CO2-Neutralität : Wie klimaneutrale Unternehmen die Wirtschaft transformieren

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Das Klischee von der klimaschädlichen Industrie ist längst nicht mehr aktuell. In der Schweiz unterzeichneten unlängst 72 CEOs ein Schreiben für eine „wirkungsvolle Klimapolitik, das an den Ständerat adressiert ist und unter anderem ein Reduktionsziel für 2030 fordert. In Österreich haben sich 143 Unternehmen dem Klimaneutralitätsbündnis angeschlossen, das Unternehmen bei der Treibhausgasreduktion berät und unterstützt. „Wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen, muss Klimaschutz zum Geschäftsmodell von Unternehmen werden“, sagt Sabine Nallinger, Vorständin der Stiftung 2°, die Unternehmen wie Daikin, EnBW und Thyssenkrupp vereint und sie – ähnlich wie das Klimaneutralitätsbündnis – auf dem Weg zu einem klimaneutralen Betrieb unterstützt. „Klar ist: Wir können die Transformation der Wirtschaft nur erreichen, wenn wir große Player aller Sektoren für den Klimaschutz vereinen,“ so Nallinger weiter.

Unternehmen sehen sich zunehmend selbst in der Verantwortung, zu handeln und das aus guten Gründen: Rund 32 Prozent der weltweiten Kohlendioxid-Emissionen entfallen laut Internationaler Energieagentur auf die Industrie. Industrieunternehmen haben damit großen Einfluss auf die nationale Klimaneutralität. Einige Unternehmen – besonders jene aus der bei Klimafragen sensiblen Gebäudetechnik-Branche – wissen diesen Einfluss auch für sich zu nutzen und haben sich das Thema an die Fahnen geheftet.

CO2-frei bis zu Lieferkette

So will Schneider Electric beispielsweise bis 2025 CO2-neutral werden. Dazu kündigte das Energie- und Automatisierungsunternehmen auf der Klimawoche NYC 2019 ein dreiteiliges Maßnahmenpaket für mehr Engagement im Bereich Klimaneutralität an. Neben der CO2-Neutralität bis 2025 strebt Schneider Electric die Netto-Null-Emissionen bis 2030 an. Bis 2050 soll außerdem eine Netto-Null-Lieferkette aufgebaut werden. Das bedeutet, dass sich alle Lieferanten an die Klimapläne des Unternehmens anpassen müssen. Laut Reinhard Moosmann, Vertriebsleiter des österreichischen Klimaneutralitätsbündnisses, haben Industrieunternehmen damit einen wesentlichen Einfluss auf die Lieferkette: „Wenn mehrere Unternehmen klimaneutral werden, müssen sich die Lieferanten langfristig anpassen. Ich denke, der Markt wird sich dadurch in eine stabil nachhaltige Richtung entwickeln.“

Schneider Electric ist sich dessen bewusst und will Geschäftspartner aktiv zu klimaneutralem Handeln bewegen: „Bei Schneider Electric ist unser Engagement für die Klimaneutralität in unsere Geschäftsentscheidungen und unsere Unternehmensführung eingeflossen, aber wir müssen unsere Bestrebungen intensivieren und schneller handeln“, so Geschäftsführer Jean-Pascal Ricoire. „Wir verstärken nicht nur unser Klimaengagement und beschleunigen unseren Zeitplan, sondern fordern auch andere auf, mutigere Maßnahmen zur Verringerung der CO2-Emissionen und zur Einführung nachhaltiger Geschäftspraktiken zu ergreifen, die dazu beitragen, die Voraussetzungen für eine klimaneutrale Zukunft zu schaffen.“ Auf dem Weg dahin hat Schneider Electric bereits spezielle Versorgungsnetze eingerichtet, um zu gewährleisten, dass Ortschaften während des Umstiegs auf erneuerbar Energie nicht negativ beeinflusst werden. Das Programm „Access to Energy“ des Konzerns wird bis 2030 rund 80 Millionen Menschen mit Strom versorgen und bis 2025 mehr als eine Million unterprivilegierte Menschen ausbilden. Dabei will das Unternehmen aber nicht nur eine zuverlässige Energieversorgung garantieren, sondern auch nachhaltige Entwicklungen fördern, um den Energieverbrauch in Haushalten langfristig zu reduzieren.

https://youtu.be/vL87WY6iEpQ

Es sind große Worte, die das Automatisierungsunternehmen da von sich gibt. Ähnlich große Taten müssen folgen, Schneider Electric hat dabei einen entscheidenden Vorteil: Das Unternehmen beginnt nicht bei null. Seit 15 Jahren ist Schneider Electric bestrebt, seine Produktionsabläufe und die seiner Kunden durch innovative Angebote und strategische Ausrichtungen zu dekarbonisieren. Der Erfolg dieser Initiativen soll dem Konzern ermöglichen, seine angestrebten CO2-Ziele zu erreichen. „Die Verpflichtung zur Klimaneutralität in unserer gesamten Lieferkette ist eine Herausforderung, die von den Unternehmen verlangt, Modelle zu entwickeln und die Zusammenarbeit mit Lieferanten, Partnern und Kunden zu intensivieren“, sagt Gilles Vermot Desroches, Bereichsleiter Nachhaltigkeit bei Schneider Electric.

