Interview: (Tief-)Kühlhaus feiert 125 Jahre : Von Approvisionierungsgewerben bis zur Energiegemeinschaft

Mag. Roland Spitzhirn, GF der Vereinigten Eisfabriken und Kühlhallen in Wien, auf einem der eigenen Dächer, wo die größte innerstädtische Photovoltaik-Anlage Wiens Strom für die Kühlung liefert.

Mag. Roland Spitzhirn, GF der Vereinigten Eisfabriken und Kühlhallen in Wien, auf einem der eigenen Dächer, wo die größte innerstädtische Photovoltaik-Anlage Wiens Strom für die Kühlung liefert.

- © Bild: Katharina Schiffl

Seit dem Jahr 1898 dient der Standort in der Pasettistraße im 20. Wiener Bezirk (genannt Brigittenau) zur Kühlung von Gütern. Damals grenzte hier noch ein alter Donauarm an und die eigentliche Stadt war etwas weiter weg. Heute befinden sich die Tiefkühlhallen mitten im städtischen Bereich, mit sehr guter Verkehrsanbindung (Autobahn, S-Bahn, Bus, Straßenbahn sind in unmittelbarer Nähe). Die über 30 Mitarbeiter (m/w) und Kunden profitieren davon ebenso wie rund 70 weitere Personen, die in den vermieteten Bereichen an diesem Standort arbeiten. Aus Anlass des 125-jährigen Jubiläums sprach Eberhard Herrmann, Chefredakteur HLK, mit Mag. Roland Spitzhirn, Geschäftsführer der Vereinigten Eisfabriken und Kühlhallen reg. Gen.m.b.H. (https://eisfabrik-wien.at/).

Blick auf ehemalige Vorstände und Aufsichtsräte der 1898 in Wien gegründeten Eisfabrik und Approvisionierungsgewerbe.
Blick auf ehemalige Vorstände und Aufsichtsräte der 1898 in Wien gegründeten Eisfabrik und Approvisionierungsgewerbe. - © Bild: HLK/ E. Herrmann

Warum wurden die Vereinigten Eisfabriken und Kühlhallen 1898 in Wien überhaupt gegründet?

Spitzhirn: Wir sind 1898 als Genossenschaft gegründet worden und bis heute in dieser Gesellschaftsform organisiert. Der genossenschaftliche Gedanke schwingt auch im Namen mit – Vereinigte Eisfabriken und Kühlhallen. Damals wurde das Unterfangen von den sogenannten Approvisionierungsgewerben initiiert – ein alter Begriff für jene Branchen, die mit der Versorgung von Lebensmitteln zu tun haben. Also Fleischhauer, Wildbrethändler, Pferdefleischer, Selcher, Cafetiers, Hoteliers. Im Raum Wien gab es damals nur einen Kühlhausanbieter, der seine Monopolstellung anscheinend sehr ausnutzte. Deshalb haben sich einige Approvisionierungsgewerbe zusammengetan, eine nicht gewinnorientierte Genossenschaft gegründet und den Bau in die Wege geleitet bzw. umgesetzt.
In den ersten Jahrzehnten stand die Produktion von Eisblöcken zur Kühlung und Produktion der Waren für diese Gewerbe im Vordergrund. Nachdem auch viele Gastgewerbetreibenden dabei waren, kam in den 1920er-Jahren auch eine Kohlensäureproduktion dazu, die in den 1980er-Jahren aber an Linde-Gas verkauft wurde.
In den 1930er-Jahren, als die ersten elektrischen Kühlschränke Einzug hielten, stand die Eisproduktion zwar immer noch im Vordergrund, aber in den 1940er-Jahren wurde dann das erste Tiefkühl-Lagerhaus für die Mitglieder in Betrieb genommen.
Viele Jahrzehnte lang wurde bei uns auch Scherbeneis für Kühlwaggons produziert, bis dann elektrische und dieselbetriebene Kühlwaggons aufkamen.
In Spitzenzeiten wurden bis zu 100 Waggons täglich mit Scherbeneis befüllt. Das Scherbeneis wurde in die Zwischenwände der Waggons gekippt und damit gekühlt. Heute haben wir zwar noch eine kleine Scherbeneisproduktion, aber die ist im Vergleich zu früheren Maßstäben als sehr klein zu bezeichnen.
In Summe waren es also sehr bewegte Jahrzehnte mit zwei Weltkriegen und vielen Herausforderungen.
Wir sind sehr stolz darauf, dass es uns schon 125 Jahre hier im 20. Bezirk in Wien immer am gleichen Standort gibt.

