Leserbrief : Stadt-Land-Gefälle bei Ausbildung?!

Lieber Herr Herrmann!

Zu Ihrem Editorial im HLK-Newsletter vom 10.04.2012 muss ich aus langjähriger direkter, österreichweiter Monteurs- und Lehrlings-Verantwortung berichten, dass auch schon in den 90’iger Jahren des vorigen Jahrhunderts und im vorigen Jahrzehnt ein deutliches, österreichweites Stadt-Landgefälle vorhanden war: Je größer die Stadt, umso schlechter ist die Lehrlingsqualität. Je mehr „Land“, umso besser ist die Lehrlingsqualität. Das liegt vor allem an folgenden Gründen: Das Lernen und das sich an eine neue Umgebung anpassen wollen, ist in der Stadt deutlich schlechter als am Land. Am Land hat das Handwerk noch einen goldenen Boden. Es ist mit sozialem Prestige verbunden, ein guter Handwerker zu sein. In der Stadt findet eine Negativauslese statt. Überspitzt formuliert: Nur wer zu „dumm“ ist, für eine weiterführende Oberstufenausbildung**, muss gezwungenermaßen eine Lehre anstreben. Am Land kennt jeder jeden – Widerwillen und / oder schlechte Leistung bei der Arbeit spricht sich herum. Daraus entsteht mehr Motivation, mehr Druck zu engagierter Leistung hin. In der Stadt taucht der Handwerker, der Lehrling in die Anonymität ab. Da entsteht keine Motivation, kein Druck. In der Stadt ist immer der Arbeitgeber schuld. Im ländlichen Bereich gibt es nicht so viele Arbeitsplätze. Es muss sich jeder mehr bemühen, wenn er in seiner unmittelbaren Umgebung eine Arbeit finden möchte. In der Stadt finden Widerwillige und/ oder schlechte Leistung Erbringende kurzfristig neue Arbeit. Stadt-Landgefälle auch anderswo

Übrigens dieses Stadt- Landgefälle gilt auch für Supermärkte:

Supermärkte, gleicher Größe und Ausstattung, sind im Allgemeinen am Land besser gepflegt und verursachen weniger Monteurseinsätze als in der Stadt. Warum wohl ?

Im HLK-Editorial steht zu lesen: „Die in Wien eingesetzte Arbeitsgruppe (aus WK, AK, WAFF) wird über das Problem der vielen negativen Abschlussprüfungen beraten und hoffentlich praxistaugliche Verbesserungsmöglichkeiten finden“. Dazu möchte ich anmerken:

In den Städten ist es vor allem ein gesellschaftspolitisches-, ein Klassenkampf-Problem und zu **:

1. Solange politische Gruppen das Arbeiterdasein, als gegenüber dem Bürgertum benachteiligt ansehen und alles daran setzten ihr Klientel in die Oberstufenausbildung hineinzudrängen und so das Handwerk, die Leistung der Hände Arbeit, untergraben, solange wird es dieses Stadt- Land- Gefälle geben.

2. Man tut den Kindern nichts Gutes wenn diese um jeden Preis durch die Volksschule und durch die Unterstufe gelassen werden.

3. Kinder müssen in der Volksstufe und in der Unterstufe Lernen lernen. Sie müssen den Willen aufbringen für ihre eigene Zukunft zu lernen. Ich meine, dass gerade das „für die eigene Zukunft zu lernen“ völlig oder großteils verloren gegangen ist.

4. Ein zusätzliches gesellschaftspolitisches Problem: Kinder müssen lernen, dass sie nicht Kinder bleiben können. Der Staat, die Eltern sind nicht dazu da, 20‘ig- oder 30’ig-jährige auf die Dauer zu erhalten.

Auf der anderen Seite, Firmeneigentümer, Konzerne müssen umdenken, sie dürfen nicht in Kopfzahlen denken, sie müssen in „Menschen“, in Arbeitsqualität denken. Möchte ich hohe Arbeitsqualität erreichen, lohnt es sich in Ausbildung zu investieren.

Der Name des Autors dieses Leserbriefes ist der HLK-Redaktion bekannt.