Energiewende/Netzwende : Wie KI zum intelligenten Schutz der Stromnetze beitragen kann
Im Zuge der Energiewende sollen Erneuerbare Energien massiv ausgebaut werden. Die Stromnetze sind dabei insofern vor Herausforderungen gestellt, als einmal die intensive, schwankende Einspeisung von Energie aus Erneuerbaren Energiequellen, ein andermal die Abnahme derselben im großen Maßstab Netzkapazitäten und die bestehende -Infrastruktur an ihre Grenzen treibt.
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Neben einem unabdingbaren Netzausbau und dem Ausbau von Speichersystemen gilt es, mit diversen Sicherheitseinrichtungen und -konzepten eine Netzstabilität zu gewährleisten und Schwankungen in Spitzenzeiten - sei es die Einspeisung oder die Abnahme betreffend - zu kontrollieren, derart, dass sich Energieversorgungssicherheit schaffen und im besten Fall die Effizienz des Gesamtsystems heben lässt. Hier gibt es zahlreiche Ansätze, wobei einige für das Megaprojekt Energiewende ruhmreicher scheinen als andere.
Einen spannenden Ansatz verfolgt hier die Aspern Smart City Research GmbH (ASCR) zusammen mit einem Team aus Forschung und Industrie im Rahmen des Förderprojekts „PoSyCo".
Damit unsere Stromnetze fit für die Energiewende werden
Im Rahmen des Förderprojekts „PoSyCo" wurde von 2019 bis 2022 ein Konzept entwickelt, das die Netzsicherheit mittels neuer Tools noch weiter stärken soll. Dabei hat die ASCR das Förderprojekt PoSyCo unter der Leitung des Austrian Institute of Technology (AIT) gemeinsam mit den Wiener Netzen, Siemens, der TU Wien, der TU Graz und der MOOSMOAR Energies OG entwickelt. Das Projektbudget betrug 3,7 Millionen Euro und wurde vom Klima- und Energiefonds mit 2,5 Millionen Euro gefördert.
Wie eingangs geschrieben, stellt die Energiewende unsere Stromversorgung vor diverse Schwierigkeiten. Konkreter wird durch Energiegemeinschaften, den Anstieg von PV-Anlagen, aber auch beispielsweise einen bemerkbaren Boom der Elektromobilität - was einerseits die Einspeisung von erneuerbar produziertem Strom, andererseits seine Abnahme anfeuert - eine Ausgestaltung der Stromnetze zu einem Thema von heute und morgen - eigentlich aber schon von gestern. Ein Aspekt, dem sich im Rahmen von „PoSyCo" gewidmet wurde, liegt hier in der Hebung von Sicherheit und Resilienz - Stichwort: Netzschutzkonzepte.
Das von der ASCR im Projekt PoSyCo mitentwickelte Konzept der „SOFTprotection“ kann als intelligentes „Add-on“ für herkömmliche Netzschutzkonzepte dienen. Untersucht wird dabei, wie Stromnetze zu „Smart Grids“ werden können – und als automatisierte, vorausschauende und digitalisierte Systeme Probleme frühzeitig erkennen sowie durch implementierte Schutzfunktionen zu jeder Zeit Versorgungssicherheit garantieren.
Kann KI unsere Netze intelligenter machen?
Ein Ziel des Projekts war es, die bestehende Infrastruktur so auszurüsten, dass Leistungsspitzen vermieden und Lasten jederzeit optimal und effizient genutzt werden können.
Mit den Entwicklungen im Rahmen von PoSyCo haben wir einen Werkzeugkasten für den zukünftigen Verteilnetzbetrieb geschaffen, der den komplexen Anforderungen der Energiewende bei gleichzeitiger Energieversorgungssicherheit gerecht wird.Alfred Einfalt
, sagt der Technische Koordinator und ASCR Projektleiter Alfred Einfalt, Principal Key Expert bei Siemens. Das SOFTprotection-System ist in der Lage, Störungen zu erkennen, indem es Daten sammelt, Fehlerberichte empfängt und diese entsprechend analysiert. Das intelligente System ist in der Lage, selbst zu erkennen, um welches Problem es sich handelt und wie kritisch es ist. Die im Rahmen des Forschungsprojekts definierte Rolle des "SOFTprotection Operator" bewertet dann die aufbereitete Situation und entscheidet, ob es das Netz weiter beobachten soll oder ob ein*e Techniker*in vor Ort benötigt wird. Dies unterstützt Netzplaner*innen und Netztechniker*innen bei ihrer Arbeit, da sie dank kontextspezifischer Informationen schneller reagieren können.
