Lieferschwierigkeiten : Ersatzteil-Probleme und ihre Folgen

Kleine Ursache – große Wirkung: Ein Einsteckschloss war defekt und legte die Eingangstüre lahm. Das defekte Ersatzteil bzw. das Einsteckschloss war lange nicht lieferbar. Erfreulicherweise gab es einen zweiten Eingang. Drei Monate lang mussten 60 Mitarbeiter diesen benutzen!

Kleine Ursache – große Wirkung: Ein Einsteckschloss war defekt und legte die Eingangstüre lahm. Das defekte Ersatzteil bzw. das Einsteckschloss war lange nicht lieferbar. Erfreulicherweise gab es einen zweiten Eingang. Drei Monate lang mussten 60 Mitarbeiter diesen benutzen!

- © Bild: HLK/E. Herrmann

Die Corona-Pandemie hat neben der tragischen menschlichen Komponente auch noch weitere, besorgniserregende Details offenbart:

  • Die Abhängigkeit Europas von manchen Produkten/Teilen aus Asien
  • Lieferketten können zusammenbrechen und massive Probleme verursachen

„Just in time“ funktioniert eben nicht, wenn der Nachschub stockt und es keine oder zu wenige Lagerkapazitäten gibt.
Viele Industriezweige (Medizin, Maschinenbau, Autoproduktion) lagerten ihre Produktionen wegen der billigeren Herstellungskosten und/oder geringeren Umweltschutzstandards in den letzten Jahren von Europa oder den USA nach China bzw. Asien aus. Ganz eindeutig ist das im Bereich Medikamente zu sehen - rund 80 % der in Europa benötigten Arzneien kommen mittlerweile aus Asien!
Aber nicht nur Medikamente und der Konsumgüter-Bereich (Handy, TV & Co.) sind hochgradig von Importen abhängig – das trifft auch auf den Maschinenbau und weitere Technik-Bereiche zu. Ventilatoren, Ventile & Co. sind hierzulande manchmal erst in einem Jahr wieder lieferfähig! Extrem ist die Situation auch bei manchen Ersatzteilen, vor allem auch dann, wenn Elektronik mit im Spiel ist. Wie krass es sein kann, wenn manche Ersatzteile nicht oder spät geliefert werden können, zeigen einige Praxis-Beispiele.

Viele Nutzer möchten Maschinen/Geräte/Produkte reparieren und/oder wiederverwenden können (das kommt auch der Umwelt zugute) – dafür braucht es aber lieferbare Ersatzteile.
Viele Nutzer möchten Maschinen/Geräte/Produkte reparieren und/oder wiederverwenden können (das kommt auch der Umwelt zugute) – dafür braucht es aber lieferbare Ersatzteile. - © Bild: AdobeStock/Paolese

Krasse Praxis-Beispiele

Folgende Situation: Alle Mitarbeiter des Unternehmens können die Eingangstüre auf einmal nicht mehr benutzen! Aus Sicherheitsgründen muss sie permanent abgeschlossen sein. Der Grund: Ein Teil des (mechanisch-elektronischen) Einsteckschlosses ist kaputt. Glücklicherweise gibt es eine zweite Eingangstüre. Drei Monate lang (!) müssen die 60 Mitarbeiter den anderen Eingang benutzen, denn das benötigte Teil des Einsteckschlosses ist erst in 90 Tagen lieferbar. Ein neues Ersatzschloss ist auch nicht früher lieferbar. Dieses wahre Praxisbeispiel veranschaulicht, was passieren kann, wenn man auf Ersatzteile länger warten muss. Ein anderes (und wahres) Praxisbeispiel: Der Nutzer einer (ca. 15 Jahre alten) Kälteanlage beauftragt seinen Klima-Kälte-Techniker, die defekte Steuerung in Ordnung zu bringen. Der nach einiger Zeit gefundene Fehler: Eine defekte Steuer-Platine. Die Nachfrage beim Hersteller ergibt: Nicht mehr lieferbar. Der Kälte-Klimatechniker muss seinem Auftraggeber mitteilen, dass er wohl oder übel in eine komplett neue Kälteanlage investieren muss. Der Nutzer ist „not amused“, stimmt aber der Neuanlage mit einer Auflage zu – es dürfe nicht mehr dieser Hersteller sein! Ein Leser der HLK teilte mir mit: „Unser Gas befeuerter Kessel eines namhaften Herstellers hatte vor vier Wochen enorme Probleme. Die Firma sandte mit dem Taxi insgesamt drei Schaltplatinen; die dritte Schaltplatine funktionierte dann. Das dauerte den ganzen Tag. Das Haus hier war mehr als 36 Stunden kalt. Und heute sah ich bei einem großen Haus mit rund 30 Wohnungen bei uns in der Nähe drei Wartungsfahrzeuge desselben Herstellers. Die hatten so wie wir auch lange Zeit kalte Wohnungen".
Ein Paradebeispiel dafür, wie es punkto Ersatzteil-Beschaffung NICHT laufen sollte, lieferte die deutsche Bundeswehr. Der Film „Kommando kaputt - was bei der Bundeswehr schief läuft“ von Andreas Orth, legte das schonungslos offen (im Jänner 2020 erstmals im ZDF ausgestrahlt). Es gab Flugzeuge, die nicht fliegen, U-Boote, die nicht tauchen und Panzer, die nicht fahren konnten. Die Einsatzbereitschaft von Panzern, Schiffen, Hubschraubern und Flugzeugen wurde oft mit unter 40 % gemeldet. Einer der im Film genannten Hauptgründe: Mangelnde Ersatzteile(-beschaffung)! So war es z.B. eine Zeit lang für deutsche Marine unmöglich mit allen sechs U-Booten auszufahren, da alle Propeller kaputt waren. Ersatz gab es keinen. Neue Propeller auszuschreiben, zu bestellen und herzustellen dauert Monate. Auf Depot gab es keine. Der Wehrbeauftragte des deutschen Bundestages, Hans-Peter Bartels, bezeichnete in „ZDFzoom“ das Beschaffungswesen der deutschen Bundeswehr seinerzeit lakonisch als „organisierte Verantwortungslosigkeit“.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit haben die Film-Beiträge (2020), die Hinweise der Militärs (schon davor) und der Russland-Ukraine-Krieg (2022) dazu geführt, dass die deutsche Bundeswehr nun 100 Mrd. Euro zugeschossen bekommt.

