Interview mit Gerald Stickler, DÖGWA/DACHGWA : Der richtige Zeitpunkt zum Einsteigen – Bewusstsein für Wasserstoff schaffen

v.l.n.r.: Kristof Lutz, MA, HLK-Redakteur, führte mit DI. Gerald Stickler, Vorstandsmitglied "Energieplattform NÖ-SÜD/Schneebergland - Verein zur nachhaltigen Entwicklung der Region NÖ-SÜD/Schneebergland" und Mitgründer DÖGWA, ein exklusives Interview.

v.l.n.r.: Kristof Lutz, MA, HLK-Redakteur, führte mit DI. Gerald Stickler, Vorstandsmitglied "Energieplattform NÖ-SÜD/Schneebergland - Verein zur nachhaltigen Entwicklung der Region NÖ-SÜD/Schneebergland" und Mitgründer DÖGWA, ein exklusives Interview.

- © Bild: Krisztian Juhasz (für ÖBMV / ABA)

Dekarbonisierung, Ausstieg aus fossilen Energieträgern, Unabhängigkeit von Gas und Öl, Wasserstoff als Energieträger der Zukunft? Der Ruf des Wasserstoffs wird auch in Österreich gehört. Am 5. Mai 2022 wurde die „Deutsch Österreichische Gesellschaft für Wasserstoff“(DÖGWA) in Pforzheim(DE) mit österreichischer Beteiligung aus der Taufe gehoben.
Die HTL Wiener Neustadt über ihren Projektverein „Energieplattform NÖ-SÜD/Schneebergland“ zählt sich mit der Akademie der Hochschule Pforzheim(DE), der Firma HydroSolid aus Wilhelmsburg(AT) und dem Studienzentrum Weiz(AT) zu den Gründungsmitgliedern der Arbeitsgemeinschaft DÖGWA.
Am 2. Juni bot sich die Gelegenheit, im Rahmen einer Veranstaltung Gerald Stickler, Lehrer an der HTL Wiener Neustadt und Vorstandsmitglied dieses Projektvereins, zu interviewen. Wie kam es zur Gründung? In welcher Beziehung steht der Projektverein der HTL zur ARGE? Welche Intentionen verfolgt die DÖGWA? Warum gerade jetzt die Gründung? Wie stehen Sie zur Lagerung und Verteilung von H2? Gibt es bereits Förderungen für H2 in Österreich? Diese und weitere Fragen beantwortet Herr Stickler in einem Gespräch mit HLK-Rredakteur Kristof Lutz.

Sie sind Lehrer an der HTL und zeichnen für den Lehrgang zum zertifizierten Energietechniker verantwortlich. Sie sind Vorstandsmitglied des Projektvereins der HTL, der sich zu den Gründungsmitgliedern der DÖGWA zählt. Können sie kurz die Hintergründe dieses Projektvereins erläutern?

Stickler: Wir wollten an der HTL vor ungefähr 14 Jahren mit internationalen Projekten starten – den sogenannten Interreg-Projekten, Österreich-Ungarn. Weil die HTL kein eigener Rechtskörper ist, direkt dem Ministerium untersteht und es dadurch nicht möglich war, im Rahmen der HTL als Partner bei solchen Projekten mitwirken zu können, haben wir diesen Verein gegründet. In einem ersten grenzüberschreitenden Projekt konnten wir unser Kolleg „Energie, Umwelt, Nachhaltigkeit“ einführen – für AHS-Absolventen, die im zweiten Bildungsweg den HTL-Ingenieur nachholen wollen.
Als zweites Projekt wurde der berufsbegleitende „zertifizierte Energietechniker“ entwickelt, gemeinsam mit dem Studien- & Technologie Transfer Zentrum Weiz, der Szent István University, Georgikon Faculty, Keszthely und der Bauchfachschule in Györ(Györi Müszaki Szakképzési Centrum) als Partner. Dieser Lehrgang läuft seit 2019 in Österreich, in Weiz, Wiener Neustadt und in Keszthely. Die Akademie der Hochschule Pforzheim möchte den Lehrgang nun auch in Deutschland etablieren – das ist dann das dritte Land, wo dieser Lehrgang läuft.
Diese grenzüberschreitenden Projekte waren nicht einfach abzuwickeln, da „Interreg“ administrativ ziemlich aufwendig ist. Umso mehr freuen wir uns nun, dass es läuft und lediglich positive Rückmeldungen kommen – bereits 60 Personen haben wir im Zuge dessen in Österreich und Ungarn ausgebildet und jetzt im Herbst wird wahrscheinlich der nächste Lehrgang starten.

