Kälte-, Klima-, Wärmepumpen-Anlagen in Europa : Veränderungen durch F-Gase- und REACH-VO der EU stehen bevor

F-Gase- und Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS)

Es geht um viel: Die F-Gase-VO und das PFAS-Verfahren der REACH-Verordnung könnte künftig den Einsatz vieler Kältemittel und Komponenten von Kälte-, Klima-, WP-Anlagen einschränken oder gänzlich unmöglich machen.

- © fotolia/hywards/Zentralverband Oberflächentechnik e.V.

In Millionen von Kälte- und Klimatechnik-Anlagen sowie Wärmepumpen in Europa sind unterschiedlichste Kältemittel im Einsatz.
Durch die F-Gase-Verordnung und die Chemikalien-Verordnung REACH (mit PFAS-Verbots-/Beschränkungsverfahren) der EU wurden bzw. werden konventionelle Kältemittel reglementiert - in naher Zukunft sollen Verschärfungen umgesetzt werden, wodurch manche Kältemittel mitunter teurer werden oder gänzlich vom Markt verschwinden könnten. Und das könnte wiederum viele Teile der Wirtschaft und die Bürger in der EU mehr oder weniger stark treffen. Durch andere brennende Themen (Energie-Preise, Lieferketten-Probleme, Krieg, Klimakleber), die viel Raum einnahmen bzw. einnehmen, weiß die breite Öffentlichkeit (noch) kaum darüber Bescheid, obwohl die Thematik zumindest zum Teil schon einige Jahre „am Tisch“ liegt.

F-Gase-Verordnung

2014 wurde die Verordnung (EU) Nr. 517/2014 über fluorierte Treibhausgase (F-Gase-Verordnung) erlassen, um den Anstieg der klimarelevanten F-Gase-Emissionen zu reduzieren (gilt seit 2015). Mit ihr wurden bzw. werden die Emissionen von fluorierten Treibhausgasen (F-Gasen) und teilfluorierten Kohlenwasserstoffen (HFKW) beschränkt bzw. durch ein Phase-Down-Szenario sukzessive reduziert. F-Gase wurden/ werden in Brandschutzeinrichtungen (z. B. für Elektro-Schaltanlagen), Kälte-/ Klima-/ Wärmepumpen-Anlagen oder bei manchen Schäumen eingesetzt.
Kältemittel (F-Gase) werden seither nach ihrem Treibhauspotenzial/ GWP-Wert (Global Warming Potential) eingeschätzt, dem Klimaerwärmungspotenzial eines im Verhältnis zu dem von Kohlendioxid (CO2).
Kälte- und Klima- und Wärmepumpen-Anlagen, die mit natürlichen Kältemitteln betrieben werden, die einen sehr niedrigen GWP-Wert aufweisen (wie z. B. Propan/ R290, Ammoniak/ R717, Luft/ R729, Wasser/ R718, Kohlenstoffdioxid/ R744), sind von der F-Gase-Verordnung NICHT betroffen. Wegen der Brennbarkeit, Toxizität oder der (mitunter teureren oder größeren) Anlagentechnik spielen bei natürlichen Kältemitteln andere Aspekte eine Rolle.
Alle anderen Kältemittel sind von der F-Gase-Verordnung bzw. durch das darin enthaltene Phase-Down-Szenario aber mehr oder weniger stark betroffen.
Im April 2022 erschien der Entwurf der EU-Kommission zu einer neuen F-Gase-Verordnung – was diese Neufassung bringen bzw. in der Praxis bedeuten könnte, thematisierten wir hier in der HLK.
Anfang März 2023
schlugen einige deutsche Verbände Alarm, weil Folgen für Klima-/ Kälte-/ WP-Anlagenbetreiber befürchtet werden – die umfassende HLK-Meldung dazu finden Sie hier.
Ende März 2023
hat das Europäische Parlament über die Novellierung der F-Gase-Verordnung abgestimmt – 426 Abgeordnete (und damit die Mehrheit) stimmten dafür.
Definitiv entschieden ist bis dato aber noch nichts!
Denn es gibt weitere Verhandlungen (Abschluss bis Ende 2023?).

