Gastkommentar von Dr. M. Hagleitner : Wie steht es um die Wärmewende? - Eine Zwischenbilanz

Dr. Martin Hagleitner, Mit-Initiator und Vorstandsmitglied des Zukunftsforums SHL (und CEO der Austria Email AG).
- © Austria Email AG/ APA-Fotoservice/ Martin HörmandingerNachfolgend der Gastkommentar von Dr. Martin Hagleitner, Mit-Initiator und Vorstandsmitglied des Zukunftsforums SHL (ein österreichischer Zusammenschluss von Installateuren, Sanitär-/ Heizungsgroßhandel, Unternehmen der Branche) und CEO der Austria Email AG, der zuerst in der HLK VI-2024 (Print) erschien.
Als im vergangenen Jahr der längst überfällige und lange verhandelte Entwurf des Erneuerbaren-Wärme-Gesetzes nicht beschlossen wurde, war die Enttäuschung der Wärme- und Gebäudewirtschaft groß. Verständlich aufgrund deren Forderungen nach einem legistischen Rahmen und treffsicheren Anreizen, um durch Rechts- und Planungssicherheit die Sanierungsrate zu steigern und damit die Wärmewende zu beschleunigen.
Reformmüde - und letztlich aus verfehltem politischem Kalkül - schüttete die Regierung aber primär das inflationstreibende Füllhorn aus. Das Erneuerbaren-Wärme-Gesetz wurde zum Erneuerbare-Wärme-Paket (EWP) umetikettiert. Statt eines Reformpaketes gab es nur üppige Förderungen aus öffentlichen Geldern und ein „mutiges“ Verbot von Öl- und Gasheizungen im Neubau, wobei der Markt diese Richtung schon eingeschlagen hatte. Der schrittweise Ausstieg aus Fossil wurde auch unter verdeckter Mitwirkung einzelner „Wirtschaftsvertreter“ beerdigt. Nun ist das EWP seit rund neun Monaten in Kraft und bezüglich Wirksamkeit und Treffsicherheit unter die Lupe zu nehmen.
Detail-Schwächen der Förderungen
Zunächst ist festzuhalten: Die Förderungen sind europaweit einzigartig hoch. Dies hat auch zu einem starken Anstieg an Förderanträgen geführt; die Kommunalkredit Public Consulting (KPC) meldete bis Anfang Juli mehr als 63.000 Förderanträge. Doch für die Branche hat sich dieses Interesse noch nicht in einer entsprechenden Auftrags- und Umsatzentwicklung niedergeschlagen. So berichtet Wärmepumpe Austria von 8.123 abgesetzten Wärmepumpen im ersten Quartal 2024 – ein Minus von 45,8 % gegenüber dem Vorjahr. Insgesamt wurden im ersten Halbjahr 2024 20.785 Wärmepumpen verkauft, was ein Minus von 26 % gegenüber dem gleichen Zeitraum 2023 bedeutet.
Woran kann das liegen? Der Teufel steckt im Detail: Die Förderungen werden erst nach Abschluss der Projekte ausgezahlt. Die verbindliche Förderzusage der KPC wird von den Banken aber nicht als Sicherheit für einen Kredit anerkannt. Einkommensschwache und zusehends auch mittelständische Haushalte erhalten daher zumeist keinen Kredit. Eine weitere Hürde stellt sich im mehrgeschoßigen Wohnbau. Dort stockt die Wärmewende mehr als in Ein- und Zweifamilienhäusern. Einzelne Mieter:innen können Sanierungsvorhaben blockieren, Hausverwaltungen sind mit einem administrativen Aufwand konfrontiert, der sie überfordert und Vermieter:innen schrecken wegen fehlender Anpassungen im Wohn- und Mietrecht und fehlender Planungssicherheit vor Investitionen zurück.
Was zu tun wäre
Klar ist: mit legistischem Pfusch und „Fördermanie“ ist die Wärmewende nicht zu bewältigen. Eine Studie des renommierten Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung belegt, dass Klimaschutzmaßnahmen vor allem in jenen Staaten erfolgreich sind, die auf einen Mix aus Vorgaben, Anreizen, Preis- und Steuermechanismen setzen.
Um beispielsweise das Problem der Zwischenfinanzierung zu lösen, müssten verbindliche und KIM-V konforme Förderzusagen eine rasche und unbürokratische Zwischenfinanzierung ermöglichen; und nicht noch länger die Verantwortung zwischen den Beteiligten hin- und hergeschoben werden. Im Miet- und Wohnrecht muss die Entscheidungsfindung im mehrgeschoßigen Wohnbau an die Anforderungen der Wärmewende angepasst werden. Zusätzlich bedarf es steuerlicher und legistischer Anreize für Vermieter:innen, wie etwa ein Mietzuschlag für Gebäude mit erneuerbarer Wärmebereitstellung und gesteigerter Effizienz.
Das zurückgezogene EWG war eine vertane Chance. Wenn die Politik es mit der Wärmewende ernst meint und Österreich bis 2040 klimaneutral werden soll, muss der Reformstau endlich angegangen werden. Es braucht einen effektiven Maßnahmen-Mix, der den Namen „Paket“ auch verdient. Eine höhere Sanierungsrate dient nicht nur unserer Umwelt, sondern ist essenziell dafür, dass unsere Branche wieder auf den Wachstumspfad findet und nicht zu Kurzarbeit, Kündigungen oder Schließungen gezwungen wird, wie derzeit in den Medien zu lesen ist.
Auch wenn es etliche Einschätzungen aus der Branche gibt, dass das Jahr 2024 bereits abgeschrieben werden kann und auch 2025 nicht viel zu erwarten sein wird, liegt es an uns als Hersteller, das Beste aus den bestehenden Möglichkeiten zu machen und aktiv alles daran zu setzen, die Sanierungsrate sowie die Investitionsfreude der Österreicher:innen zu beleben.
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