Mit der „Energieplattform NÖ-SÜD/Schneebergland“ wurde also ein Rechtskörper geschaffen, der gewisse Wege öffnet. Wurde die Mitgründung der DÖGWA auch erst dadurch möglich?

Stickler:
So ist es – ohne den Projektverein wäre die DÖGWA nicht zustande gekommen. Respektive bringt die „Energieplattform NÖ-SÜD/Schneebergland“ sozusagen Handlungsfreiheiten bezüglich solcher Beschäftigungen mit sich. Mit unseren Partnern in Deutschland war damit eine Gründung möglich, ohne bei diversen Hierarchien nachfragen zu müssen.

INFO:

Apropos (Grüner) Wasserstoff
Mit Elektrolyseuren kann durch Wasserspaltung Wasserstoff gewonnen werden. Wird die für die Elektrolyse nötige Energie vollständig durch erneuerbare Energien – wie z.B. aus PV – angewendet, so resultiert Grüner Wasserstoff. Im Gegensatz zu Strom wird mit H2 speicherbare Sekundärenergie gewonnen. Regenerativ erzeugter Strom wird in Form von Wasserstoff zwischengespeichert und kann je nach Bedarf beispielsweise als Strom(und Wärme) über Brennstoffzellen zurückgewonnen werden. H2 gilt neben vielen weiteren Einsatzgebieten beispielsweise der Industrie und Mobilität mittlerweile auch als interessante Alternative zu Erdgas in der Heiztechnik. Das Gros der Gasheizgeräte ist bereits bis zu einem Grad „H2-ready“.

Drei Grundintensionen stehen hinter dieser ARGE – allem voran die Verbreitung von Wasserstoff. Der Umgang mit grünem Wasserstoff ist politisch umstritten. Wem soll dieser zur Verfügung gestellt werden? Soll dieser ins Gasnetz eingespeist, oder nahe der Erzeugung Großverbrauchern zur Verfügung gestellt werden - wie sehen Sie das?

Stickler: Ich finde nicht, dass Wasserstoff nur für Großverbraucher interessant ist. Wir haben jetzt schon Systeme und Behälter, die bei 66kWh anfangen. Für Mehrfamilienhäuser ist das durchwegs interessant. Selbst kleine PV-Analgen ab 5kW produzieren Überschuss, für den der Betreiber bei Netzeinspeisung bloß ein paar Cent bekommt und zu anderen Zeiten teurer wieder zukaufen muss. Aktuell behilft man sich mit Batterien zur Stromspeicherung. Wenn man sich den Preis pro kWh ansieht, sind solche aber doch sehr teuer. Wir bewegen uns da bei ca. 1200 Euro pro kWh. Mit Wasserstoff – wenn wir in einem Jahr nochmal sprechen – könnte das vielleicht bei einem Viertel dieses Preises liegen. Das wird dann glaube ich auch für „Ottonormalverbraucher“ spannend.

Den Privaten können ihre überschüssigen Energien aus PV mittels Elektrolyse also in Wasserstoff umgewandelt werden und dieser soll anhand von Systemen und Behälter gelagert werden. Wie soll die Lagerung nun genauer aussehen?

Stickler:
Unser System arbeitet mit 15bar – das sind keine Hochdruckbehälter, welche Sicherheitsrisiken in sich bergen. Im Gegensatz zu Hochdruckspeichern ist das nicht gefährlich. Man kann so etwas auch bis 20MW bündeln, dann wird es für größere Anlagen oder Betriebe interessant. Technisch ist das bereits jetzt schon kein Problem. Wir müssen nur schauen, dass das rasch in die Breite geht, damit der Preis auch wirklich für jeden interessant wird.

