Biomasse/REPowerEU : EU-Plan für Ausstieg aus fossilem Gas erntet Kritik

v.li.: Josef Plank (Österreichischer Raiffeisenverband; Wirtschafts-, Agrar- und Europafragen), Gerolf Bücheler (GF Fachverband Holzenergie im deutschen Bundesverband Bioenergie e.V.), Rudolf Freidhager (Vorstand der Österreichischen Bundesforste AG und und stv. Vorsitzender des ÖBMV), Christian Metschina (Referatsleiter Energie, Klima und Bioressourcen, LK Steiermark und stv. Vorsitzender des ÖBMV) und Christoph Pfemeter (GF Österreichischer Biomasse-Verband)

v.l.n.r.: Josef Plank (Österreichischer Raiffeisenverband; Wirtschafts-, Agrar- und Europafragen), Gerolf Bücheler (GF Fachverband Holzenergie im deutschen Bundesverband Bioenergie e.V.), Rudolf Freidhager (Vorstand der Österreichischen Bundesforste AG und und stv. Vorsitzender des ÖBMV), Christian Metschina (Referatsleiter Energie, Klima und Bioressourcen, LK Steiermark und stv. Vorsitzender des ÖBMV) und Christoph Pfemeter (GF Österreichischer Biomasse-Verband)

- © Bild: Krisztian Juhasz (für ÖBMV / ABA)

Nachdem die Europäische Kommission den REPowerEU-Plan vorgelegt hat, mit dem auf den aktuellen globalen Energiemarkt reagiert werden möchte, ertönt ein reges Echo aus der Branche. Einerseits will auf Inkonsistenzen innerhalb der Handlungsvorhaben der EU hingewiesen, es möchte aber auch auf die fehlende Implementierung von Biomasse aufmerksam gemacht werden. Im Zuge dessen hat der Österreichische Biomasseverband(ÖBMV) am 2. Juni eine Tagung in der Urania in Wien einberufen, bei der vor etwa 150 TeilnehmerInnen EU-Abgeordnete mit ExpertInnen aus Bundesministerien, Forstwirtschaft und Energie Wege zum Erdgasausstieg diskutieren konnten.
Wir wollen nun auf die Veranstaltung zurückblicken und das Wichtigste rekapitulieren.

Großes Biomassepotential in Forst-, Land- und Abfallwirtschaft

„In der EU sind große Biomassepotenziale in Forst-, Land- und Abfallwirtschaft vorhanden, die zum Ausstieg aus russischem Gas forciert werden sollten“, hebt Franz Titschenbacher, Präsident des Österreichischen Biomasse-Verbandes (ÖBMV), anlässlich der Veranstaltung „Raus aus fossilem Gas mit REpowerEU?“ am 2. Juni in Wien hervor.

Aufgrund der verantwortungsvollen Waldbewirtschaftung haben die Holzvorräte in der EU seit 1990 um über 8 Milliarden Kubikmeter zugenommen, das ist mehr als der Waldbestand Österreichs, Deutschlands und Frankreichs zusammengenommen.
Franz Titschenbacher

Titschenbacher ergänzt, parallel dazu bänden die Wälder immer mehr CO2 aus der Atmosphäre - nicht trotz, sondern wegen ihrer nachhaltigen Bewirtschaftung. In ganz Europa seien die Wälder vom Klimawandel betroffen. Nur durch aktive Bewirtschaftung könne ein Waldumbau hin zu klimafitten, stabilen und artenreichen Mischwäldern gelingen. Im Zuge von Waldpflegemaßnahmen und zunehmenden Schadereignissen fielen im Wald immer mehr Sortimente an, die nur energetisch verwertet werden könnten und einen wertvollen Beitrag zum Ersatz fossiler Energieträger leisten könnten.

Im Sinne dieser Argumentationslinie wundert es nicht, wie Titschenbacher den Forderungen des EP-Umweltausschusses gegenübersteht.

Trotz vorbildlicher Waldbewirtschaftung sollen forstliche Nebenprodukte wie Waldhackgut nicht mehr zur Wärme- und Stromerzeugung eingesetzt werden, sondern ungenutzt verrotten.
Franz Titschenbacher

Dieser kritisiert, man setze stattdessen lieber auf Importe von Fracking-Gas und forciere die Atomkraft. Dies könne nur als grob fahrlässig bezeichnet werden.