Knackpunkt: Phase-Down-Szenario?!

Die einzelnen Standpunkte von EU-Kommission, -Rat und -Parlament zur Neufassung der F-Gase-Verordnung sind derzeit in Diskussion, divergieren zum Teil und sind bis dato also NICHT als endgültig anzusehen. Es ist zu erwarten bzw. die Hoffnung einiger Branchen-Verbände, dass zwischen den unterschiedlichen Positionen Kompromisse geschlossen werden, die praktikable Lösungen bieten.
Allerdings gibt es einen Punkt, wo in den EU-Gremien bis dato eine gewisse Einigkeit zu herrschen scheint: Das ist das Phase-Down-Szenario, das auf etwa 5 % ab 2030 verschärft werden könnte (statt der ursprünglich angepeilten 21 %). D. h. im Jahr 2030 dürften dann nur mehr 5 % der Menge an Kältemitteln in der EU in Verkehr gebracht werden, als dies im Jahr 2015 der Fall war (2015 = 100 %). Und nochmals: Derzeit ist auch dieser Punkt noch nicht definitiv entschieden!
Allerdings, wenn das verschärfte Reduktionsszenario wirklich so kommen sollte, stellt sich für das installierende Gewerbe schon jetzt eine essenzielle Frage, wie DI Harald Erös von der ÖGKT zu bedenken gibt: „Würden 2030 so viele Kältemittel-Mengen zur Verfügung stehen, wie man auch für Servicezwecke (für Alt- und Neu-Anlagen) benötigen würde?“

PFAS (REACH-Verordnung) und mögliche Einschränkungen

Neben der F-Gase-Verordnung könnte auch das PFAS-Verbots-/Beschränkungsverfahren im Rahmen der EU-Chemikalien-Verordnung REACH den künftigen Einsatz von fluorhaltigen Kältemitteln massiv einschränken oder gänzlich unmöglich machen. Aber nicht nur Kältemittel sind davon betroffen, sondern auch viele Teile von Anlagen (Sensoren, Dichtungen, Wicklungen,…)
Hintergrund ist, dass Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) vermehrt in der Umwelt auftreten und die EU die Gefahr sieht, dass diese Verbindungen Umwelt und Gesundheit schädigen könnten. In dem Zusammenhang wurde am 22. März 2023 eine sechsmonatige Konsultation eröffnet, die bis zum 25. September 2023 läuft. Daran können sich alle betroffenen Firmen, Verbände, Organisationen, Privatpersonen oder Behörden beteiligen. Tausende verschiedene PFAS-Stoffe stehen auf dem Prüfstand, denn diese werden u. a. bei Kosmetika, Schaumstoffen zur Brandbekämpfung, Metallbeschichtungen, in der Elektronik, im Energiesektor, in Bauprodukten, bei Skiwachs oder eben in manchen F-Gasen (Kältemitteln) eingesetzt. Viele PFAS könnten verboten und/oder mit zeitlichen Begrenzungen versehen werden.
Der deutsche Zentralverband Oberflächentechnik e.V. (ZVO) ruft betroffene Unternehmen auf, an der Konsultation zu PFAS teilzunehmen. Denn wenn PFAS-Anwendungen nicht als (zeitlich befristete) Ausnahme im Dossier-Entwurf aufgeführt sind, steht laut ZVO zu befürchten, dass diese nach Inkrafttreten der Beschränkung und einer Übergangszeit von 18 Monaten vollständig verboten sein werden.
Viele der in Kälte-, Klima- und Wärmepumpenanlagen verwendeten F-Gase zählen zur PFAS-Stoffgruppe einschließlich der wichtigsten HFOs. Ausnahmen sind lediglich R23, R32, R152a, R141b und R1132a. Das teilte z. B. die österreichische Bundesinnung der Mechatroniker der WKO vor einigen Wochen in einer Aussendung mit (wo auch auf die F-Gase-VO detailliert eingegangen wird).

