Erneuerbare-Wärme-Gesetz vs. Gebäudeenergiegesetz : Ein Rennen um die Wärmewende?

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Geht es um die Wärmewende - darum, den Wärmesektor von einer nicht-nachhaltigen Nutzung fossiler Energieträger in die Richtung einer nachhaltigen Nutzung erneuerbarer Energien zu rücken und den Umstieg auf erneuerbare Heizsysteme zu forcieren -, so lohnt ein Vergleich zwischen Österreich und Deutschland.

In Österreich will man über das sogenannte Erneuerbare-Wärme–Gesetz (EWG) den politischen Hebel hierfür montieren, in Deutschland sollen sich Regularien dafür über das Gebäudeenergiegesetz (GEG) ermöglichen. Beide solche Gesetze sind bis dato noch nicht verabschiedet - aber die entsprechenden Gesetzesentwürfe liegen schon seit längerem vor und lassen die Wogen im Diskurs höher schlagen.
Nicht zu Unrecht, darf man meinen - schließlich bahnt sich hier eine Veränderung an, die sowohl den privaten- als auch den öffentlichen Bereich maßgeblich neu formen will.

Kürzlich erst tat die Allianz für Grünes Gas kund, wie man dem EWG entgegenblickt und dass der deutsche Gesetzesentwurf für die Wärmewende dem Österreichischen in entscheidenden Punkten überlegen sei. Deutschland erreiche die Klimaziele technologieoffen, ohne strikte Verbote, finanzielle Kollateralschäden und erhalte damit wertvolle Infrastruktur.

Gilt Deutschland für Österreich in Sachen Wärmewende als Vorbild?

Kommenden Herbst soll es kommen, ein neues Wärmegesetz für Deutschland: das sogenannte Gebäudeenergiegesetz (GEG). Und dabei meint man aus Österreich, hier würde man vieles richtig machen. So sagt beispielsweise Manfred Denk, Bundesinnungsmeister der Installateur:innen und Unterstützer der Allianz für Grünes Gas:

Das deutsche Gesetz ist einfach in vielen Punkten praxisorientierter und pragmatischer als das österreichische Pendant.
Manfred Denk

Dieser hat sich bereits letztes Jahr und noch vor dem Ministerratsbeschluss im November 2022 auch entschieden gegen die angestrebte generelle Zentralisierungsverpflichtung im EWG ausgesprochen. Die gute Nachricht: Auch das EWG ist noch nicht verabschiedet - Nachbesserungen im Entwurf wären also noch möglich.

Doch worin unterscheidet sich der deutsche Weg vom Österreichischen? Ohne zu fragen, wer besser in Richtung Ziel, also ein Gelingen der Wärmewende, läuft - nun die Frage: Welche regulatorische Methodik spannt sich bei welchem Gesetzesentwurf und wirkt am Ende technologieoffener?

Vorsichtig und lax formuliert, könnte man sagen: Das GEG nähert sich mindestens der Neuerrichtung von Heizungsanlagen mit etwas Spielraum an, der prima facie technologieoffener wirkt. Im Kern zielt man hier darauf ab, dass künftig im Neubau nur noch Heizungen eingebaut werden dürfen, die mindestens zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden.*1
Anders beim EWG - hier sollen nämlich Verbote die Zugschnur spannen. So heißt es im aktuell vorliegenden Gesetzesentwurf des EWGs, 2.Abschnitt, §5:

"(1) Die Errichtung, der Einbau sowie die Aufstellung einer oder mehrerer Anlagen zur Wärmebereitstellung, die für den Betrieb mit flüssigen fossilen oder festen fossilen Brennstoffen oder mit fossilem Flüssiggas geeignet sind, ist in neuen Baulichkeiten ab 1. Jänner 2023 unzulässig.
(2) Die Errichtung, der Einbau sowie die Aufstellung einer oder mehrerer Anlagen zur Wärmebereitstellung, die für den Betrieb mit gasförmigen fossilen Brennstoffen geeignet sind, ist in neuen Baulichkeiten ab 1. Jänner 2023 unzulässig. Dies gilt nicht für neue Baulichkeiten, für die gemäß den bis dahin geltenden bundes- oder landesrechtlichen Regelungen eine Bewilligung vor dem 1. Jänner 2023 beantragt und erteilt wurde und nicht erloschen ist."*
2