Eine weitere Intention der DÖGWA verfolgt die Genehmigung von Förderungen in Österreich. Alleine in Baden-Württemberg gibt es 27 Förderungen zum Thema Wasserstoff (für Private bis 60%), in Österreich gibt es keine einzige Förderung für Privatpersonen. Wie sieht ihre Einschätzung hier aus?

Stickler:
Ein trauriges Kapitel in Österreich. In Deutschland bekommen Häuser, die sich vollständig mit Wasserstoff versorgen, bereits 60% Förderung – in Österreich gibt es bis dato keine einzige Förderung. Sie bekommen in Österreich für eine Batterie 200 Euro pro kWh Förderung. Kann man so etwas nicht auch für Wasserstoff einführen?

Die DÖGWA wurde erst am 5. Mai 2022 aus der Taufe gehoben – wie kann man solche Förderungen nun umsetzen?

Stickler:
Indem man Aufklärungsarbeit leistet und immer wieder darauf hinweist. Wir sind mit allen politischen Parteien bereits im Gespräch – wir versenden Aussendungen mit der Bitte, etwas zu tun, wir geben den Hinweis auf Deutschland und darauf, dass es in Österreich bis dato nichts dergleichen gibt. Momentan ist es für Private noch zu teuer. Es gibt für vieles eine Förderung, nur eben für Wasserstoff noch nicht, und das, obwohl dieser so zukunftsträchtig ist.
Ich habe bei der „REPowerEU“ gelesen: „10 Mio. Tonnen Wasserstoff, den man in der EU selbst erzeugt bis 2030“. Wir haben jetzt 2022 – es wird also Zeit, dieses Thema ernst zu nehmen.
Zum Klimafond ist bekannt, wenn man in Deutschland nach einer Förderung für Stromspeicher sucht, kann man jederzeit Ansuchen. Man muss lediglich ein Konzept vorlegen, reicht dieses ein und kann um eine Förderung ansuchen. So etwas gibt es in Österreich überhaupt nicht.
Die DÖGWA wurde auch deswegen länderübergreifend initiiert, damit, wenn wir in Österreich nicht weiterkommen, in Deutschland an Lösungen gearbeitet werden kann und vice versa.

Ist die DÖGWA ein neuartiges Konstrukt, resp. gibt es in Österreich oder Deutschland vergleichbare Bewegungen – und wie sieht es denn EU-weit aus?

Stickler:
In Deutschland gibt es einen deutschen Wasserstoffverband, mit dem wir bereits auch Kontakt pflegen. EU-weit gibt es ein Gremium – dies betrifft aber vor allem Tagungen und allgemeinere Beschäftigungen.
Wir möchten u.a. speziell die Bildung forcieren und Bildungsarbeit leisten, da wir wissen, dass es Leute brauchen wird, die sich mit Wasserstofftechnologien auskennen, wenn dieses Thema groß werden will. Für den heurigen Herbst planen wird deshalb auch die Einführung eines Masterstudiums mit dem Fokus auf Wasserstofftechnologien. Eventuell wird dadurch auch der eine oder andere auf uns Aufmerksam und es kann sich so eine Expansion ergeben. In jedem Fall bin ich davon überzeugt, dass ohne Bildung keine Umsetzung möglich ist und wir werden hier die Ersten sein, die so etwas anbieten können.

Sie haben gerade eine Expansion angesprochen. Es sind jetzt schon neben den Gründungsmitgliedern einige weitere Mitglieder dabei – wie aber sieht hier die Zukunft respektive ihre Einschätzung aus?

Stickler:
Wir zählen jetzt schon z.B. die TU Wien, die TU Graz, die Montanuniversität Leoben als drei namhafte Universitäten zu unseren Mitgliedern. Bereits im Gespräch sind wir mit dem Bildungsministerium, mit der Arbeitsgruppe Energie, Umwelt, Nachhaltigkeit, die alle HTLs in Österreich vernetzt. Das heißt wir haben bereits mit den anderen HTLs, vor allem im Bereich Elektrotechnik, Kontakt und unser Vorhaben kommuniziert. Über diese Schiene möchten wir ein profundes Netzwerk für Österreich aufbauen. Und auch mit der Politik sind wir bezüglich Förderungen im Gespräch, um für unsere Pilotprojekte, die bereits laufen, vielleicht doch eine Förderung bekommen zu können. Als Beispiel eine Diplomarbeit, die aktuell in der Umsetzung liegt: Wir haben uns ein Renn-Go-Kart organisiert – benzinbetrieben natürlich – und bauen dieses nun auf Wasserstoffbetrieb um. Aktuell möchten wir zwar mit den stationären Speichern beginnen, wollen dann aber auch die Mobilität mitnehmen.

