt.
Die HLK will im folgenden Artikel mit der vorausgeschickten Frage "Erneuerbare Energien und Energieeffizienz - Österreich, quo vadis?"(zu deutsch: "Österreich, wohin willst du gehen?") einerseits den Fokus auf ein in Aussicht gestelltes Reformgesetz legen, zu dem sich der Dachverband Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ) mit nachdrücklichen Forderungen meldet. Andererseits soll im Anschluss eine Studie zu den heimischen Energieressourcen das Potenzial von Erneuerbaren Energien pointieren. Und dabei entscheidend - ohne sich im "Krisenbegriff" verlieren zu müssen.

Höhere Ambitionen beim Energieeffizienz-Reformgesetz

Der Dachverband Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ) appelliert für deutlich höhere Ambitionen beim neuen Energieeffizienz-Reformgesetz, dessen Begutachtungsfrist am 18. Jänner 2023 endete. Laut Dachverband habe das letzte Jahr sehr eindringlich die "Krisenanfälligkeit" der österreichischen Energieversorgung offenbart und die "Klimakrise" weiterhin deutlich spürbar gemacht. Mit dem aktuellen Entwurf zum Energieeffizienz-Reformgesetz 2023 (kurz Energieeffizienzgesetz) liege nun ein zaghafter Schritt der Bundesregierung vor, um die jahrelangen Versäumnisse bei der Erneuerung der österreichischen Energieversorgung aufzuholen.

Umfangreiche Energieeffizienz- und Energieeinsparmaßnahmen sowie der beschleunigte und systematische Ausbau erneuerbarer Energie sind die untrennbaren Geschwister der österreichischen Energiewende. Sie gewährleisten die hundertprozentige Versorgung mit heimischer erneuerbarer Energie und ebnen den Weg in die Klimaneutralität bis 2040. Umso wichtiger ist es jetzt, ein Gesetz in Kraft zu setzen, welches zu messbaren und realen Einsparungen von Endenergie führt!, betont Martina Prechtl-Grundnig, Geschäftsführerin des EEÖ. Bereits seit 2020 sollte das Gesetz in Kraft sein, durch die jahrelange Verzögerung seiner Vorlage sei wertvolle Zeit verloren gegangen, so Prechtl-Grundnig.

Was wird mit dem neuen Energieeffizienzgesetz in Aussicht gestellt?

Zentrale Punkte
Laut dem Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) fassen sich die zentralen Punkte des Energieeffizienz-Reformgesetz folgendermaßen zusammen:

  • Der Energieverbrauch in Österreich soll um rund ein Fünftel zurückgehen. Das bedeutet, dass der Endenergieverbrauch bis 2030 um 18 Prozent verringert wird.
  • Energiesparen wird jährlich mit 190 Millionen Euro unterstützt, die bis 2030 gesetzlich fixiert sind.
  • Der Bund geht als Vorbild voran und legt eine verbindliche Sanierungsquote für Bundesgebäude von drei Prozent fest. So sparen Ämter, Polizeistationen oder auch Schulen große Mengen an Energie.

Das Energieeffizienzgesetz ist unser Energiesparplan für Österreich. Denn Energie ist wertvoll und endlich. Deshalb müssen wir sorgsam mit ihr umgehen. Bis 2030 wollen wir den gesamten Energieverbrauch in Österreich um rund ein Fünftel senken. Dazu brauchen wir Tempo beim Energiesparen. Wir unterstützen dabei Haushalte und Unternehmen bei dieser großen Aufgabe – mit jährlich 190 Millionen Euro“, sagt Klimaschutzministerin Leonore Gewessler.