Betroffenheit der Kältetechnik durch PFAS-Regulierung der EU

Der deutsche Forschungsrat Kältetechnik (FKT) hat ein Positionspapier zur geplanten PFAS-Beschränkung im Rahmen der REACH-Verordnung der EU veröffentlicht, an dem der VDKF inhaltlich beteiligt war.
In seinem Positionspapier „Betroffenheit der Kältetechnik durch die PFAS-Regulierung“ stellt der FKT die wichtigsten Folgen einer Beschränkung der PFAS-Stoffgruppe vor – hier gelangen Sie zum PDF des Positionspapiers.
Die Mitglieder des Forschungsrats Kältetechnik sind davon überzeugt, dass ohne die Verwendung von PFAS-haltigen Materialien, die in vielen Bauteilen von Kälteanlagen zum Einsatz kommen (Verdichter, Pumpen, Sensoren, Dichtungen, Kältemittel), ein sicherer und funktional störungsfreier Betrieb von Kälte- oder Wärmepumpenanlagen nicht möglich ist!

Paradoxe Situation in Österreich: KAV versus F-Gase-VO

Im Hinblick auf die vorhin beschriebenen Phase-Down-Szenarien (egal, welches im Endeffekt tatsächlich käme) sollte man also jetzt eigentlich keine Anlagen mehr installieren, wo Hoch-GWP-Mittel wie R410A (mit einem GWP von 2.088) eingesetzt werden. Eigentlich.
Denn seit dem Vorjahr häufen sich Meldungen, wonach Kälte-Klimatechnik-Unternehmen in Österreich zum Teil bereits installierte Klimaanlagen im Gewerbebereich nicht in Betrieb nehmen durften oder sogar rückbauen mussten. Denn das in den Klimageräten (Luft-/Luft-Wärmepumpen) verwendete Kältemittel R32 wird von der Behörde im Gewerbebereich nicht akzeptiert!
Der Grund: In Österreich gilt die Kälteanlagen-Verordnung (KAV), auch wenn diese schon seit einigen Jahren nicht aktualisiert wurde. Deshalb finden sich in der KAV keine A2L-Kältemittel bzw. -Anlagenlösungen, wie es diese mit dem Kältemittel R32 aber aktuell gibt. Und in Personenaufenthaltsbereichen gewerblicher Bereiche dürfen keine Anlagen mit brennbaren Kältemitteln der Gruppe 2 oder 3 installiert werden. Laut Kälteanlagen-Verordnung dürfen in Personenaufenthaltsbereichen keine Split-Klimaanlagen mit mehr als 1,5 kg R-32 in Betrieb sein. Es dreht sich vor allem um den ArbeitnehmerInnen-Schutz.
Mit anderen Worten: Es gibt aktuell keine klare Rechtslage bei der Installation und Aufstellung von Kälte-/Klimatechnik-/Wärmepumpen-Anlagen im gewerblichen Bereich in Österreich (Restaurants, Kaffeehaus, Shoppingcenter,…), die genau regelt, wie mit Kältemitteln, die in irgendeiner Form brennbar sind (A2L, A3), umzugehen ist.
Die Behörde hält sich an die bestehende Verordnungs-/ Gesetzes-Lage und verbietet daher aktuell bei gewerblichen Anwendungen Klimaanlagen mit R32.
Die Verwendung von Klimageräten, die mit dem Kältemittel R410A arbeiten, ist laut KAV erlaubt. Dass R410A etwa den dreifachen GWP-Wert von R32 aufweist, sei genauso angemerkt, wie das Faktum, dass die derzeitige KAV im direkten Konflikt mit den Zielen der F-Gase-Verordnung steht.
Um etwaige Probleme bei der Abnahme von Klimaanlagen (Split-/Multisplit- sowie VRF-Geräte) im gewerblichen Anwendungsbereich in Österreich zu vermeiden, sind Kälte-Klimatechniker derzeit quasi gezwungen, auf R410A-Lösungen zurückzugreifen. Aber die Liste möglicher Hersteller, die Lösungen mit diesem Kältemittel anbieten und auch liefern können, ist mittlerweile sehr kurz.
Und eine Änderung dieser paradoxen Situation in Österreich scheint derzeit noch nicht in Sicht zu sein.