Einige Heizungstechnologien, die zwar mit fossilen Energieträgern betrieben werden können, sehr wohl aber auch mit Erneuerbaren (wie z.B. bei Gasheizungen insbesondere mit Biogas der Fall), werden hier de facto in neuen Baulichkeiten (wenn auch auf Gasheizungen angewandt und fehlt, was in (2) erläutert) verboten.
Ein "Phase-Out" für Öl, Flüssiggas und Kohle bis zum Jahr 2035 sowie ein "Phase-Out" für Gas bis zum Jahr 2040 (mit Ausnahmen) soll es auch geben.*3

Wollen wir nun etwas tiefer ins Detail steigen und erneut fragen, welche regulatorische Methodik der beiden Gesetze technologieoffener wirkt.

*1Beim Ersatz einer Gasheizung in Bestandsgebäuden gilt diese Regelung ebenfalls, allerdings gibt es eine Übergangsfrist von fünf Jahren. Funktionierende Heizungen können also ohne Einschränkungen weiterbetrieben und bei Bedarf auch repariert werden. - In den nächsten 20 Jahren müssen alle Heizungen schrittweise auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Es soll Übergangsfristen und Ausnahmen, einen starken sozialen Ausgleich, und Förderungen geben. Ziel ist der klimaneutrale Gebäudebestand bis spätestens 2045. Für den Gesetzesentwurf vgl. auch: https://www.bundestag.de/dokum....; i.e.:https://dserver.bundestag.de/b... (Links zuletzt abgerufen am20. Juli 2023)

*2Quelle: https://www.parlament.gv.at/ge...; i.e.: https://www.parlament.gv.at/do... (Links zuletzt abgerufen amv20. Juli 2023)

*3Vgl. hierzu: ebd. 3.Abschnitt, § 6

Energieträger und seine Wirkung vs. Heizsystem

Wie würden Sie Technologieoffenheit definieren, im Hinblick auf den Einsatz von Heizsystemen? Eine Möglichkeit: Gebote geben, die zwar in einem gewissen Rahmen einschränken, aber nicht verbieten? Zu theoretisch? Werfen wird doch den Blick auf den deutschen Gesetzesentwurf:

Das GEG sieht vor, den Klimaschutz im Gebäudebereich voranzutreiben, aber dem Einsatz von Heizsystemen bis zu einem gewissen Grad und mutatis mutandis offener zu begegnen. Das heißt, es werden keine Heizsysteme verboten, sondern es wird auf die Umweltverträglichkeit abgestellt. Das bedeutet, dass zum Beispiel Gasbrennwertgeräte oder Hybridheizungen - eine hocheffiziente Kombination aus Gasbrennwertheizung und Wärmepumpe - künftig eingebaut werden dürfen, wenn sie mit einem entsprechend hohen Anteil an Biogas oder grünem Wasserstoff betrieben und/oder mit einer Photovoltaikanlage kombiniert werden. Unter dem Strich müssen die Geräte in Zukunft also zu zwei Dritteln mit erneuerbaren Energien betrieben werden - wie das zu erreichen ist, wird den Konsument:innen nicht vorgeschrieben.

Methodisch driften das GEG und das EWG hier also insoweit auseinander, als sich zweiteres auf die Regulierung des Heizsystems per se festsetzt und bei ersterem der eingesetzte Energieträger und seine Wirkungen auf die Umwelt den Rahmen spannen. Ohne wirklich in die Tiefe zu steigen, scheint rein methodisch gesehen der deutsche Weg hier technologieoffner zu sein.

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Erneuerbarer Prozentsatz bei neuen Heizungen vs. inhaltliche Unterscheidung zw. Neubau/Bestand

Beim Einbau eines neuen Heizsystems wird im GEG nicht zwischen zu errichtenden Gebäuden und Bestandsgebäuden unterschieden. Es wird hingegen die Pflicht gesetzt, neue Heizungen mit 65 Prozent erneuerbarer Energien zu betreiben. Ein fossiler Anteil wird damit nicht ausgeschlossen, Heizsysteme nicht gänzlich verboten und die neue Errichtung von Heizungen, die für fossile Brennstoffe bloß geeignet wären, ohne auch mit solchen betrieben zu werden, nicht verboten.

