Briefing.One: Die CO2-Abgabe wird in Deutschland derzeit stark diskutiert. Es gibt viele Befürworter aber mindestens genauso viele Gegner. Warum ist eine CO2-Steuer Ihrer Ansicht nach überhaupt wichtig?
Volker Quaschning: Derzeit gibt es ja nur den Zertifikate-Handel, der zwar große Kraftwerke und großindustrielle Anlagen umfasst, jedoch nicht den Gebäude- und Verkehrssektor. In Deutschland wie in fast allen europäischen Ländern sind die Ambitionen gegenüber der CO2-Reduktion im Verkehr sehr gering. Gleichzeitig gibt es in Deutschland einen Anteil an Öl- und Gasheizungen von über 70 Prozent. Wenn man die Energiewende umsetzen will, dann muss man zu einem Umstieg auf nachhaltigere Systeme bewegen. Da hilft es, das teurer zu machen was man nicht haben will, in diesem Fall das CO2.
Briefing.One: Wie hoch müsste eine CO2-Steuer denn sein, damit sie wirkungsvoll ist?
Quaschning: Wir gehen davon aus, dass der Schaden von einer Tonne CO2 rund 180 Euro beträgt. Würde die CO2-Steuer in dieser Höhe angesetzt werden, bräuchte man keinerlei Förderungen mehr für erneuerbare Energie. Das wird sich aber keine Regierung der Welt trauen. Stattdessen werden Preise in der Höhe von 30 Euro pro Tonne genannt. Die Lenkungswirkung ist dabei noch nicht so groß, dass der Ausbau auch ohne Förderungen gelingt.
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Briefing.One: In der Schweiz gibt es bereits eine sogenannte Lenkungsabgabe. Dabei zahlt jeder Bürger eine bestimmte Abgabe, die in unterschiedlichen Formen zurückerstattet wird. Wäre das auch ein mögliches System für Deutschland?
Quaschning: Auf jeden Fall. Die Schweiz hat sich nur nicht an den Verkehrssektor herangetraut. Deshalb gibt es dort im Verkehrsbereich keinen ausreichenden Rückgang. Im Energie- und Wärmebereich funktioniert diese Lenkungsabgabe aber schon recht gut. Der Vorteil der Schweiz lag darin, dass sie bereits in den 2000er Jahren mit der Umstellung begonnen hat und die CO2-Steuer dann in sehr kleineren Schritten erhöhen konnte. Dadurch brauchte es keinen radikalen Bruch, der jetzt in Deutschland notwendig wäre.
Briefing.One: Das klingt tatsächlich noch etwas weiter entfernt. Wie lange könnte es bis zu Lösungen für die Bauindustrie noch dauern?
Quaschning: In zehn bis 20 Jahren, also zwischen 2030 und 2040 könnte es so weit sein. Dieses langfristige Ziel baut auf anderen kurzfristigen Zielen auf – der verbesserten Effizienz des CO2-Sammelns, der Verknüpfung in Molekülen wie Methansäure oder Ethanol, der Wasserstoffproduktion auf Sonnenlichtbasis mit billigen Materialien und hohem Ertrag, und der Produktion von Ammoniak durch erneuerbare Energien.
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Briefing.One: Geht mit diesem radikalen Bruch nicht auch die Benachteiligung einiger Bürger einher?
Quaschning: Prinzipiell ist das System sehr gut, es wird aber vereinzelt Personen geben, die von der CO2-Steuer benachteiligt werden. Das betrifft zum Beispiel einkommensschwache Haushalte, die in schlecht gedämmten Gebäuden leben und damit einen recht hohen CO2-Ausstoß haben. Hier muss die Sozialpolitik greifen, denn das kann man nicht alles über die Energiepolitik machen. Die fehlerhafte Sozialpolitik der letzten Jahre wird hier oft als Ausrede verwendet, um die Energiewende nicht durchzuführen.
Briefing.One: Laut dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung ist eine CO2-Steuer aber auf jeden Fall nötig, ansonsten kann Deutschland auch gleich den Kohleausstieg sein lassen. Ist eine Energiewende nur mit CO2-Abgabe möglich?