Derzeitiges Fazit

Nachdem in punkto Kältemittel (F-Gase-VO) viel von den Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Kommission, -Rat und -Parlament abhängt und das noch dauert, herrscht momentan viel Rätselraten in verschiedensten Branchen.
Fest steht derzeit
: Die Novellierung der F-Gase-Verordnung und das PFAS-Verbot im Rahmen der REACH-Verordnung betrifft sehr viele Betreiber von Kälte- und Klima- und Wärmepumpen-Anlagen in Europa (mehr oder weniger stark) und sorgt bei Planern oder ausführenden Gewerbebetrieben für gemischte Gefühle – von Zustimmung, über Verunsicherung, Rätselraten, bis hin zum verneinenden Kopfschütteln reicht das Repertoire.
Fest steht derzeit
: Das Fachhandwerk sollte jetzt eigentlich keine Anlagen mehr mit einem Hoch-GWP-Kältemittel installieren (wie z. B. R410A) bzw. die Kunden darauf hinweisen, dass es in Zukunft vielleicht kein Kältemittel mehr zum Nachfüllen geben könnte (Anm.: In Österreich wie vorher ausgeführt: schwierig).
Fest steht derzeit
: Möglichkeiten zum Kältemittel-Recycling sollten genutzt bzw. ausprobiert werden, um damit nicht nur alte Kältemittel sondern auch Erfahrung sammeln zu können
Fest steht derzeit: die österreichische Kälteanlagen-Verordnung muss unbedingt ein Erneuerungs-Update bekommen!
Fest steht derzeit
: Planer, Fachhandwerker und installierende Gewerbebetriebe, die bis dato noch keine Erfahrung mit natürlichen Kältemitteln haben, sollten dies durch zusätzliche Qualifikationen zur Sicherheit ändern.
Fest steht
derzeit: Sollte die EU bei den Kältemitteln bzw. den PFAS-Stoffen zu sehr übers Ziel „hinausschießen“, könnte das durchaus die Wirtschaft schwächen und auch bei den Bürgern für Unmut sorgen. Denn zusätzlich zu den schon bisherigen Herausforderungen in Form hoher Energie-Preise (im Vergleich zum Rest der Welt), Fachkräfte-Mangel, Lieferschwierigkeiten, Heizungsverboten, Lieferkettengesetz würde sich ein weiteres gesellen. Auf viele Bäcker, Gastwirte, Hoteliers, Fleischhauer/ Metzger, Landwirte, Betreiber von Hotels, Krankenhäusern, Supermärkten und Rechenzentren, Automobil- und Maschinenbauindustrie, Hersteller von Medizintechnik könnten Investitionen zukommen, mit denen sie vielleicht noch nicht rechnen. Betroffen sind auch viele Privatleute und Wohnungsbauunternehmen, die Wärmepumpen eingebaut haben bzw. dies noch planen. Denn überall dort sind Kälte- und Klimaanlagen (Wärmepumpen) im Einsatz und damit auch Kältemittel.
Und es stellt sich auch die Frage: Könnten durch die F-Gase- und PFAS-/REACH-VO zum Teil auch die Klimaschutz-Bemühungen und Vorhaben der EU durch die EU selbst torpediert werden?