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Wie feiern Sie das 125-Jahr-Jubiläum?

Spitzhirn: Wir hatten im Juni eine Jubiläumsfeier am Gelände, wo unsere Miteigentümer, Mitarbeiter, Kunden und Wegbegleiter geladen waren. Ebenso unsere caritativen Partner, die wir seit Jahren unterstützen (wie z. B. der Emotion-Lichtblickhof oder Make a wish). Als Genossenschaft ist das Miteinander immer ein wichtiger Punkt unserer Beziehungen und dass wir gemeinsam zum Wohle aller arbeiten.

Wie viel Kühlfläche steht hier zur Verfügung und wer sind Ihre Kunden?

Spitzhirn: Heute haben wir rund 15.000 Palettenplätze als Lagerkapazität im Tiefkühlbereich (von –21 bis –28 °C) sowie kleinere Kühlflächen im Bereich von +4 bis +8 °C. Das ist unser Hauptgeschäft. Im Wiener Raum sind wir der drittgrößte Anbieter.
Rund 50 % unseres Geschäftes machen wir mit Lebensmittelkunden (Produzenten, Groß-/Ein zelhändler), die anderen 50 % kommen aus dem Pharmabereich im Großraum Wien. Vor allem werden Grundstoffe für die Medikamentenproduktion gelagert.

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Was sind die Herausforderungen eines Kühlhausbetreibers/-anbieters?

Spitzhirn: Wir arbeiten permanent an der Frage, wie wir unsere Dienstleistung verbessern können.
Eine der Herausforderungen für uns stellen natürlich die gestiegenen und relativ hohen Energiekosten dar. 2021 lag der Strompreis im Großverbraucher-Bereich bei zirka 50 Euro pro MWh, also 5 Cent pro kWh. Aus meiner Sicht wird dieser Preis auf absehbare Zeit nicht mehr auf dieses Niveau zurückkehren. Da sind wir sehr froh, dass wir in den letzten Jahren sehr viel in unsere Zukunft investierten. Das macht sich jetzt schon bemerkbar.
Aber es geht ja nicht nur um den Preis, sondern auch um die Faktoren Stabilität, Sicherheit und Strom-Mangelszenarien. Damit beschäftigen wir uns auch sehr intensiv und führten u. a. einen Blackout-Workshop durch, wo wir dieses Thema für unsere Belange in den Mittelpunkt rückten. Da spielen sehr viele Faktoren hinein - ein Stromaggregat zu finden ist da fast schon das nebensächlichste Problem.
Im Tiefkühlbereich haben wir sogar einen Vorteil, weil im Falle eines Stromausfalls das Lager ja einen Speicher darstellt, der nicht abrupt um 20 Grad wärmer wird. Wir führten auch dahingehende Tests durch und stellten fest, dass in den ersten Tagen das Lager pro Tag nur um ca. 1 bis 1,5 °C wärmer wird, wenn die Türen geschlossen sind.

Sie erwähnten, dass Sie in die Zukunft investierten – was meinen Sie damit konkret?

Spitzhirn: Die Themen Energie- und Ressourceneffizienz sowie Nachhaltigkeit sind uns sehr wichtig.
2016 errichteten wir ein neues Maschinenhaus, wo vier Ammoniakverdichter seither die benötigte Kälteenergie erzeugen. Durch diese R717-Anlage tangiert uns die Kältemittel-Diskussion daher nicht, auch wenn wir sie wahrnehmen.
Im Regelfall ist nur ein Verdichter 36 Stunden lang in Betrieb, bevor auf den nächsten umgeschaltet wird. Damit sind alle Maschinen regelmäßig in Betrieb. Im Hochsommer kann es sein, dass zwei Verdichter gleichzeitig Kälteenergie liefern. Wir haben die Verdampfer erneuert und durch energieeffizientere Varianten ersetzt. Mit der neuen Kälteanlage konnten wir gegenüber früher rund 20 % an Energie einsparen. In Zeiten mit hohen Energiepreisen macht sich das schon bemerkbar. 2020 haben wir den letzten Gaskessel stillgelegt. Seither werden im Winter alle Büroräumlichkeiten und Stiegenhäuser ausnahmslos mit der Abwärme der Kältemaschinen beheizt.
In den letzten zwei Jahren investierten wir auch sehr viel in die thermische Sanierung unserer Tiefkühlräume und Vorräume in den beiden alten Lagerhäusern. Außerdem haben wir 2020 eine der größten innerstädtischen Photovoltaikanlagen auf unseren Dächern installiert und die Anlage im Vorjahr um 20 % erweitert. Auch die restlichen Dachflächen werden mit PV ausgestattet. Rund 15 % des Jahresenergiebedarfs decken wir derzeit mit unserem eigenerzeugten Sonnenstrom. Der Rest wird mit Ökostrom gedeckt.
Alle umgesetzten Maßnahmen schlagen sich in einer höheren Wirtschaftlichkeit und in einem geringeren Energieverbrauch nieder. In den letzten sieben Jahren konnten wir in Summe rund 40 % Energie einsparen. Seit zwei Jahren arbeiten wir klimaneutral.