Fragwürdige Maßnahmen für ambitionierte Klimaziele

Im Zuge der Veranstaltung wird auch Jean-Marc Jossart, Geschäftsführer von Bioenergy Europe, für einen Impulsvortrag zugeschaltet. So subtil der Fachdiskurs sein mag, so eklatant seine Intention. Es will über Fakten und Zahlen darauf hingewiesen werden: der Europäische Green Deal blockiert die Bioenergie-Potenziale, anstatt sie zu nutzen.

Bioenergie sei der bedeutendste erneuerbare Energieträger in der EU. Der Anteil von Biomasse unter den Erneuerbaren betrage etwa 60 %, in sieben EU-Staaten liege er sogar über 80 %. Mit dem Plan REPowerEU wolle die Europäische Kommission die Abhängigkeit von russischem Gas und Öl beenden und die Energiewende beschleunigen. Es sei aber zweifelhaft, wie die Einrichtung einer Einkaufsplattform für Erdgas, Flüssigerdgas (LNG) und Wasserstoff, gezielte Investitionen in LNG-Terminals sowie in die Gas- und Ölinfrastruktur oder die Sicherung alternativer Uranquellen für Atomkraftwerke zur Umsetzung der Energiewende beitragen sollen“, zeigt Jossart auf.

Dieser geht sogar weiter und akzentuiert, es blieben die EU-Klimapläne ohne Bioenergie ein Wunschtraum. Angesichts der Tatsache, dass elektrische Energie nur etwas über ein Fünftel des Endenergiebedarfs der EU deckt, bekräftigt Jossart:

Der Ansatz der Kommission, den Anteil erneuerbarer Energien in sieben Jahren in erster Linie mit dem Ausbau der Stromerzeugung aus PV und Windkraft sowie der Elektrifizierung des Wärmesektors von 20 % auf 45 % zu steigern, ist völlig realtitäsfremd.
Jean-Marc Jossart

Die Ursachen für die stiefmütterliche Behandlung der Bioenergie auf EU-Ebene sieht Jossart vor allem in einem „Biomasse-Bashing“ und emotionalen Kampagnen von Umwelt-NGOs. „Wir müssen die Vorteile der Bioenergie noch besser kommunizieren“, fordert Jossart auf und nennt als Beispiel einen gemeinsam verfassten Brief von mehr als 500 Führungskräften der Bioenergie-Branche an die EU-Kommission.

EU konterkariert ihre eigenen Ziele

Gerolf Bücheler, Geschäftsführer des Fachverbandes Holzenergie im deutschen Bundesverband Bioenergie, kritisiert die Vorgangsweisen der EU: „Anstatt Erfüllungsoptionen zu ermöglichen, konterkariert die EU mit den bürokratischen Hürden und neuen Einschränkungen für Bioenergie in der RED III, der LULUCF-Verordnung oder der Sustainable Finance-Taxonomie ihre eigenen Energiewende- und Klimaziele."
Zu den Vorschlägen der EU-Kommission für die RED III gehören die Absenkung der Anlagengrößengrenze für Nachhaltigkeitskriterien von 20 MW auf 5MW, Nutzungsverbote für forstliche Biomasse aus „No-Go-Areas“, ein verpflichtendes Kaskadenprinzip für die Holznutzung und ein delegierter Rechtsakt zu weiteren Einschränkungen der forstlichen Biomassenutzung im Jahr 2026. „Die Treibhausgas- Senkenziele für den Landnutzungssektor stellen die Waldbewirtschaftung und Holznutzung infrage“, mahnt Bücheler. „Während alle Prognosen zeigen, dass die CO2-Bindung im Wald aufgrund von Alterseffekten abnehmen wird, gibt die EU-Kommission unrealistische Ziele für eine Steigerung der Treibhausgassenke vor.“ Andererseits müsse der Erneuerbaren-Anteil im Wärmesektor in Deutschland laut Koalitionsvertrag bis 2030 auf 50 % knapp verdreifacht werden. „77% der erneuerbaren Wärmeenergie in Deutschland basieren auf Holz“, erklärt Bücheler. „Ohne feste Biomasse wird der enorme Ausbaubedarf nicht zu leisten sein.“