Warum gerade jetzt diese Gründung? Ist momentan der richtige Zeitpunkt da, um hier einzusteigen?

Stickler:
Dass der richtige Zeitpunkt da ist, davon bin ich überzeugt. Außerdem sollte man das Tempo erhöhen, weil ich glaube, wenn man jetzt in Europa oder Österreich nicht rasch etwas tut, bleibt man auf der Strecke. China will 2030 eine Mio. Autos mit Wasserstoff auf den Straßen haben. Wenn wir jetzt nicht selbst in diese Entwicklung investieren, werden wir uns an China anlehnen müssen – die Wertschöpfung soll aber bei uns bleiben, so sehe ich das.

Gibt es abschließend für die Zukunft ihrerseits Wünsche für die DÖGWA?

Stickler:
Eine österreichische Wasserstoffstrategie – auf diese warten wir schon seit zwei Jahren. Vielleicht kann man hier doch versuchen, etwas zu beschleunigen, hier eine gescheite Förderung für Wasserstoff-Projekte zu etablieren. Das wäre mein Wunsch an die Politik und natürlich auch, dass wir uns mehr miteinander vernetzen. Wir möchten über Österreich hinausdenken. Wie wir jetzt mit Deutschland im Boot sitzen, will auch mit unseren guten Kontakten zu Spanien und Holland beispielsweise ein größeres Netzwerk aufgebaut werden. Wie gesagt stehen wir am Anfang, die Kontakte sind da, nur braucht gut Ding auch Weile. Es will auch jeder, der etwas dazu beitragen kann, herzlich eingeladen sein, „bei uns seinen Senf dazuzugeben“.

INFO:

Wasserstoffstrategie
Die Österreichische Wasserstoffstrategie wurde am selben Tag, an dem das Interview geführt wurde, von Klimaministerin Leonore Gewessler und ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Kocher vorgestellt. Es werden dabei auch Förderungen, basierend sowohl auf der Eigenerzeugung als auch auf dem Import, expliziert. Dennoch gilt es, für die Umsetzung nun ein höheres Tempo einzulegen. Lesen sie mehr dazu unter: https://hlk.co.at/heizung/wass...

Anm. d. Red.:

  1. Inzwischen gibt es neben österreichischer- und deutscher- auch eine schweizerische Beteiligung an der Gesellschaft für Wasserstoff – der Name DÖGWA wurde deshalb auf DACH-Gesellschaft für Wasserstoff(DACHGWA) geändert. Wie Herr Stickler auf Anfrage bekanntgab, handelt es sich mittlerweile außerdem um einen Verein mit Sitz an der HTL Wiener Neustadt.
  2. Mit dem 1. DACH-Wasserstoffsymposium am 29.9.2022 an der HTL Wiener Neustadt startet DACHGWA nun eine Reihe von Veranstaltungen, um das Thema Wasserstoff zu verbreiten. Die Veranstaltung am 29.9. ist dabei kostenlos. Um frühzeitige Anmeldung wird gebeten. Unter https://www.htlwrn.ac.at/wasse... kann die entsprechende Einladung heruntergeladen werden.
  3. Bezüglich des angekündigten MA-Studienprogramms zum Thema Wasserstoff-Technologien gab Herr Stickler inzwischen bekannt, dass dieses mit ziemlicher Sicherheit noch heuer starten wird.

Weitere Infos zur „Energieplattform NÖ-SÜD/Schneebergland“ unter: https://energieplattform.typep...

Weitere Infos zur DÖGWA unter:
https://www.htlwrn.ac.at/deuts...