Kommentar : Gescheiterter Klimaplan und Öko-Populismus bitten Steuerzahler zur Kasse

Parlamentsgeb?ude Baustelle Parlamentsdirektion Sanierung Umbau 2018 Innenaufnahme
© Parlamentsdirektion/Thomas Topf

Rund um das österreichische Parlament wird eine große Baustelle immer deutlicher. Damit sind nicht etwa die Bauarbeiten am Parlamentsgebäude selbst gemeint, es geht um die Klimabaustelle. Innerhalb des Nationalrats herrscht Sanierungsbedarf – vor allem im Bereich Klimaschutz. Wie die EU-Kommission nun bestätigte, unterliegt der österreichische Entwurf zum Energie- und Klimaplan NEKP mit dem hippen Namen #mission2030 groben Mängeln. Die Klimaschutzmaßnahmen müssen in vielen Bereichen nachgebessert werden, es besteht dringender Handlungsbedarf.

Fehler kaschieren statt eingestehen

Die ÖVP, die die für den nationalen Energie- und Klimaplan zuständige bisherige Umweltministerin Elisabeth Köstinger stellte, brüstet sich indes mit einem Erneuerbaren-Paket, mit dem Windkraft, Kleinwasserkraft und Biomasse gestärkt werden sollen. Durch die Erhöhung der Ökostrom-Abgabe pro Haushalt soll das 120 Millionen Euro-Paket finanziert werden. Aufgrund der mutwilligen Abwahl der Bundesregierung durch die SPÖ dürfe, so Köstinger, „kein Zeitverlust entstehen, der uns wertvolle Monate kostet, die uns im Klimaschutz dann fehlen“. Die eineinhalb Jahre Zeitverlust, die in den mangelnden Entwurf des Klima- und Energieplans flossen, wurden dabei wohl nicht berücksichtigt.

Ein Antrag für ein Klima-Notfallpaket wurde zudem auch von der SPÖ eingereicht. SPÖ-Energiesprecherin Muna Duzdar hält Elisabeth Köstinger vor, dass diese 17 Monate lang kein einziges relevantes Klimaschutzgesetz zusammengebracht hätte. „Und heute hat Köstinger eine Idee, die darin besteht, den Stromkunden 120 Millionen Euro auf ihre Stromrechnung draufzuknallen", kritisiert Duzdar. So ambitioniert der Plan von Köstinger auch klingen mag, so perpetuiert er doch auch ein Hauptproblem für Ökostrom: die bisherige Förderlogik nach fixen Einspeisetarifen wird einfach weitergeführt – etwas, das auch die EU-Kommission kritisierte.

Die Industriellenvereinigung ist vom Klima-Aktionismus wenig begeistert. „Auch ‚Öko-Populismus‘ ist Populismus. Daher gilt es aktuell Schnellschüsse zu vermeiden, die Stromkonsumenten sowie die Unternehmen über viele Jahre finanziell werden ausbaden müssen“, warnt Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung. „Die Industriellenvereinigung appelliert daher mit Nachdruck an alle Verantwortlichen in den wahlwerbenden Parteien, nicht ökonomische Vernunft dem Wahlkampf zu opfern – auch nicht unter dem Titel ‚Klimaschutz‘. Wir fordern die Parteien auf, jetzt keine Subventionslawine für Ökostrom loszutreten, die jeden sinnvollen Umbau des Energiesystems unter sich begräbt.“

Der Bundesverband der Deutschen Industrie BDI hat erst Anfang Juni – freilich in Zusammenhang mit der möglichen Einführung einer CO2-Steuer in Deutschland – die Regierung in Berlin harsch kritisiert: "Ich warne eindringlich vor symbolischen Schnellschüssen mit einer nicht zu Ende gedachten Folgenabschätzung“, so BDI-Präsident Dieter Kempf. Dagegen schiebe die Politik selbst einfache und effiziente Maßnahmen wie etwa die Förderung der energetischen Gebäudesanierung auf die lange Bank. Die lange Bank dürfte auch in Wien ein gern genutztes Interieur der Politik sein.

Landwirtschaft soll nachziehen

Die EU-Kommission geht in ihrem Nachbesserungsvorschlag auf konkrete Mängel der österreichischen Klimapolitik ein. So müsse vor allem der Bereich Landwirtschaft zur Verantwortung gezogen werden. Ein Bereich, den Ex-Landwirtschaftsministerin Köstinger gerne unangetastet ließ. Deutlichen Nachbesserungsbedarf sieht die EU-Kommission auch bei der Energieeinsparung. Hier müssen sowohl die Ziele, als auch die dafür notwendigen Maßnahmen verschärft werden.

