Gastkommentar : Vom Ende der billigsten Lösung
Die Energiekrise hat alles auf den Kopf gestellt, plötzlich wollen alle so rasch wie möglich raus aus fossiler Energie. Damit schlägt die Stunde der erneuerbaren Energien, die Installationen boomen, der ganze Sektor erlebt einen ungeahnten Aufschwung. Doch eine Technologie kommt nicht so richtig in Fahrt, obwohl ihre Vorteile auf den ersten Blick unschlagbar scheinen. Vielleicht haben Sie es erraten, es handelt sich um Solarwärme, die Nutzung der Sonne für Warmwasser, Heizen und Prozesswärme. Solarwärme macht unabhängig, ist sauber, liefert Wärme zu stabil niedrigen Kosten, sichert heimische Arbeitsplätze und reduziert den Import, bringt mehr Energie pro Fläche als etwa Photovoltaik und kann am Ende leicht recycled werden.
Geld zählt, alles andere ist primär
Die Summe dieser Vorteile spricht eindeutig für diese Technologie, trotzdem bleibt sie hinter ihren Möglichkeiten zurück. Einen möglichen Grund dafür hat mir ein Gespräch mit einem Finanzdienstleister von Großprojekten vor Augen geführt. Er hatte sich die Liste einiger solarer Großanlagen besorgt, deren Machbarkeit bei Wärmenetzen und Industriebetrieben geprüft wurde, im Auftrag des Klimafonds der Bundesregierung. Exemplarisch wollte er bei einem Projekt herausfinden, ob sich da ein Business Case für sein Geschäft ableiten lässt.
Wenn man obige Argumente betrachtet, müsste eine solche Prüfung wohl zu einem raschen Ergebnis führen, möchte man meinen. Doch Finanzdienstleister denken anders.
Bisher war immer die billigste Lösung die beste, jene mit dem höchsten finanziellen Ertrag, weil vieles nicht eingepreist war, was zu negativen Auswirkungen führt. Wenn sich mit weniger Unabhängigkeit, mehr Import von Anlagenteilen, weniger Effizienz pro Fläche einer schwer wiederverwertbaren Technologie mehr Geld verdienen lässt, dann ist diese Variante die bessere, so die Logik. Wenn man etwa bei einem Großprojekt mit Photovoltaik und einer großen Wärmepumpe den gleichen Energieertrag erzielen kann wie mit einer Solaren Großanlage für Wärme, noch dazu zu geringeren Kosten, dann kann man diese Nachteile getrost in Kauf nehmen, weil die billigste Lösung zählt.
Wer bei einer Investitionsentscheidung das meiste Geld rausholt, hat alles richtig gemacht, alle anderen Aspekte sind primär, wie Hans Krankl sagen würde. Doch die Coronakrise und die aktuelle Energiekrise haben gezeigt, wie verwundbar wir sind, wenn wir nur auf den Preis schielen und alle anderen Aspekte einer sicheren Versorgung beiseiteschieben.
Alte Fehler nicht wiederholen
In der Energiekrise müssen wir möglichst rasch aus den Fossilen rauskommen, ohne uns aber in neue Abhängigkeiten zu begeben. Neben Klimaschutz müssen auch Unabhängigkeit, heimische Wertschöpfung, höchste technische Effizienz und Umweltschutz an oberster Stelle stehen, wenn es um Investitionen in die Wärmeversorgung geht. Diese Faktoren müssen eine entscheidende Rolle spielen und sich in den Kosten widerspiegeln, die dem Business Case zugrunde liegen. Dazu brauchen wir eine Änderung des gesetzlichen Rahmens, der die Investitionsentscheidungen bestimmt. Technologien mit der höchsten heimischen Wertschöpfung und den geringsten Umweltauswirkungen müssen sich steuerlich lohnen und einen finanziellen Vorteil bringen. Wir dürfen die alten Fehler der billigsten Lösung nicht wiederholen, sondern müssen die größte Unabhängigkeit, das höchste Arbeitsmarktpotenzial und die geringsten Umweltauswirkungen als Richtschnur setzen. Der Umstieg der Wärmeversorgung ist das größte Projekt, das wir vor uns haben, da der halbe Energieverbrauch des Landes für Heizen und Kühlen aufgewendet wird. Wir sollten künftig auf den Beipacktext der billigsten Lösung achten und unerwünschte Nebenwirkung vermeiden, indem wir auf Lösungen setzen, die mehrere Ziele zugleich erreichen. Dann wird auch Solarwärme wieder den Stellenwert erhalten, der ihr in einem künftigen Energiesystem gebührt. Denn nicht die billigste, sondern die beste Lösung liefert den größten Beitrag zu Klimaschutz, Standortsicherung, Flächeneffizienz und Kreislaufwirtschaft. Die Finanzdienstleister werden lernen, ihren Business Case auf diesen neuen Weg auszurichten. Die Politik ist gefragt, dafür jetzt die Weichen zu stellen!
Anmerkung der HLK-Redaktion: Roger Hackstock ist einer der Vortragenden der Fachveranstaltung „Wärmewende Made in Austria“ am 22.11. in Wien.