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Einer der vier Ammoniak-(R717)-Verdichter, die seit 2016 die benötigte Kälteenergie für die Tiefkühl-Lager liefern.

- © Bild: Vereinigte Eisfabriken und Kühlhallen

Sie arbeiten klimaneutral?

Spitzhirn: Wir arbeiten seit zwei Jahren klimaneutral, weil wir auch Kompensationsprojekte unterstützen, etwa durch die Erhaltung von Moorgebieten im Karwendel-Gebiet. Beim Stift Altenburg sorgen wir für die Erhaltung von 1.000 m2 alter Waldfläche für die nächsten 100 Jahre. Auch ein Brunnenprojekt in Afrika und ein Regenwaldprojekt in Südamerika unterstützen wir. Für dieses Engagement wurden wir schon mehrfach ausgezeichnet (Nachhaltigkeitspreis der Stadt Wien, Spezialpreis für ökologische Nachhaltigkeit bei Great-placeto-work). Wir sind Partner der Sonnenstrom-Offensive der Stadt Wien.
Wir haben auch ein Projekt mit der Wien Energie laufen, wo eruiert wird, ob und wie die Abwärme unserer Kältemaschinen in den Sommermonaten genutzt werden könnte.
Mit einem Anbieter für Stromtankstellen und einem mobilen Tiefkühllogistiker setzen wir noch heuer ein weiteres Projekt um. Bei den Entladerampen auf unserem Gelände wird eine Möglichkeit geschaffen, damit die Tiefkühl-LKWs ihre Kühlaggregate mit Ökostrom betreiben können und kein Diesel mehr dafür aufgewendet werden muss.
Derzeit steht zur Diskussion, dass wir uns eventuell an einem Windpark beteiligen. Mit unserem Energieberater-Partner, der Wiener PowerSolution, gründeten wir zudem die Eisbären Energiegenossenschaft e.Gen., eine Erneuerbare Energiegemeinschaft.

Warum wurde die Eisbären Erneuerbare Energiegemeinschaft gegründet?

Spitzhirn: Die Idee dahinter ist, dass man Mitglied der Genossenschaft wird und man eine Dachfläche zur Verfügung hat, wo man eine Photovoltaikanlage errichten kann. Dann sieht die Eisbären Power, ob die Modalitäten dafür (Dachfläche, Einspeisung usw.) passen. Wenn alles klar ist, errichtet die Eisbären Power Energiegenossenschaft eine PV-Anlage und pachtet diese Dachfläche für 20 Jahre. Das Mitglied, welches die Dachfläche zur Verfügung stellt, hat den Vorteil, dass der Strom aus der PV-Anlage zum günstigen Fixpreis bezogen werden kann. Die nicht verwendete PV-Strommenge wird in das Netz eingespeist und geht in das gesamte Portfolio der Genossenschaft über, wird also nicht an den Netzbetreiber verkauft. Jedes Genossenschaftsmitglied kann diesen Strom zum günstigen Fixpreis nutzen. Handelt es sich um das gleiche Netzgebiet, fallen die Netzkosten weg. Das Strom einspeisende Mitglied bekommt von dem, was die anderen zahlen, auch einen gewissen Anteil.
Jede erzeugte Kilowattstunde wird innerhalb der Genossenschaft verwendet. Die Vereinigten Eisfabriken und Kühlhallen werden als Abnehmer dieses Stroms fungieren.
In einem zweiten Schritt denken wir daran, auch Mitglieder aufzunehmen, die nur den Strom nutzen möchten.
Bei der Jubiläumsfeier luden wir unsere Mitglieder, Lieferanten und Kunden ein, sich daran zu beteiligen.
Wir hoffen, dass wir noch heuer fünf, wenn es ganz gut läuft, vielleicht sogar zehn PV-Anlagen errichten können.