NEOS-Landwirtschaftssprecherin Karin Doppelbauer kann die Einwände der EU-Kommission teilen – wohl auch, weil von den Bauern kein großer Stimmenzuwachs für die Liberalen zu erwarten ist: „Es braucht ein Gesamtkonzept, bei dem auch die Landwirtschaft eine entscheidende Rolle spielt, denn Umwelt und Landwirtschaft ergibt Nachhaltigkeit. Hier gilt es aber, auch Landwirte nicht mit den Herausforderungen des Klimawandels und der Umsetzung umweltschonender Methoden im Stich zu lassen, sondern darum Innovationen zu fördern und dabei zu unterstützen nachhaltige Schritte zu setzen.“

Von der EU-Kommission hagelt es aber nicht nur Kritik, einige Maßnahmen werden auch befürwortet. So erhält die vergangene Regierung Lob für den Raus aus dem Öl-Bonus, der Haushalte dafür belohnt, bestehende Ölheizungen durch nachhaltigere Heizsysteme zu ersetzen. Mit 5.000 Euro wird der Heizungstausch belohnt. Beim Umstieg auf das umweltschonende Heizsystem Wärmepumpe sind 5.000 Euro aber eher ein kleines Zuckerl als eine wirkliche Finanzspritze. Investitionskosten von bis zu 25.000 Euro sind hierbei keine Seltenheit. Dass für die Förderung nur etwas mehr als 42 Millionen Euro zur Verfügung standen und der gesamte Fördertopf nun leergefegt ist, ist ein Indiz dafür, was viele in der Branche kritisieren: dass die mangelhafte Planung der Politik eine echte Hypothek für neue Technologien im Heizungssektor ist.

Bestätigung aus Energiewirtschaft und Umweltschutz

Peter Püspök, Präsident des Dachverbandes Erneuerbare Energie Österreich EEÖ, nimmt die Kritik der EU-Kommission ernst: „Wir müssen im September konkrete Maßnahmen, Budgetpfade und Gesetze im Einklang mit den Pariser Klimazielen im NEKP festlegen. Wenn die Regierung Schaden von Österreich abhalten will, ist eine deutlich höhere Ambition gefordert. Alles andere wäre verantwortungslos.“ Püspök zeigt sich aber erfreut über die Erneuerbaren-Pakete von ÖVP und SPÖ.

Auch die Umweltschutzorganisation Global 2000 unterstützt die Kritik der EU-Kommission: „Konkrete Maßnahmen zur Zielerreichung müssen nachgeliefert werden, das betrifft auch den Abbau umweltschädlicher Subventionen, eine deutliche Nachschärfung bei der Energieeffizienz und eine sozial gerechte Umsetzung der Energietransformation“, erklärt Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher von Global 2000.

Übergangsregierung muss ran

Ausbaden muss den Fehler von türkis-blau nun die Übergangsregierung unter Kanzlerin Brigitte Bierlein. Mit der neuen Umweltministerin Maria Patek hat Bierlein kompetente Unterstützung an ihrer Seite. Patek war lange Leiterin der der Sektion Forstwirtschaft und Nachhaltigkeit im Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus, davor war sie für die Sektion Wasserwirtschaft zuständig. Sie bringt Erfahrung mit, muss nun aber schnell agieren und unter Druck Nachbesserungen im Energie- und Klimaplan liefern.

Bis Jahresende muss der Klimaplan an die EU-Kommission gemeldet werden. Ansonsten könnten Strafzahlungen in der Höhe von bis zu zehn Milliarden Euro drohen, wie das Klimabündnis Klimaschutz Jetzt, bestehend aus Klimaschutzlandesräten, Bundesländern und Bürgermeistern, deutlich machte. „Dieses größte Finanzdebakel wollen wir vermeiden", sagte der oberösterreichische Umweltlandesrat Rudi Anschober von den Grünen. Laut dem Bündnis ist Österreich weit davon entfernt, das von der EU vorgegebene Ziel von 36 Prozent CO2-Reduktion bis 2030 zu erreichen.

Wissenschaftliche Unterstützung

Abseits der Politik haben sich nun dutzende Klimaforscher aus dem österreichischen Klimaforschungsnetzwerk CCCA und der Kommission Klima und Luftqualität der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ÖAW zusammengetan und einen Referenzplan als Grundlage für einen wissenschaftlich fundierten und mit den Pariser Klimazielen in Einklang stehenden Nationalen Energie- und Klimaplan für Österreich, den sogenannten Ref-NEKP, erstellt. Ziel dieses Dokuments ist es, die im zweiten Halbjahr 2019 für den Erfolg des Klimaschutzes 2021 bis 2030 entscheidend notwendigen Verbesserungen im offiziellen NEKP für Österreich zu unterstützen. Vorgestellt wird der Ref-NEKP am 2. Juli. Mit der Unterstützung ausgewählter Klimaforscher sowie einer Expertenregierung ist zu hoffen, dass die Lücken im Energie- und Klimaplan schneller geschlossen werden als die Baustelle am Parlament. Auch zugunsten der Wirtschaft.