Schnelle CO2-Neutralität dank Vorarbeit

Dieses As hat auch der Energie- und Gebäudetechnik-Anbieter Bosch im Ärmel: Seit 2007 hat Bosch seinen CO2-Ausstoß bereits um fast 35 Prozent reduziert. Das Ziel, schon 2020 klimaneutral zu werden, ist damit einfacher zu erreichen. Ganz ohne Anstrengung wird es dennoch nicht gelingen, denn das Unternehmen stößt immer noch rund 3,3 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr aus. Um die CO2-Neutralität schnell umzusetzen, wird Bosch kurzfristig mehr Ökostrom zukaufen und unvermeidbare CO2-Emissionen mit Kompensationsmaßnahmen ausgleichen. Diese Kompensationsmaßnahmen sind für Unternehmen unumgänglich, wie Mooshammer im Gespräch mit HLK erklärt: „Das CO2, das nicht vermieden werden kann, muss durch Kompensation ausgeglichen werden. Dafür können Unternehmen in Projekte in Entwicklungsländern investieren. Die Projekte kosten zwischen zehn und 30 Euro pro Tonne CO2 und können in die unterschiedlichsten Bereiche fallen.“ Das Spektrum reicht dabei vom Pflanzen neuer Bäume bis hin zu Ausbildungsplätzen in Äthiopien. Statt tatsächlicher CO2-Einsparungen werden also soziale Projekte gefördert. Auch das Klimaneutralitätsbündnis hat solche Projekte im Repertoire. „Die Mitglieder zahlen bei uns einen einmaligen Erstbetrag und danach einen laufenden Betrag für die Kompensation“, so Reinhard Mooshammer. Das Bündnis unterstützt derzeit 143 Unternehmen durch Beratung und Angebote auf dem Weg zur Klimaneutralität. Mitglieder sind unter anderem das Biomasse Heizwerk Lech, der Vorarlberger Klimatechnik-Anbieter Coolmärk und Doma Solartechnik, ebenfalls aus Vorarlberg.

Neben Kompensation und Ökostrom-Zukäufe investiert Bosch auch in mehr Energieeffizienz sowie die Eigenerzeugung von erneuerbarer Energie. Bis 2030 sollen 1,7 Terawattstunden Energie eingespart und 400 Gigawattstunden des Energiebedarfs durch eigens erzeugte regenerative Energie gedeckt werden. Für die Finanzierung dieser Maßnahmen hat die Bosch-Geschäftsführung bereits 2018 ein jährliches Zusatzbudget von 100 Millionen Euro bewilligt.

https://youtu.be/KeiPJ789nqU

Einzelne Mitarbeiter können zur Klimaneutralität beitragen

Klimaneutralität bedeutet für Mooshammer aber mehr als mutige Investitionen zu tätigen. Auch die Mitarbeiter müssen entsprechend geschult werden. „Die Unternehmen müssen die Mitarbeiter animieren und sie darin unterstützen, sich möglichst klimaneutral zu verhalten. Das fordert ein gewisses Sehvermögen seitens der Unternehmen, damit wichtige Eckpunkte nicht unter den Tisch fallen gelassen werden.“ Das kann zum Beispiel dadurch gelingen, dass die Firmenautos auf eine E-Flotte umgestellt werden. Außerdem können sich die Mitarbeiter durch Energiesparen bei Strom und Heizung beteiligen. Flugreisen vermeiden wirkt sich ebenfalls positiv auf den CO2-Fußabdruck aus, durch Schulungen zu Konsumverhalten und Mobilität können Mitarbeiter motiviert werden, auch privat Emissionen einzusparen. Das ist dringend notwendig, denn in Österreich emittiert jeder zehn Tonnen CO2 pro Jahr, klimaverträglich wären zwei Tonnen pro Jahr und Person.

Nachhaltigkeit oder Marketing?

Die Hauptverantwortung liegt jedoch nach wie vor beim Unternehmen und die können aus den Umweltschutzmaßnahmen sogar profitieren. Es ist ein guter Zeitpunkt, um in Nachhaltigkeit zu investieren: Das Thema ist populär, junge Menschen – und damit die Kunden der Zukunft – gehen auf die Straßen und demonstrieren für mehr Klimaschutz. Ein Unternehmen, das sich jetzt damit brüstet, nachhaltiger agieren zu wollen, gewinnt an Popularität. Die Produzenten reagieren damit lediglich auf die Wünsche der Kunden, denn diese wünschten sich bereits 2012 mehr Verantwortungsbewusstsein seitens der Unternehmen, wie die jährliche Umfrage „Trusted Brands“ von Reader’s Digest zeigte. „92 Prozent der Verbraucher in Europa fordern, dass sich Unternehmen mehr für den Umweltschutz einsetzen“, heißt es in den Ergebnissen. Und auch in der letzten Umfrage aus dem Jahr 2018 spielte das Thema Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle.

Ein klimaneutrales Unternehmen handelt damit nicht nur im Sinne der Umwelt, sondern stärkt auch seine Marke und gewinnt neue Kunden. Geht diese Idee auf, dürften sich die Investitionskosten von Bosch und Schneider Electric schnell rentieren.