Heizungsbetreiber in Österreich : Kommen Zumutbarkeitsprüfung und Zwangstausch!?

Erneuerbare Wärme Gesetz (EWG)

Das Spar-Schwein wird nicht reichen – viele Österreicher (m/w) werden auch ihr Konto plündern müssen, wenn das Erneuerbare-Wärme-Gesetz so kommen sollte, wie es im Entwurf steht.

- © HLK/E. Herrmann

Am 10. Juli 2022 endete die Stellungnahme-Frist zum Entwurf des österreichischen Bundesgesetzes zum Ausstieg aus der fossil betriebenen Wärmebereitstellung, genannt Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWG). Das Gesetz der österreichischen Bundesregierung legt den Ausstieg aus fossilen Heizungen (Kohle, Öl, Gas) bis ins Jahr 2040 fest.
Noch ist das EWG ein Entwurf, das der parlamentarischen Zustimmung (zu 2/3) bedarf. 1,9 Millionen Heizungsnutzern (m/w) in Österreich könnte das aber mit hoher Wahrscheinlichkeit schon jetzt starke Kopfschmerzen bereiten, wenn sie davon im Detail wüssten. Denn sie könnten von der Politik mit der Finanzierung einer komplett neuen Heizungsanlage konfrontiert werden. Und zwar mitunter sogar dann, wenn die (Öl-, Gas-) Heizung kaputt geht, also noch repariert werden könnte.

Eckpunkte des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes

Das EWG (Erneuerbare-Wärme-Gesetz) wurde durch das Klimaschutzministerium in Begutachtung geschickt bzw. als Ministerialentwurf vorgelegt. Der EWG-Entwurf enthält u. a. folgende Eckpunkte:
Mitteilungsverpflichtung
: Ab 1. Jänner 2023 ist gemäß den landes- oder bundesrechtlichen Regelungen in bestehenden Bauten die erstmalige Inbetriebnahme einer Anlage oder einer Anlage, an der ein wesentlicher Anlagenteil geändert wurde, den Behörden unter Angabe des eingesetzten Brennstoffes oder Energieträgers, des Standortes sowie des Eigentümers bzw. der Eigentümerin des Gebäudes mitzuteilen (diese Regelung gilt nur für Anlagen, die für fossile Brennstoffen geeignet sind).
Ab 1.1.2023 sollen in Neubauten in Österreich keine Wärmebereitstellungsanlagen
errichtet werden, die für den Betrieb mit flüssigen oder festen fossilen Brennstoffen oder mit fossilem Flüssiggas geeignet sind. Für bereits genehmigte, fertig geplante und in Errichtung befindliche Gebäude soll es Ausnahmen geben.
Ab 1.1. 2023 sollen auch kaputte Öl- und Kohleheizungen nur mehr durch erneuerbare Heizsysteme ersetzt werden dürfen (in Neubauten sind Öl- und Kohleheizungen in Österreich bereits seit 2020 verboten).
Ab 2025 soll der der Zwangstausch von alten Kohle- und Ölheizungen (älter als Baujahr 1980 beginnen).
Allgemeines Stilllegungsgebot in Österreich
: Alle zentralen oder dezentralen Anlagen zur Wärmebereitstellung, die für den Betrieb mit flüssigen fossilen Brennstoffen oder mit fossilem Flüssiggas geeignet sind oder mit festen fossilen Brennstoffen betrieben werden, sollen vor Ablauf des 30. Juni 2035 stillgelegt sein.
Bis 2040 sollen alle Gasheizungen in Österreich durch ein modernes, erneuerbares Heizsystem ersetzt oder mit biogenem Gas betrieben werden.
Dezentrale Anlagen (Gasetagenheizungen in Wohnungen) in Gebieten mit ausgebauter Fernwärme sollen bis spätestens 2040 umgestellt werden. Eigentümer (m/w) der einzelnen Nutzungseinheiten (Wohnungen) soll der Anschluss an ein klimafreundliches zentrales Wärmeversorgungssystem ermöglicht werden.
Dieses große Tauschprogramm wird durch Förderungen begleitet.

Vorgeschmack auf mögliche Kosten

Ein Ölheizungsnutzer, dessen Anlage nach dem 1.1.2023 kaputt geht, könnte nach dem EWG-Entwurf also Pech haben – er müsste seine Ölheizungsanlage entfernen lassen und zwingend auf eine Wärmepumpe, einen Biomasse-Kessel (Pellets, Hackgut) oder auf Fernwärme umstellen (sofern vorhanden). Beim Umstieg von alten Öl- und Gasheizungen im Einfamilienhaus (EFH) gibt es vom Bund derzeit 7.500 Euro. Die Bundesländer gewähren eine weitere Förderung.
Die Kosten für die neue Heizungsanlage (bzw. die Umrüstung auf einen neuen Energieträger) hängen von vielen Faktoren ab und variieren natürlich stark – aber mit rund 25.000 Euro sollte der vorher erwähnte Ölheizungsbesitzer bei einem EFH schon (mindestens) rechnen. Dieses Geld muss vorfinanziert werden – die Förderung erhält man erst hinterher.
Welche Kosten für die Umrüstung aller Ölheizungen in Österreich anfallen würden, hat die HLK Mag. Martin Reichard, GF von IWO Österreich, gefragt: „Auf die Ölheizungsbesitzer in Österreich würden damit Umstellkosten von über 15 Milliarden Euro zurollen. In unserer Stellungnahme zum EWG haben wir noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es volkswirtschaftlich sinnvoller wäre, Öl-Heizungsanlagen weiterbetreiben zu können, um darin in Zukunft klimafreundliche flüssige Energieträger einzusetzen. Wir nehmen 2023 gemeinsam mit AVL List eine Power-to-Liquid-Test-Anlage in Graz in Betrieb, die mit erneuerbarem Strom flüssige Brennstoffe herstellen wird. Derartige flüssige Erneuerbare erfüllen auch eine wichtige Pufferfunktion zwischen dem sommerlichen und winterlichen Stromangebot in Österreich“.
Auch die Gasetagenheizungen in Wohnungen sollen laut EWG-Entwurf bis 2040 getauscht werden (oder mit Grün-Gas betrieben sein). Welche Kosten damit verbunden sind? „Überschlagsmäßig würde es zirka 14 bis 15 Milliarden Euro kosten, wenn man die über 400.000 Gasetagenheizungen in Wien komplett auf andere Energieträger umrüsten möchte“, rechnete der damalige Bundesinnungsmeister der Installateure, Ing. Michael Mattes, bereits im Interview in der HLK 4/2022 vor. Wohlgemerkt: Nur für Wien.