SOFTprotection wird in realem Stromnetz getestet
In einem realen Stromnetz wird die SOFTprotection von den Projektpartner*innen gemeinsam mit der ASCR getestet. Die aspern Seestadt bietet dafür beste Voraussetzungen: Intelligente Gebäude (Smart Buildings) werden mit dezentral erzeugter Energie versorgt, wie etwa in der Wohnhausanlage D12 oder im Schulcampus D18A, wo Solarthermie, Photovoltaik und Wärmepumpen zum Einsatz kommen. Auch die Stromnetze sind mit Sensoren ausgestattet, so dass die verfügbare Netzkapazität jederzeit analysiert und der Energieverbrauch ausgewertet werden kann. Weiterführende Tests und Evaluierungen der Lösungen wurden von den Projektpartnern Austrian Institute of Technology, TU Graz und TU Wien sowohl in ihren Labors als auch mittels Simulationen erfolgreich durchgeführt.
Digitalisierungslabor der Wiener Netze will wichtige Forschungsergebnisse liefern
Im Rahmen von PoSyCo wurde ein Digitalisierungslabor, das Smart Grid Lab, geschaffen, welches der ASCR ermöglicht, Forschungsergebnisse mit Anwender*innen und Projektpartner*innen zu teilen. Die Wiener Netze simulieren dort unter realen Bedingungen verschiedene Probleme und Störungen, um sie noch schneller zu erkennen und zu beheben. So können die Integration der Prozesse, der Einbau und Anschluss der erforderlichen Messtechnik sowie die Verarbeitung und Visualisierung der Daten live erlebt werden.
Zu diesem Digitalisierungslabor sagt Roland Zoll von den Wiener Netzen:
Als Stromnetzbetreiber tun wir alles, um die Energiewende zu ermöglichen. Unsere Netze sind hier ein wichtiger Hebel. Das Digitalisierungslabor hilft uns, unsere Netzinfrastruktur noch widerstandsfähiger zu machen und auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten. So garantieren wir weiterhin Versorgungssicherheit.Roland Zoll
Das Projekt hat nicht nur Lösungen für einen sicheren Betrieb der unteren Netzebenen als Basis für die Energiewende hervorgebracht, sondern auch unter wissenschaftlichen Bedingungen gezeigt, wie technische und organisatorische Prozesse implementiert und gesteuert werden können.
Zum ASCR
Die Forschungsgesellschaft Aspern Smart City Research Gmbh & Co KG (ASCR) wurde von Siemens AG Österreich (44,1%), Wien Energie GmbH (29,95 %), Wiener Netze GmbH (20%) und der Stadt Wien (Wirtschaftsagentur Wien 4,66%; Wien 3420 Holding GmbH, 1,29%) ins Leben gerufen. Die ASCR hat sich zum Ziel gesetzt, Lösungen für die Energiezukunft im urbanen Raum zu entwickeln. Unser Energiesystem soll effizienter und klimafreundlicher werden. Diese konkrete Anwendungsforschung soll der Stadt Wien und deren BewohnerInnen zu Gute kommen. Ein Kooperationsmodell dieser Größenordnung ist bisher einzigartig. Mehr als 100 Personen aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen sind direkt an diesem Forschungsprojekt beteiligt. 2019 startete die zweite Projektphase „ASCR 2023“. Dabei stehen insgesamt 20 „Use Cases“ im Mittelpunkt der Forschungsaktivitäten. Das Spektrum reicht von der weiteren intelligenten Vernetzung von Gebäuden, Netzen und Märkten über neue Ansätze zum Heizen und Kühlen von Gebäuden bis hin zum möglichen Einsatz von Elektrofahrzeugen als zukünftige Energiespeicher.