Ein Deal unter Nachbarn : Im Viertel Zwei handeln Bewohner mit Strom

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Rund 100 Bewohner in der Wiener Krieau testen derzeit, was in wenigen Jahren in ganz Europa Alltag sein soll. Die Nachbarn im Viertel Zwei haben neben Glasfaser-Internet eine Pionierrolle für smartes, urbanes Wohnen der Zukunft. Sie erzeugen ihre Energie selbst, und zwar mit einer Photovoltaikanlage, sie teilen den Sonnenstrom mit ihren Nachbarn, sie speichern ihn künftig im Quartierspeicher, sie kaufen und verkaufen die nicht verbrauchte Kilowattstunde an der Strombörse oder geben die Energie für Stromtankstellen im Grätzl frei. „Der lokal erzeugte Strom wird je nach Bedarf unter den Bewohnern aufgeteilt. Wenn keiner den Strom nutzt, wird der Strom weiterverkauft oder anderweitig verwendet. Mithilfe neuer Technologien wie Blockchain kann das künftig vollautomatisch über ein Energiemanagement und nach ökonomischen oder ökologischen Kriterien passieren“, erklärt Wien Energie-Geschäftsführer Michael Strebl die Energiegemeinschaft.

Das ist die Vision, die nach dem Sommer Realität sein wird: Im Rahmen eines Innovationsprojekts von Wien Energie entsteht im Viertel Zwei eine der ersten Energiegemeinschaften Europas. Dafür investiert Wien Energie für eine Laufzeit von etwa fünf Jahren insgesamt mehr als zwei Millionen Euro. Das Projekt ist darüber hinaus vom BMVIT gefördert. Strebl: „Was mit dem Ökostromgesetz im Mehrfamilienhaus rechtlich möglich geworden ist, soll mit dem Clean Energy Package der EU noch ausgedehnt werden. Hier sehe ich für Energieanbieter wie uns eine große Chance. Wir können lokale Kommunen und Stadtviertel mit unserer Expertise unterstützen, wenn sie sich bei der Energieproduktion und der Weiterverwertung zusammentun wollen.“

Sonnenstrom fürs Viertel

Seit dem Vorjahr testet Wien Energie mit den Bewohnern im Viertel Zwei innovative Konzepte rund um Energie, Wohnen und Mobilität. Die Pilot-Kunden konnten etwa zwischen drei unterschiedlichen Stromtarifen wählen: einer Flatrate, einem Time-of-Use-Tarif und einem marktabhängigen Tarif. Wesentliches Ergebnis der ersten Phase: Die Bewohner wünschen sich flexiblere Tarife und Ökostrom. Gemeinsam wurde ein neuartiger Tarif entwickelt, der den Markt-Tarif ersetzt. Die Basis dafür ist Strom von der quartierseigenen Photovoltaik-Anlage. Ein Anteil von jeweils einem Kilowattpeak steht dabei einzelnen Kunden zur Verfügung. Die nicht selbst verbrauchte Energie kann künftig über die Plattform gehandelt werden.

Über eine eigene App am Smartphone können die Kunden den Strombezug bequem steuern. Während ein Nachbar etwa drei Wochen auf Urlaub ist, kann er in dieser Zeit seinen Sonnenstrom-Anteil der Familie nebenan verkaufen. So verfällt der wertvolle Öko-Strom nicht, die Energie wird effizient und lokal genutzt. Ein zusätzlicher Vorteil: Die Bewohner sparen Netzgebühren und verringern ihre eigenen Energie-Kosten.

Blockchain gibt dem Strom ein Mascherl

Die Basis für diese Transaktionen bildet die Blockchain-Technologie. Gemeinsam mit dem Startup Riddle & Code wurde die Infrastruktur entwickelt, die derzeit im Viertel ausgerollt wird. PV-Anlage und Stromzähler, später in diesem Jahr auch E-Ladestellen und Speicher werden mit einem speziellen Chip ausgestattet und damit in die Blockchain integriert. Erste simulierte Kundenabrechnungen an einer E-Ladestellen konnten im Labortest bereits erfolgreich durchgeführt werden. Derzeit wird die Benutzerfreundlichkeit der Plattform mit den Test-Kunden überprüft, ab Herbst startet der Energiehandel im Viertel.

Für den Austausch in Energiegemeinschaften weist die Blockchain-Technologie dabei entscheidende Vorteile auf, wie eine sichere, transparente Abrechnung, eine lückenlose Rückverfolgung und Identifikation. Mit Blockchain bekommt der bisher nur über Zertifikate nachvollziehbare Strom-Bezug ein Mascherl. Die Transparenz erhöht sich maßgeblich und macht Energie und damit Energieeffizienz greifbar.