Quaschning: Wir müssen nicht die CO2-Steuer einführen und glauben, dass alles gut wird. Die CO2-Steuer ist ein rein ökonomisches Instrument, mit der ich Handlungen in eine gewisse Richtung lenken kann. Das bringt der Energiewende jedoch nichts, wenn man nicht auch gleichzeitig den Ausbau der Erneuerbaren forciert. In Deutschland ist die Situation in der Windenergie derzeit total verfahren. Wir werden dieses Jahr wahrscheinlich gar keinen Zubau der Windkraft mehr haben. Da hilft auch eine CO2-Steuer nur bedingt. Sie kann dabei sogar ablenken und zu wenig umweltfreundlicher, dafür aber CO2-armer Energieerzeugung verleiten.
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Briefing.One: Welche Energieerzeugung wäre denn so ein Ablenkungsmanöver?
Quaschning: Der Umstieg von Kohle- und Atomkraftwerken zu mit fossilem Erdgas befeuerten Gaskraftwerken zählt da ganz klar dazu. Damit wird nur ein größeres Übel durch ein kleineres ersetzt, das ist aber keine Langzeitlösung. Man muss sich auf das Wesentliche, den Ausbau der erneuerbaren Energieträger, fokussieren. Und dafür braucht es die notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen.
Briefing.One: Wie würde das perfekte Kombi-Paket an Rahmenbedingungen für eine rasche Energiewende aussehen?
Quaschning: Klar ist, dass es einen Kohleausstieg deutlich vor 2038 geben muss. Das derzeitige Ausstiegsdatum liegt viel zu weit in der Ferne, damit können wir die Klimaschutzziele nicht erreichen. Gleichzeitig müssen wir eine CO2-Steuer einführen und Alternativen wie Gaskraftwerke vorantreiben, die dann aber sehr schnell mit Gas betrieben werden, das mit erneuerbarem Strom produziert wird. Im Fokus muss aber der schnelle Ausbau von Solar- und Windkraft, in Österreich auch der Wasserkraft, stehen. Außerdem brauchen wir einen schnellen Abschied von der Öl- und Gasheizung sowie von Autos mit Verbrennungsmotoren.
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Briefing.One: Ihrer Ansicht nach ist eine CO2-Steuer also sinnvoll, hat aber nicht oberste Priorität.
Quaschning: Die CO2-Steuer hat schon eine sehr hohe Priorität, da sie eine hohe Lenkungswirkung hat. Gerade im Wärme- und Verkehrsbereich ist die Abgabe wichtig. Es ist aber eben auch wichtig, die Parallelen in Angriff zu nehmen. In Deutschland hat die Windkraft ein enorm hohes Potenzial. Diesen Bereich nicht weiter auszubauen, wäre fatal. Kommt es hier zu einem Stillstand, hat die Energiewende überhaupt keine Chance.
Briefing.One: Der Windkraftausbau ist in Deutschland vor allem wegen der 10H-Regelung zum Erliegen gekommen. Müsste diese Regelung abgeschafft werden?
Quaschning: Ja. Das hat höchste Priorität. Wir brauchen über alle Bundesländer hinweg ungefähr zwei Prozent der Landesfläche, um Deutschland einigermaßen Klimaneutral versorgen zu können. Sowohl in Nord-, als auch in Süddeutschland muss die Windkraft deshalb deutlich ausgebaut werden.
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Briefing.One: Für die Windenergieversorgung in Süddeutschland soll doch aber bald die Stromtrasse Südlink zuständig sein. Reicht das nicht?
Quaschning: Es ist die Frage, ob das überhaupt Sinn ergibt. Der Südlink hat eine Übertragungskapazität von vier Gigawatt, das ist weniger als wir vorletztes Jahr an Windkraft zugebaut haben. Für die Energiewende werden noch über 200 Gigawatt Onshore- und Offshore-Windkraft benötigt, also in der Leistung her über 50 Mal Südlink. Die Stromtrasse kann die Energiewende zwar unterstützen, aber zu glauben, dass diese eine Leitung gebaut wird und alles gut wird, wäre naiv. Sinnvoller und schneller wäre es, in Süddeutschland Windräder zu errichten. Dann kann der Strom direkt vor Ort produziert werden. Doch dafür müssen wir erst auf die Politik warten.
Vielen Dank für das Gespräch.