Die deutsche Bundeswehr hatte Ersatzteil-Probleme: Die Einsatzbereitschaft von Panzern, Schiffen, Hubschraubern und Flugzeugen betrug manchmal nur rund 40 %.
Die deutsche Bundeswehr hatte Ersatzteil-Probleme: Die Einsatzbereitschaft von Panzern, Schiffen, Hubschraubern und Flugzeugen betrug manchmal nur rund 40 %. - © Bild: www.4freephotos.com

Es geht auch anders

Wir legen unseren Kunden im Datacenter-Bereich nahe, dass Sie sich einige Ersatzteile selbst auf Lager halten, denn hier geht es um sehr betriebskritische Anwendungen“, erklärt Ing. Michael Weiss, GF von STULZ Austria, gegenüber der HLK und ergänzt: „Je nach Anwendungsfall, weisen wir unsere Kunden auch auf fertig geschnürte Ersatzteil-Pakete hin, die sie sich auf Lager legen sollten, um Ausfallszeiten so gering wie möglich zu halten“. Und meint damit z. B. Verschleißteile wie Dampfzylinder für Befeuchtungssysteme, Filter sowie manche wichtige Komponenten des Kältekreislaufes, vor allem aber Teile des Regelungssystems. „Wie wir kürzlich erfreulicher Weise feststellen und somit auch einem Kunden helfen konnten sind sogar manche Ersatzteile bei Mitsubishi Heavy Industries, die wir in Österreich vertreten, für über 20 Jahre alte Geräte noch verfügbar.“
Das ist aber eher die Ausnahme. Bei anderen Herstellern ist schon nach sieben Jahren kein Teil mehr lieferbar, bei anderen ist schon nach zwei Jahren kein Ersatzteil mehr zu haben – dann bleibt dem Nutzer oft nichts mehr anderes übrig, als in eine Neuanlage zu investieren.

Hersteller unterschätzen Gefahr

Wenn es soweit sein sollte, dass wegen eines nicht lieferbaren Ersatzteils um wenige Euro eine komplette Neuanlage für einige tausend Euro angeschafft werden müsste, steigt das Frustpotenzial des Kunden enorm. Vielen Herstellern ist offensichtlich nicht die Gefahr bewusst, dass sie sich damit massiv das Geschäft selbst vermiesen können. Denn bei den Überlegungen der Neuanschaffung wird der ursprüngliche Hersteller extrem schlechte Karten haben und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kein Geschäft mehr mit diesem End- oder B2B-Kunden machen. Und zwar nie wieder! Das vorhin beschriebene Praxisbeispiel der Kälteanlage veranschaulicht das.
Fazit: Hersteller sollten sehr viel Wert auf eine entsprechend lange Ersatzteilverfügbarkeit legen, und/oder ihre (Neu-)Produkte so konzipieren, dass diese auch für ältere Anlagen nutzbar sind. Wer das nicht beherzigt, setzt mitunter seine Glaubwürdigkeit (auch in punkto Qualität) aufs Spiel, wird über kurz oder lang seinen hart erarbeiteten (guten) Ruf verlieren oder a la longue vielleicht sogar massive Geschäftseinbußen erleiden. Denn Probleme mit einem Hersteller oder einer Type können sich in Online-Zeiten wie diesen sehr schnell herumsprechen. Im Härtefall macht dieser Hersteller nie wieder ein Geschäft mit manchen Kunden oder sogar in manchen Regionen!

Ärgerlich und teuer, wenn ein Nutzer wegen eines nicht mehr lieferbaren Steuerungsteils eine ganze Anlage erneuern muss – ob sich der Nutzer wieder für diesen Hersteller entscheidet?
Ärgerlich und teuer, wenn ein Nutzer wegen eines nicht mehr lieferbaren Steuerungsteils eine ganze Anlage erneuern muss – ob sich der Nutzer wieder für diesen Hersteller entscheidet? - © Bild: HLK/ E. Herrmann