Der Strombedarf in Deutschland und Österreich kann erst zu einem Teil mit erneuerbarer Energie gedeckt werden und dennoch beschäftigt sich die Deutsche Energie Agentur dena bereits damit, was mit überschüssiger Energie aus Wind- und Solarkraft passieren soll. Sogenannte Powerfuels sollen zukünftig fossile Kraftstoffe ersetzen. Hannes Seidl, Bereichsleiter Energiesysteme und Energiedienstleistungen bei dena, erklärt im Gespräch mit HLK wie ein internationales Netzwerk einen Markt für Powerfuels schaffen soll.
HLK: Die Power-to-X-Verfahren unterscheiden sich aber in Wirtschaftlichkeit und Herstellungsprozess. In welchen Powerfuel sehen Sie das größte Potenzial?
Hannes Seidl: Das Rennen ist noch nicht entschieden, da jede Technologie und jeder Energieträger eigene Vor- und Nachteile mit sich bringen, die wiederum vom Einsatzbereich des Powerfuels abhängig sind. Wasserstoff hat beispielsweise einen tollen Wirkungsgrad, dafür ist der Transport eher schwierig. Langkettige Kohlenwasserstoffe wie Methan oder Propan hingegen können in der bestehenden Infrastruktur transportiert werden, dafür wird deutlich mehr Energie und zusätzliches CO2 für die Herstellung benötigt.
Wird es denn überhaupt einmal das perfekte Powerfuel geben?
Hannes Seidl: Davon gehe ich nicht unbedingt aus. Aus heutiger Sicht lässt sich das auch nicht vorhersagen. Dafür sind zu viele Unbekannte im Spiel, etwa die Entwicklung von CO2-Regulierungen oder die Präferenzen auf der Nachfrageseite. Am Ende wird der Markt darüber entscheiden, welche Technologien und Anwendungen sich durchsetzen. Dabei zeigt sich schon jetzt: Innerhalb Zentraleuropas ist nicht ausreichend erneuerbare Energie verfügbar, um massenhaft Powerfuels erzeugen zu können.
Warum steckt die dena dann momentan so viel Zeit und Interesse in synthetische Kraftstoffe aus erneuerbarer Energie?
Hannes Seidl: Bei den Powerfuels handelt es sich um ein Projekt, das man global betrachten muss. In Deutschland und Österreich muss man zukünftig auf Importe aus dem Ausland setzen. In anderen Ländern gibt es eben deutlich mehr Fläche, die für die Erzeugung erneuerbarer Energie genutzt werden kann und auch die klimatischen Bedingungen sind anderswo günstiger. Australien hat sich zum Beispiel auf die Agenda gesetzt, Solarfuels-Exporteur zu werden. Die passende Infrastruktur des Abtransports zum Beispiel über Häfen besteht dort heute schon und für Investoren bieten sich so vielversprechende Geschäfte. Zusätzlich bieten Powerfuels den Ländern eine Chance, die heute auf den Export fossiler Energieträger angewiesen sind. Sie können auf den Export synthetischer Kraftstoffe umsteigen. Das bietet den Ländern eine Perspektiv für die Zukunft und ist die Voraussetzung für die Energiewende international.
In Österreich und Deutschland könnten Powerfuels aber zumindest aus überschüssigem Strom erzeugt werden, oder?
Hannes Seidl: Das ist grundsätzlich möglich, da Energie gasförmig gut und ohne großen Aufwand gespeichert werden kann. Überschüssiger Strom wird aber häufig zu positiv dargestellt. Es wirkt, als gäbe es große Mengen an Strom, die „weggeworfen“ werden, wenn wir sie nicht in Powerfuels umwandeln. Tatsächlich handelt es sich bei überschüssigem Strom aber um Stromspitzen, die nur selten und wenige Stunden zur Verfügung stehen. Keine Power-to-X-Anlage kann damit wirtschaftlich betrieben werden.
Ein internationales Powerfuel-Netz ist also unumgänglich. Wie können Energieunternehmen dazu beitragen, dass die Powerfuels im In- und Ausland schnell etabliert werden?
Hannes Seidl: Als Energieunternehmen ist es essentiell, dass man sich mit den Technologien auseinandersetzt. Die Betriebe sollten in Forschung und Entwicklung investieren und Powerfuels in die eigene Unternehmensstrategie einplanen. Gleichzeitig sind internationale Kooperationen wichtig. Im eigenen Land kann man sich mit zumindest branchenübergreifend vernetzen.
Das größere Zeichen muss aber wahrscheinlich aus der Politik kommen. Auf welche Maßnahmen hoffen Sie dort?
Hannes Seidl: In Deutschland hat ein deutlicher Bewusstseinswandel eingesetzt und auch in Österreich wird mit der Wasserstoffstrategie einiges getan. Es geht also in eine richtige Richtung. Wichtig ist jetzt, geeignete Rahmenbedingungen und eine Roadmap aufzusetzen, damit der Markthochlauf von Power-to-X-Anlagen möglich wird. Außerdem brauchen wir erste großskalierte Pilotprojekte, damit die Kosten der Anlagen gesenkt werden.
Damit genau diese Punkte umgesetzt werden, hat die dena nun die Global Alliance Powerfuels gegründet. Was wollen Sie damit bewirken?
Hannes Seidl: Wir wollen internationale Netzwerke bilden, um den Markt schnell voranzubringen. Die gesamte Welt hat ein enormes Erneuerbaren-Potenzial, das für die Energiewende genutzt werden kann. Dafür brauchen wir aber einen geeigneten Energiemarkt. Wir wollen deshalb ein internationales Netzwerk etablieren und erste große internationale Projekte anstoßen, mit denen Powerfuels erzeugt und an anderer Stelle verbraucht werden können.
Die Global Alliance Powerfuels gibt auch Empfehlungen an die Politik ab und auch die dena-Leitstudie „Integrierte Energiewende“ macht politische Anforderungen deutlich. Glauben Sie, dass diese Empfehlungen in der Politik Gehör finden?
Hannes Seidl: Mit der dena-Leitstudie haben wir ja bereits etwas in Gang gebracht. Wir führen derzeit sehr interessante Diskussionen und tauschen uns mit internationalen Kontakten aus. Das Ziel ist es, Powerfuels populärer zu machen, sodass bald die ganze Welt darüber spricht. Dann kann sich etwas bewegen und ein internationaler Markt geschaffen werden.