Gesetz im Detail
Im Detail sieht das Energieeffizienzgesetz folgende umfangreichen Ziele für die Energieeinsparung in Österreich vor:

  • Es wird ein gesamtstaatlicher Zielwert für den Endenergieverbrauch festgelegt: Dieser soll von 310 Terrawattstunden (1116 PJ) auf 255 Terrawattstunden (918 PJ) im Jahr 2030 sinken.
  • Auch bei den Energieeinsparungen gibt es ein bundesweites Ziel: Bis 2030 sind kumulierte Endenergieeinsparungen in Höhe von mindestens 180 Terrawattstunden vorgesehen. Damit übererfüllt das Energieeffizienzgesetz die EU-Vorgabe von 138 Terrawattstunden deutlich. Die Einsparungen werden über sogenannte strategische Maßnahmen erzielt, das sind zum Beispiel Regulierungen oder Förderungen des Bundes und der Länder.
  • Aufteilung der Energieeinsparungen auf die Länder: Viele Energieeffizienzmaßnahmen liegen im Aufgabenbereich der Bundesländer. Der Gesetzesvorschlag gibt den österreichweiten Rahmen für die Energieeinsparung bis 2030 vor und legt dabei auch konkrete Einsparziele für die jeweiligen Bundesländer fest. Der Beitrag der Länder für dieses Einsparungsziel beträgt 22 Terrawattstunden.

Jährlich stellt der Bund 190 Millionen Euro für konkrete Maßnahmen zum Einsparen von Energie zur Verfügung. Dieses Geld dient der Effizienzsteigerung im Bereich Haushalte und Unternehmen und ist bis 2030 gesetzlich fixiert:

  • Dabei liegt ein gesonderter Schwerpunkt auf Haushalten mit niedrigem Einkommen und der Renovierung des österreichischen Gebäudebestandes.
  • Dieses Geld kommt zusätzlich zu bestehenden Maßnahmen wie der Sanierungsoffensive

Der Bund geht zugleich mit gutem Beispiel voran. In Bundesgebäuden soll mit einem konkreten Maßnahmenplan rasch eine Sanierungsquote von drei Prozent pro Jahr erreicht werden.

Das Energieeffizienzgesetz sieht zudem klare Regelungen zur Überprüfung vor:

  • Die E-Control wird als zuständige Behörde die Einsparungen überwachen und die entsprechenden Berichte an der EU-Kommission übermitteln.
  • Zudem werden große Unternehmen ab 250 Beschäftigten verpflichtet, alle vier Jahre ein Energieaudit durchzuführen oder ein Energiemanagementsystem einzurichten.
  • Energielieferanten müssen Beratungsstellen für Haushalte einrichten oder unabhängige Dritte damit beauftragen.

Nicht zuletzt müssen auch bei zentralen Wärme- und Kältenetzen (Fernwärme) künftig individuelle Verbrauchszähler installiert werden.*

* Quelle: https://www.bmk.gv.at/service/...

    Hand hält Paragraphen Symbol in die Sonne am Himmel
    © Bild: Robert Kneschke - stock.adobe.co

    Mehr Ehrgeiz für die Erreichung von Energiesicherheit und Klimazielen

    Insbesondere kritisiert der EEÖ den im Gesetzesentwurf anvisierten nationalen Endenergieverbrauch von 920 PJ im Jahr 2030 als nicht ausreichend. Um den erforderlichen Beitrag zur Erreichung der aktuellen europäischen klima- und energiepolitischen Zielsetzungen leisten zu können, sei jedoch laut einer Studie des Umweltbundesamtes zum Energieeffizienzgesetz eine Reduktion des energetischen Endverbrauchs auf bis zu 820 PJ wünschenswert. „Wenn wir es ernst meinen mit der Erneuerung unserer Energieversorgung und wenn wir unsere Klimaschutzverpflichtungen einhalten wollen, so muss sich der Zielwert für den energetischen Endverbrauch jedenfalls am unteren Ende des Spektrums und nicht am oberen orientieren! Auch die auf europäischer Ebene inzwischen ehrgeizigeren Ziele zur Reduktion der Treibhausgase bis 2030, mindestens minus 55 % gegenüber 1990, weisen in diese Richtung“, so Prechtl-Grundnig.

