Deutschland hat seit März ein sogenanntes Klimakabinett. Es besteht aus allen Ministern, deren Ressorts mit dem Kampf gegen den Klimawandel befasst sind. Das sorgt auch kaum für Widerspruch. Umso mehr sträuben sich die Betroffenen aber dagegen, dass Ministerien, die ihre CO2-Ziele nicht erreichen, die entsprechenden Emissionsrechte in Zukunft aus eigenem Budget bezahlen sollen.
Noch sind die Zahlungen für Emissionsrechte als Teil des Gesamthaushalts definiert. Und noch handelt es sich um überschaubare, weil höchstwahrscheinlich falsch berechnete Beträge. Aktuell sind im deutschen Budget für den Ankauf von Emissionsrechten gerade einmal 100 Millionen Euro pro Jahr geplant, gemessen am Gesamthaushalt von weit über 350 Milliarden eine absolute Marginalie.
Vorbild Schweden
Weil die Höhe der Zahlungen aber erst im Nachhinein, abgängig vom tatsächlichen CO2-Ausstoss, ermittelt wird, könnten die Beträge in Wirklichkeit viel höher ausfallen. Die Organisation Agora Energiewende geht zum Beispiel davon aus, dass die Bundesrepublik bis 2022 Emissionsrechte in der Höhe von bis zu zwei Milliarden Euro bezahlen wird müssen. Sollte der Betrag tatsächlich nach Ressorts aufgeteilt werden, hätte das Verkehrsministerium den eindeutig größten Teil davon zu tragen. Weshalb es auch am stärksten gegen eine solche Regelung rebelliert.
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Die Idee, jene Ministerien, die ihre Klimaziele verfehlen, direkt in die Pflicht zu nehmen, ist nicht ganz neu. In Schweden etwa sieht das seit 2018 gültige Klimagesetz vor, dass die Verantwortlichen schon ein halbes Jahr vor der Budgeterstellung einen Treibhausgas-Statusbericht abliefern müssen, dessen Daten beim kommenden Haushalt dann berücksichtigt werden – im Guten wie im Schlechten.
Beachtenswerte Idee
Margit Schratzenstaller, Budgetexpertin und stellvertretende Leiterin des WIFO erinnert außerdem daran, dass es in der EU-Politik Strafzahlungen beim Nicht-Erreichen von Zielen schon seit Längerem gibt. Nachsatz: „In der Praxis werden sie aber selten eingesetzt.“
Prinzipiell hält Schratzenstaller die Idee eines Klimakabinetts für innovativ und einer weiteren Beobachtung wert: „Klimaschutz ist ein ressortübergreifendes Querschnittsthema, das nicht nur das Umweltministerium, sondern auch eine Reihe anderer Ministerien betrifft. Der Ansatz, diese in die Verantwortung für die Erreichung der Klimaziele miteinzubeziehen, ist daher grundsätzlich sinnvoll.“ Nur begrenzt hilfreich findet die Expertin allerdings die Aufteilung der Zahlungen auf einzelne Ministerien.
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Ein Urteil, dem sich auch Karl Steiniger anschließt. Steiniger ist Professor am Institut für Volkswirtschaftslehre und am Wegener Center für Klima und Globalen Wandel der Universität Graz. „Alle Ministerien effektiv an Bord zu holen, dafür dürfte das Klimakabinett ein gutes Anreizpotenzial haben“, sagt er, nennt aber im gleichen Atemzug mehrere Beispiele, die zeigen, dass der Ansatz der finanziellen Verantwortlichkeit einzelner Ministerien schnell an seine Grenzen stoßen muss.
Ungewollte Effekte
„Wenn es im Verkehrsbereich nicht gelingt, die Treibhausgas-Emissionen zu senken, braucht dieser Sektor unter anderem auch Budget für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs“, erklärt Steininger und fragt, ob es dann sinnvoll ist, ein Ressort, das auf der einen Seite Mittel braucht, auf der anderen Seite mit Strafzahlungen zu belasten.
Bei der Einführung der direkten Ressortverantwortlichkeit für CO2-Verfehlungen könnte es aber auch noch zu anderen Ungerechtigkeiten kommen. Am Beispiel Österreich erläutert: Würde man nur das Verkehrsressort für den CO2-Ausstoss durch Lkws bestrafen, so wäre das unfair, da ein nicht unbeträchtlicher Teil dieser Emissionen Folgen des Tanktourismus seien. Für den Tanktourismus ist aber letztlich das Finanzministerium verantwortlich, weil es Diesel niedriger besteuert, als es die Nachbarländer tun.
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Doch nicht nur bei Belastungen, auch bei Entlastungen kann eine ausschließliche Orientierung am CO2-Ausstoss ungewollte Effekte erzeugen, argumentiert Steininger: „Die Anreize hin zur Elektromobilität verschieben zum Beispiel die Treibhausgas-Emissionen in der Bilanzierung in den Sektors der Energieerzeugung.“ Als Folge würde der Verkehrssektor entlastet werden, ohne wirklich aktiv einen Beitrag zur CO2-Reduktion geleistet zu haben.
Das Fazit bleibt also einigermaßen ernüchternd: Gerade weil Klimaschutz eine Querschnittsmaterie ist, fällt die Suche nach direkten Verursachern schwieriger aus als es auf den ersten Blick wirkt.