ÖSTERREICH HINKT HINTERHER : Bestbieterprinzip bei öffentlichen Vergaben wenig genutzt

Seit rund einem Jahr ist die Novelle des Bundesvergaberechts in Kraft, die das Bestbieterprinzip bei öffentlichen Vergaben rechtlich gesehen gestärkt hat. Das so genannte Bestbieterprinzip ist vom Gesetzgeber als Standardverfahren vorgesehen. Wie sich das Prinzip des „technisch-wirtschaftlich günstigsten Angebots“ in der Vergaberealität niederschlägt, hat nun eine vom Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI) und dem Fachverband Metalltechnische Industrie in Auftrag gegebene Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) analysiert.

Spielräume beim Bestbieterverfahren werden kaum genutzt

Untersucht wurden rund 18.600 Vergaben im Oberschwellenbereich in den vergangenen sechs Jahren in Österreich. Im Schnitt beläuft sich das Ausschreibungsvolumen auf 35,2 Mrd. Euro oder zirka elf Prozent des BIP. Im Oberschwellenbereich wird etwas mehr als die Hälfte mittels Bestbieterprinzip vergeben – im europäischen Vergleich befindet sich Österreich damit im Mittelfeld. Bei genauerer Betrachtung wird allerdings deutlich, dass das Bestbieterprinzip, so wie es vom Gesetzgeber vorgesehen ist, deutlich zu kurz kommt.

„Die enorme Wirkungskraft der öffentlichen Beschaffung kann sich – wie die WIFO -Studie erstmals zeigt – derzeit zu wenig entfalten“, kritisiert Brigitte Ederer, FEEI-Präsidentin. „Trotz des Einsatzes von preisfremden Kriterien wie Qualität oder Nachhaltigkeit dominiert der Preis die Auswahl. Vielfach werden Bestbieterausschreibungen mithilfe von Feigenblattkriterien zu verdeckten Billigstbietervergaben. Diese österreichische Besonderheit sucht im europäischen Ländervergleich seinesgleichen.“

„Der vorhandene Spielraum in Bestbieterverfahren wird nicht genützt und wertvolle Hebelkraft für heimische Unternehmen wird vertan“, weist Christian Knill, Präsident des Fachverbands Metalltechnische Industrie hin. Das Bestbieterprinzip könnte aber ein effektives Instrument sein, um Innovation, Technologien und Wertschöpfung in Österreich zu stärken. „Was am Ende zählt, ist nicht nur der billigste Preis“, so Knill. „Der beste Bieter ist im Endeffekt der, der vielseitige, zukunftssichere Lösungen anbieten kann. Die öffentliche Hand muss dafür bei Investitionen als Lead User vorangehen und gerade in konjunkturell schwierigen Zeiten wichtige Impulse setzen.“

Jedes fünfte Verfahren gewichtet Preis über 95 %

Konkret zeigt das Ergebnis der WIFO-Studie, dass bei 19 % der Bestbietervergaben – also bei rund jedem fünften Verfahren – das Gewicht des Preises über 95 % beträgt und damit das beherrschende Kriterium ist. Bei etwa einem Drittel (34 %) hat der Preis immer noch zu 90 % Gewicht.

Andere preisfremde Kriterien wie Lieferung, Nachhaltigkeit oder Service, die in anderen Ländern ebenfalls zur deutlichen Verringerung des Preises herangezogen werden, werden in Österreich überdurchschnittlich oft als Feigenblattkriterien eingesetzt und haben de facto keinen Einfluss auf das Ergebnis.

Auffallend ist die hohe Gewichtung auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, die in der Studie untersucht wurden: In keinem anderen untersuchten EU-Land ist die Preisgewichtung so stark und häufig ausgeprägt wie in Österreich!

Forderungen nach gesetzlicher Festschreibung von Mindestgrenzen

Um Österreich zu einem Vorzeigeland für Vergabeverfahren zu machen, fordern die Unternehmen der Elektro- und Elektronikindustrie sowie der Metalltechnischen Industrie eine gesetzliche Verankerung von mindestens zwei preisfremden Kriterien. „Um das Problem der so genannten Feigenblattkriterien zu verhindern, soll darüber hinaus eine Maximalgewichtung des Preises gesetzlich festgeschrieben werden, zum Beispiel 60 bis 80 Prozent“, so Knill.

Weiters sei es zielführend, Kataloge mit inhaltlich substantiierten Qualitätskriterien zu erstellen, um Auftraggebern und Beschaffern die Auswahl an preisfremden Kriterien zu erleichtern. Wesentlich für die Stärkung des Bestbieterprinzips sei auch die laufende Schulung der Personen und Entscheidungsträger in den ausschreibenden Stellen. Dies erfordert Ressourcen sowie fachliche und technische Kompetenz auf der Auftraggeberseite − das ist insbesondere bei komplexen Projekten der Fall.

Brigitte Ederer appelliert: „Um Chancen im wahrsten Sinne ‚vergeben‘ zu können, möchten wir den Entscheidungsträgern Mut machen. Die öffentlichen Beschaffer sollen innovativen österreichischen Unternehmen die Chance geben, auch am Heimmarkt aktiv und erfolgreich zu sein!“.