    Bundesländer in die Verantwortung nehmen

    Der vorliegende Entwurf zum Energieeffizienzgesetz sehe außerdem vor, dass die Bundesländer Einsparziele erreichen und sich bei Zielverfehlung rechtfertigen müssen. „Das ist im Prinzip ein richtiges Zeichen, weil die Bundesländer, insbesondere im Gebäudebereich, wichtige Instrumente zur Regelung des Energieverbrauchs in der Hand haben. Allerdings fehlen Konsequenzen im Falle der Zielverfehlung. Damit besteht die Gefahr, dass die Wirksamkeit auf Landesebene im Sande verläuft“, so Prechtl-Grundnig. Sie schlägt vor, die Bundesländer an den zu erwartenden Strafzahlungen, die beim Verfehlen der Klimaziele zu gewärtigen sind, entsprechend zu beteiligen, wenn die ihre jeweiligen Länderziele nicht erreichen. Laut EEÖ müssten 2023 nun endlich die Voraussetzungen für eine gedeihliche Entwicklung der Energieversorgung aus hiesigen erneuerbaren Quellen geschaffen werden. Dazu seien, wie im Falle des Energieeffizienzgesetzes, wichtige Rahmenbedingungen für den Erneuerbaren-Ausbau zu schaffen und durch die Bundesländer tatkräftig umzusetzen.

    Es geht jetzt um einen gemeinsamen Kraftakt, der Österreich krisensicher, unabhängig von unzuverlässigen verbrecherischen Regimen und nicht zuletzt klimafit macht!
    Prechtl-Grundnig

    ,so Prechtl-Grundnig. Doch dazu brauche es abgestimmte und ambitionierte Aktivitäten im Bereich der Energieeffizienz und beim systematischen Ausbau erneuerbarer Energie.

    Studie zeigt Potenzial heimischer erneuerbarer Energieträger

    Die im Dezember 2022 vom Dachverband Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ) präsentierte Studie „Österreich Klimaneutral. Potenziale, Beitrag und Optionen zur Klimaneutralität mit erneuerbaren Energien“ zeigt, dass mit Österreichs Ressourcen an erneuerbarer Energie der aktuelle Energieverbrauch zu einem Großteil abgedeckt und für unser Land Energiesicherheit geschaffen werden kann.
    Der EEÖ sieht in der vorgelegten Studie den Nachweis, dass eine vollständige Umstellung der Energieversorgung weg von fossilen Energieträgern möglich ist.
    Energieexperte und Mitautor der Studie Andreas Veigl meint:

    Damit dieses Potenzial ausreicht, bräuchte es jedoch ergänzende Aktivitäten, um den Energieverbrauch deutlich zu senken und die verfügbaren Erneuerbaren-Technologien rasch und kontinuierlich auszubauen.
    Andreas Veigl

    Zu den zentralen Voraussetzungen einer heimisch getragenen Energiewende zählen somit vier wichtige Eckpfeiler, die auch laut Prechtl-Grundnig zeitgleich zum Ausbau der Erneuerbaren sichergestellt werden müssten: Der Energieverbrauch muss gegenüber dem aktuellen Niveau deutlich sinken. Gasförmige und flüssige grüne Energieträger sind im Sinne der Effizienz gezielt dort einzusetzen, wo es keine adäquaten Alternativen gibt. Ein Mix aus allen verfügbaren Erzeugungstechnologien ist für die Energiewende von zentraler Bedeutung. Nicht zuletzt braucht es Speicher und Flexibilität, um Bedarf und Erzeugung miteinander zu harmonisieren. Kurzum: Energieeffizienz, Technologieklarheit, Technologiemix und Flexibilisierung sind die Gebote einer zukunftsfähigen Energieversorgung.

      Executive Summary der Studie:

      "Österreich hat das Potenzial, sich vollständig selbst mit erneuerbarer Energie zu versorgen. Das zeigt eine aktuelle Studie, die der Dachverband Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ) im Dezember 2022 vorgelegt hat. Darin werden die Potenziale aller heimischen erneuerbaren Energieträger ausgewiesen.Aktuell bezieht Österreich rund 60% der benötigten Energie aus dem Ausland – vor allem Erdgas und Erdöl. Laut Zahlen der Energieagentur wurde 2021 Energie im Wert von rund 12 Mrd. Euro importiert, 2019 waren es 11 Mrd. Euro.

