Energieeffizienz im Wohnungsbau : Gipfel in Berlin beschließt schnelleren Neubau von Wohnungen - und erntet harsche Kritik

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Gerade einmal zweieinhalb Stunden saßen die Spitzen der Berliner Regierungskoalition Ende vergangener Woche im Kanzleramt zusammen, um ein Projekt zu diskutieren, das in Deutschland in den nächsten Jahren wohl die politische Agenda dominieren wird: die akute Wohnungsnot, leistbares Wohnen und damit auch die Auswirkungen des Wohnungsbaus auf die Klimakrise und die Erreichung der Klimaziele, zu denen sich Deutschland auf dem Pariser Klimagipfel im Jahr 2015 verpflichtet hatte.

Die Baukräne und die Mischmaschinen werden auf Hochtouren laufen in den nächsten Jahren in Deutschland: Bis 2021 sollen 1,5 Millionen neue Wohnungen gebaut werden, zusätzlich sollen 100.000 neue Sozialwohnungen entstehen, die einkommensschwächeren Familien leistbares Wohnen ermöglichen. In so genannten „Milieuschutzgebieten“ soll die Umwandlung von Miet – in Eigentumswohnungen außerdem erschwert werden. "Wir wollen eine große Kraftanstrengung unternehmen, um unser Ziel von mehr Wohnungen zu erreichen", sagte Kanzlerin Angela Merkel.

Dass bei der Pressekonferenz mit Merkel und dem auch für das Bauwesen zuständigen Innenminister Horst Seehofer nach dem Gipfel kein einziges Mal die Auswirkungen der Bautätigkeit auf die Erreichung der Klimaziele erwähnt wurden, lässt sowohl Klimaschützer wie auch die Industrie an der eingehenden Berücksichtigung dieses Aspekts zweifeln.

Im insgesamt 14seitigen Positionspapier zum Wohnbau, das den Rahmen für die Bauoffensive vorgibt, nimmt der Klimaschutz gerade mal eine halbe Seite ein. Experten fürchten nun, dass der Plan, schnell neue Wohnungen hochzuziehen, auf Kosten der Energieeffizienz gehen könnte. Und das könnte die selbst gesetzten Klimaziele in weite Ferne rücken lassen. Rund ein Drittel des Energieverbrauchs in Deutschland entsteht im Gebäudesektor.

„Von dem Versprechen, die Klimaschutzziele 2030 auf jeden Fall erreichen zu wollen, hatte ich mir ehrlich gesagt ein engagierteres und mutigeres Handeln erwartet. 2030 ist nicht mehr so weit weg. Leider bleibt es hier bisher bei einem Lippenbekenntnis – obwohl es seit Unterzeichnung des Koalitionsvertrages zahlreiche Möglichkeiten zu einer beherzten Klimaschutz- und Energiepolitik gegeben hat. Der Wohngipfel ist eine davon. Entscheidende Akteure hierzu nicht einzuladen und womöglich Anforderungen aufzuweichen oder abzuschaffen, ist der falsche Weg“, kritisiert etwa Tobias Dworschak, Geschäftsführer des Verbandes für Wärmelieferung VfW.

Barbara Metz, stellvertretende Chefin der deutschen Umwelthilfe, hält den Wohngipfel in Berlin indes für ein politisches Sedativ, das kurz vor der Landtagswahl in Bayern, bei der Horst Seehofers CSU schwer unter Druck geraten könnte, die Gemüter beruhigen soll: „Es ist zu befürchten, dass Herr Seehofer auf Kosten einer nachhaltigen Wohnungspolitik Wahlkampf betreibt – das ist zu kurz gedacht und fällt letztendlich wieder denjenigen auf die Füße, die aus Kostengründen in nicht ausreichend energetisch ertüchtigten Wohnungen leben, dafür aber perspektivisch viel Geld für Heizkosten einplanen müssen. Bezahlbarer Wohnraum und Energieeffizienz müssen zwingend zusammen gedacht werden“, so Metz.

Mehr Wohnungen, weniger Energieeffizienz: dass die Koalition in Berlin diese einfache Gleichung aufmacht, fürchten die Industrieverbände. Dabei könnten die Koalitionäre einen entscheidenden Faktor nicht bedacht haben: Werden im Gebäudesektor nicht die in der EU vereinbarten CO2-Emissionen eingespart, wird der Kauf von Emissionsrechten ein budgetäres Desaster. Die Denkfabrik Agora Energiewende hat kürzlich in einer Studie die Kosten für die Emissionsrechte auf 30 bis 60 Milliarden Euro bis 2030 beziffert.

„Nur auf den Neubau zu schauen, ist nicht zielführend. Um 1,5 Millionen Wohnungen zu schaffen, und dabei gleichzeitig die Klimaschutzziele der Bundesregierung im Blick zu behalten, ist das Augenmerk auf die Sanierung des Bestands und die Nachverdichtung zu richten. Derzeit ist die Sanierung von Bestandsgebäuden die größte Baustelle. Hier muss die Bundesregierung schnellstmöglich ansetzen – es muss neben attraktiveren Anreizen eine langfristige Planungssicherheit für Investitionen geben“, so Jan Peter Hinrichs, Chef des Bundesverbands energieeffiziente Gebäudehülle.

Damit energieeffiziente Gebäude zum Klimaziel betragen könnten, braucht es steuerliche Anreize zur Gebäudesanierung und nicht nur die Konzentration auf den Neubau. Die Bundesregierung könnte auch einmal damit anfangen, ihre eigenen Gebäude energieeffizienter zu machen. Doch: „Nichts dergleichen passiert“, sagt Christian Noll, Geschäftsführer der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz DENEFF.