Wird mehr Holz verarbeitet, fällt mehr Energieholz an

Der Geschäftsführer des ÖBMV, Christoph Pfemeter, meint außerdem:
„Bei der Bioenergie ist in allen Bereichen Ausbaupotenzial vorhanden. Während der Pelletseinsatz in den vergangenen Jahren zugenommen hat, ist die Nutzung von Waldhackgut und Brennholz durch wärmere Winter, Gebäudedämmung und den Einsatz moderner, effizienter Biomassekessel zurückgegangen; dieser Trend würde sich ohne neue Anlagen im KWK- und Fernwärmebereich weiter fortsetzen.“ In Österreich werden aktuell jährlich etwa 49 Millionen Festmeter Holz umgesetzt, davon 25 Millionen Festmeter im Inland für energetische Zwecke. Dieses Energieholz fällt als Nebenprodukt der Holzernte, der Holzindustrie, der Papierindustrie und der Landschaftspflege an. „Der Schlüssel für die Mobilisierung zusätzlicher erneuerbarer Energie aus Holz ist eine florierende Holzindustrie, die Holz zu hochwertigen Produkten verarbeitet und ein daran angepasster Energie-Anlagenpark, der die entlang der Wertschöpfungskette anfallenden Reststoffe so effizient wie möglich nutzbar macht. Dies beginnt bei Scheitholzheizungen, die Brennholz verwerten, Nahwärme- und KWK-Anlagen, die Waldhackgut einsetzen, Pelletkessel, die Sägespäne und andere Sägenebenprodukte für Haushalte nutzbar machen, und endet bei Laugenkesseln oder Holzgasanlagen, die auch mit schwierigen Holzabfällen zurechtkommen“, erklärt Pfemeter.

Durchforstungsrückstände und landwirtschaftliche Biomasse mobilisieren

In Österreich und in Europa wird weniger Holz genutzt als zuwächst, die Nutzungsrückstände im heimischen Wald sind auf über 250 Millionen Festmeter angewachsen, davon 80 Millionen Festmeter in der Durchforstung. „Die Energiewende und damit der Ausstieg aus fossilem Gas kann nicht ohne den wichtigsten erneuerbaren Energieträger Holz und die Mobilisierung von landwirtschaftlichen Biomassen umgesetzt werden. Je mehr Holz in Österreich verarbeitet wird, umso mehr Nebenprodukte fallen für die energetische Verwertung an. REPowerEU muss dringend so umgestaltet werden, dass Biomasse mobilisiert werden kann und nicht ungenutzt verrottet. Wir brauchen langfristige Ziele und einen kontinuierlichen Ausbau der Kapazitäten. Vor allem große Anlagen benötigen mehrere Jahre Vorlaufzeit“, fasst Pfemeter zusammen.

Summa summarum gilt es also, Biomassen in den REPowerEU-Plan zu implementieren und diesen in eine Konsistenz mit den Energiewende- und Klimaziele der EU zu überführen. Zweiteres wird wohl nur möglich, wenn eine holistische Adaption von mehreren Seiten aus geschieht.

Interview zu DÖGWA-Gründung

Auch zugegen war im Rahmen der Veranstaltung DI. Gerald Stickler, einer der Mitgründer der „Deutsch Österreichische Gesellschaft für Wasserstoff“(DÖGWA), die das Potential von Wasserstoff erkannt hat und seine Nutzung in Österreich forcieren möchte. Es bot sich also die Möglichkeit einen der Mitgründer der ARGE DÖGWA exklusiv zu interviewen. Und hier will man gespannt sein, wie es zur Gründung kam und wie die genauen Intentionen hinter der Interessensgesellschaft stehen. Wir werden dazu baldig über den Outcome des Interviews berichten.

Kristof M. Lutz, BA MA, Redakteur HLK, und DI. Gerald Stickler, Vorstandsmitglied "Energieplattform NÖ-SÜD/Schneebergland - Verein zur nachhaltigen Entwicklung der Region NÖ-SÜD/Schneebergland" und Mitgründer DÖGWA
v.l.n.r.: Kristof M. Lutz, BA MA, Redakteur HLK, und DI. Gerald Stickler, Vorstandsmitglied "Energieplattform NÖ-SÜD/Schneebergland - Verein zur nachhaltigen Entwicklung der Region NÖ-SÜD/Schneebergland" und Mitgründer DÖGWA - © Bild: Krisztian Juhasz (für ÖBMV / ABA)

Anm.d.Red.: Zum Interview finden Sie hier.