Methodisch driften das GEG und das EWG hier also insoweit auseinander, als zweiteres die Errichtung aller Heizungen in Neubauten verbieten will, die für fossile Brennstoffe geeignet wären - selbst wenn die Heizung nachweislich mit erneuerbaren Energieträgern wie Biogas oder E-Fuels betrieben wird. Bei ersterem gilt ein Erneuerbarer Prozentsatz bei neuen Heizungen. Welche methodische Herangehensweise verstehen Sie hier als technologieoffener?

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Erneuerbarer Energieträger vs. allgemeine Stilllegungsverpflichtung

Im Bestand sieht der deutsche Entwurf vor, Heizsysteme, die zwar mit fossilen Brennstoffen betrieben werden können, aber mit einem gesetzten Erneuerbaren Anteil betrieben werden und in den nächsten 20 Jahren gänzlich auf erneuerbare Brennstoffe umgestellt werden, weiterhin zu erlauben.
Mit dem EWG soll es eine allgemeine Stilllegungsverpflichtung von Anlagen zur Wärmebereitstellung geben. Im Originalwortlaut heißt es hier im 3. Abschnitt(Wärmebereitstellung in bestehenden Bauten), §6:

"(1) Zentrale oder dezentrale Anlagen zur Wärmebereitstellung in bestehenden Bauten sind
stillzulegen:
1. soweit sie für den Betrieb mit flüssigen fossilen Brennstoffen oder mit fossilem Flüssiggas geeignet sind oder mit festen fossilen Brennstoffen betrieben werden, spätestens vor Ablauf des 30. Juni 2035;
2. soweit sie, vorbehaltlich der gemäß Abs. 2 zu treffenden Regelung, mit gasförmigen fossilen Brennstoffen betrieben werden, spätestens vor Ablauf des 30. Juni 2040.
(2) Für Anlagen, die für den Betrieb mit gasförmigen fossilen Brennstoffen geeignet sind und die von den Regelungen gemäß §§ 8, 10 und 11 in der Fassung dieses Bundesgesetzes nicht umfasst sind, hat die Bundesregierung dem Nationalrat rechtzeitig eine Regierungsvorlage für eine Änderung dieses Bundesgesetzes zuzuleiten, sodass die stufenweise Stilllegung der Anlagen, die mit gasförmigen fossilen Brennstoffen betrieben werden, spätestens bis zum Ablauf des 30. Juni 2040 abgeschlossen ist. Anlagen, die mit erneuerbarem Gas betrieben werden, können über den 30. Juni 2040 hinaus in Betrieb bleiben. Anlagen, die mit erneuerbarem Gas aus eigenen Produktionsanlagen betrieben und über eine direkte Leitung von der Produktionsanlage beliefert werden, unterliegen keiner Stillegungsverpflichtung nach diesem Bundesgesetz."*1

Nun abgehoben speziell auf Absatz (1) hieße dies für Heizsysteme, welche beispielsweise für den Betrieb mit flüssigen fossilen Brennstoffen bloß geeignet sind, wenngleich sie mit Erneuerbaren (wie z.B. E-Fuels) betrieben werden: Diese müssen bis spätestens zum Stichtag 2035 stillgelegt sein.

>>> Lesen Sie hierzu auch: EWG im Fokus: Umsetzbarkeit, Technologieoffenheit?

In Absatz (2) wird es subtiler. Einerseits verdichten die §§ 8, 10 und 11 hier die Regularien. Für dezentrale Anlagen findet beispielsweise in § 11 eine Zentralisierungsverpflichtung, wenn die dort definierten Umstände es fordern, zur Sprache.*2 Dazu hat der Bundesinnungsmeister der Installateur:innen bereits letztes Jahr kritische Bedenken gegeben. Andererseits scheinen sich über diesen Absatz Ausnahmen einer Stilllegung für Gasheizungen zu ergeben - abgehoben auf den Betrieb mit erneuerbarem Gas. Die Frage dabei: Welcher Bereich von Anlagen kann nach Miteinbezug aller Sachverhalte und Verweise hier für den weiterführenden Betrieb noch freigespielt werden? Wie groß ist hier das Fenster, über welches der Betrieb von Anlagen mit erneuerbarem Gas Einzug halten kann?