      Aktueller Einsatz (2020) und Potenzial erneuerbarer Energie in Österreich nach Energieträgern.

      - © Bild: Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ)

      Damit Österreich sich mit erneuerbaren Energien selbst versorgen kann, werden folgende Punkte essenziell:

      • Mix aus allen Energieträgern: Laut der Studie braucht es den Ausbau aller erneuerbaren Energieträger: Wasserkraft, Windkraft, Photovoltaik, aber auch Biomasse, Solarthermie, Geothermie und Umgebungswärme. In Kombination dieser Energieträger entsteht ein Potenzial von 1.037 Petajoule für die heimische Aufbringung an grüner Energie. Nur eine breite Basis gewährleistet Versorgungssicherheit, die ausschließliche Konzentration auf einzelne Energieträger führt nicht zum Ziel. Von eminenter Wichtigkeit ist dafür auch die Ausweisung von Flächen für die Energieproduktion in der Raumordnung.
      • Sinnvolle Lenkung hochwertiger Energieträger: Die richtige Verteilung von hochwertigen Energieformen (nach ihrem sogenannten exergetischen Potenzial) ist notwendig. „Hochexergetische“ Energieträger (mit denen man hohe Temperaturen erreichen kann) wie Biogas oder Wasserstoff müssen dort eingesetzt werden, wo sie nicht ersetzbar sind, etwa in der Industrie, der Kraft-Wärme-Kopplung oder in Spezialanwendungen im Verkehr. Solarthermie, Ab- und Umgebungswärme können hingegen bevorzugt zur Heizung oder Warmwasserbereitung verwendet werden – dafür müssen sie jedoch auch verwendet werden, sonst bleibt ihr Beitrag ungenutzt. Für den optimalen Einsatz der einzelnen Energieträger braucht es eine Steuerung der Marktkräfte.
      • Energieeffizienz: Aktuell liegt der heimische Energieverbrauch bei ca. 1.450 Petajoule. Um mit dem Potenzial der heimischen Erneuerbaren das Auslangen zu finden, sind Anstrengungen im Bereich Energieeffizienz und Energiesparen notwendig: etwa durch die Sanierung von Gebäuden, Effizienzgewinne im Verkehr durch Umstellung auf E-Mobilität und Verlagerung zu Fuß, Rad und Öffis, durch Maßnahmen in der Industrie.

      Bilanzielle Selbstversorgung bedeutet aber nicht Autarkie: Österreich wird weiterhin Teil des europäischen Strom- und Energiemarktes bleiben. Der Energieaustausch mit anderen Ländern ist notwendig und sinnvoll."*

      * Dachverband Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ)

      Gut gemeinter Rat auf die Frage: "Erneuerbare Energien und Energieeffizienz - Österreich, quo vadis?"

      Um auf die anfänglich gestellte Frage zurückzukommen, will ein gut gemeinter, "oberflächlicher" Rat gegeben sein: Liebes Österreich, du solltest deinen Energieverbrauch senken. Das wird in vielerlei Hinsicht möglich sein - wie wir gerade lesen durften - und die Einsparpotenziale sind lange nicht ausgeschöpft. Intelligent scheint jedenfalls, wenn man gewisse Effizienzmöglichkeiten forciert und diese fokussiert nutzt - denn Energiesparen muss nicht unbedingt heißen, massive Abstriche in Kauf nehmen zu müssen. Dass der Begriff "Energieeffizienz" aktuell so hoch im Kurs liegt, kommt nicht von ungefähr - klar, er kann Lösungen schaffen, er wird aber kein Messias sein, insoweit muss man wach werden. Österreich - ja, es sind Anstrengungen im Bereich Energieeffizienz und Energiesparen notwendig - verlier dich nur nicht im Krisendenken, lenk den Fokus aufs Wesentliche, schau aber auch, dass du nicht den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen kannst. Österreich, sei ein wenig pragmatisch.