Zumutbarkeitsprüfung und ausnahmebegründeter Tatbestand

Im Entwurf zum EWG liest man im „Anhang 1“ von einer „Zumutbarkeitsprüfung“. Darin heißt es u. a.: „Für die Beurteilung, ob im Einzelfall eine Wärmebereitstellung mittels Anlagen, die nicht für den Betrieb mit fossilen Brennstoffen geeignet sind, eine zumutbare Form der Sicherstellung einer funktionierenden Wärmebereitstellung darstellt, muss für jede der nachfolgend angeführten Technologien das Vorliegen eines ausnahmebegründenden Tatbestandes gesondert geprüft werden“.
Es folgt eine lange Liste „ausnahmebegründeter Tatbestände“ für die jeweiligen zentralen/dezentralen Anlagen, die Ausnahmen erklärt, wann z. B. die Wärmeversorgung mit festen erneuerbaren Brennstoffen, einem Fernwärmeanschluss oder einer Wärmepumpe nicht eingesetzt werden müsste.
So heißt es: „Die zentrale Wärmebereitstellung mittels einer elektrischen Wärmepumpe stellt keine zumutbare Form der Sicherstellung einer funktionierenden Wärmebereitstellung dar, wenn z. B. keine Möglichkeit besteht, die Grenzwerte des Schalldruckpegels an der Grundstücksgrenze gemäß der ÖNORM S 5021 vom 01.8.2017 einzuhalten“.

Zumutbarkeitsprüfung – Idee auch für Politiker (m/w)?

Nicht nur der Duden, auch Schreiber/Autoren/Redakteure freuen sich in der Regel über neue Wortkreationen. „Zumutbarkeitsprüfung“ ist so ein Wort, das die meisten Leute wohl zum ersten Mal lesen/hören. Aber wenn in einer Demokratie in Entwürfen eines Gesetzestextes von einer „Zumutbarkeitsprüfung“ und von „ausnahmebegründeten Tatbeständen“ liest, ist man erstaunt, ja alarmiert. Die Wortkreationen würde man eher in Zusammenhang mit Krimis vermuten. Und man fragt sich, was da noch kommen könnte.
Was aber weit mehr wiegt, als die Wortwahl, sind die Folgen des EWGs, wenn es so kommen sollte. Denn im Entwurf zum EWG wird massiv über das Geld der Österreicher (m/w) entschieden, quasi vorgeschrieben wer was und wann zu investieren hat, und zugleich „sehr locker“ in Freiheiten eingegriffen. Welche Freiheiten fallen dann als nächste?
Viele Österreicher wünschen sich schon lange, dass heimische (und EU-)Politiker (m/w) mehr Verständnis für die Nöte der Bürger aufbringen. Ein verpflichtender Test für Politiker (m/w) zum Bestreiten des Alltags mit max. 1.000 Euro pro Monat, würde wohl jeder befürworten. Jetzt gibt es auch ein passables Wort für diesen Wunsch-Alltags-Test: „Zumutbarkeitsprüfung“! Danke an den Erfinder dieses Wortes!
Wäre diese „Zumutbarkeitsprüfung“ auch für Politiker eingeführt, dann würde die Zustimmungsrate zu vielen Plänen der politisch Verantwortlichen in noch nie gekannte Höhen steigen. Nicht nur der EWG-Entwurf würde von den Österreichern mit „Handkuss“ begrüßt werden, wenn die „Zumutbarkeitsprüfung für Politiker (m/w)“ käme. Es wäre dann auch egal, dass damit die Resilienz der österreichischen Wärmeversorgung geschwächt werden würde. Und es wäre auch egal, dass im Sinne einer Risikoreduzierung und Neu-Technologie-Einbindung ein ausgewogener Energiemix eigentlich sinnvoll und wichtig wäre.
Die vielen Fragen, die der EWG-Entwurf aufwirft, bleiben aber: Es ist z. B. nicht dezidiert erkennbar, wer die „ausnahmebegründenden Tatbestände“ feststellt oder wer die Kosten dafür trägt?
Werden Bürgermeister und Installateure künftig zum Richter über Österreicher, die mit ihrer Heizung über den Winter kommen möchten? Lässt der Bürgermeister, die Bezirkshauptmannschaft, oder die Landesregierung die Heizung seiner/ihrer Mitbürger abdrehen? Und an welche Behörde sollen die erfassten Daten der Anlagenänderung (wie in der „Mitteilungsverpflichtung“ vorgesehen) gesendet werden? Wer sind die betroffenen Ausführenden und wissen die schon von „ihrem Glück“?
Zum EWG-Entwurf wurden seitens vieler Verbände und Unternehmen etliche Stellungnahmen eingebracht – die sind auf den Parlamentsseiten einzusehen und lesenswert, aufschlussreich sowie kontrovers.
Hier gelangen Sie zum EWG-Ministerialentwurf und zu den Stellungnahmen.