*1Quelle: https://www.parlament.gv.at/ge...; i.e.: https://www.parlament.gv.at/do...;(Links zuletzt abgerufen amv20. Juli 2023)

*2Bei dezentralen Anlagen (dezentrale Ölheizungen/Gasetagenheizungen in Wohnungen) in Gebieten mit ausgebauter Fernwärmeversorgung soll die Umstellung bis spätestens 2035/2040 erfolgen. Den Eigentümer:innen der einzelnen Nutzungseinheiten (Wohnungen) soll der Anschluss an ein klimafreundliches zentrales Wärmeversorgungssystem ermöglicht werden. Vgl. hierzu: ebd. 3.Abschnitt, § 11

Methodisch driften das GEG und das EWG hier also insoweit auseinander, als zweiteres - nun beispielsweise abgehoben auf flüssige fossile Brennstoffe - eine allgemeine Stilllegungsverpflichtung von Anlagen intendiert, die für fossile Brennstoffe geeignet wären, selbst wenn die Heizung nachweislich mit erneuerbaren Energieträgern wie E-Fuels betrieben wird. Bei ersterem gibt der Einsatz von erneuerbaren Energieträgern den Weg vor. Welche methodische Herangehensweise verstehen Sie hier als technologieoffener?

...aber eines noch...

Nachbesserungen beim GEG

Für das GEG wurde die zweite und dritte Lesung des Gesetzentwurfs verschoben und soll jetzt nach der parlamentarischen Sommerpause auf der Tagesordnung des deutschen Bundestages stehen. Man möge die Zeit nun nutzen, um nachzubessern, wie es von einigen Seiten auch heißt. Was und wo nachgebessert werden soll - auch das Thema Technologieoffenheit wird dabei angesprochen -, lesen Sie in diesem Artikel: Heizungshammer-Gesetz eingefroren.

Resümee

Längst nicht alle Aspekte in einen tatsächlichen Vergleich eingespielt, lässt sich festhalten: Mit dem GEG scheint der Weg in Richtung Wärmewende technologieoffener zu sein als dies mit dem EWG der Fall wäre. Technologieoffenheit hat aber klar auch ihre Grenzen, weil sie bloß ein Schlüssel sein kann, nicht aber ein Öffnen.

Will man hier zwischen Österreich und Deutschland vergleichen und gedanklich eine Komparation hineinspielen, so bitte auch mit Bedacht. Beide Gesetze sind noch nicht entschieden, werden noch in die Reife geschickt werden müssen und ein Vergleich darf dann am ehesten die Erwägungen für Modalitäten forcieren.

Um ein Rennen kann es hier natürlich auch nicht gehen. Dadurch würde der Gedanke einrühren, zwischen potentiellem Gewinner und Verlierer unterscheiden zu können. Alleine die Trennung zwischen Nationen - als wäre es ein "Wettstreit" - bei solch einem Thema ist nicht sehr besonnen! Es gäbe einige Ebenen, von welchen man her argumentieren könnte, warum es nicht funktionieren kann, eine Wärmewende isoliert auf einen nationalen Rahmen begrenzt zu denken. Auch eine interessante Frage an dieser Stelle: Wie kann die nationale Gesetzgebung transnational ihre Wirkung entfalten und wie ist dieselbe in ein transnationales (Gesetzgebungs-, aber auch Andere-ebenen-betreffendes-)Netz eingewoben?

>>> Lesen Sie an dieser Stelle gerne auch: Beitrag von Wärmepumpen zur Wärmewende

Vielmehr wird in vielerlei Hinsicht ein Schulterschluss nötig werden.

Man darf sich als Nachbar aber inspirieren lassen und im Vergleich die Pointe seiner methodischen Herangehensweise lichter sehen. Welcher Weg am Ende tatsächlich zielführender wirkt - diese Frage ist sehr komplex und müsste gesondert, dann aber auch ausreichend reflektiert behandelt werden.