Immerhin ein Drittel des Endenergieverbrauchs und etwa 30 Prozent der Treibhausgasemissionen fallen derzeit im Gebäudebereich an. Bis 2030 müssen die Kohlendioxidmissionen im Gebäudesektor gemäß Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung von 119 Millionen Tonnen (Stand 2014) auf 70 bis 72 Millionen Tonnen sinken. Ein besserer Klimaschutz kann mit neuen gesetzlichen Standards für den Neubau und die Sanierung von Bestandsgebäuden erreicht werden. Neue Häuser müssen bereits standardmäßig erneuerbare Energien einbinden, doch bei vielen älteren Gebäuden ist das noch nicht der Fall.
Bis Ende Mai konnten die Verbände Stellung nehmen. Ihre Kritik lässt sich unter der Überschrift „Chance für mehr Klimaschutz verpasst“ zusammenfassen. Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) vermisst Impulse für den Ausbau der Erneuerbaren Energien. BEE-Präsidentin Simone Peter: "Mit einem entsprechenden ordnungsrechtlichen Rahmen hätte man ein deutliches politisches Zeichen zugunsten des Klimaschutzes setzen können. Leider hat die Bundesregierung diese Chance mit dem Referentenentwurf nicht ergriffen."
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Der Energieberaterverband GIH begrüßt zwar die geplanten bürokratischen Vereinfachungen, die höhere Planungssicherheit für Gebäudeeigentümer und Energieberater sowie eine Öffnung des Beratermarkts für Handwerksmeister. Gleichzeitig vermisst er jedoch Fortschritte beim Niedrigstenergiestandard und den Energieausweisen. „Mit Blick auf die Anforderungen von Seiten der EU geht uns der Entwurf nicht weit genug“, bemängelt der GIH-Bundesvorsitzende Jürgen Leppig. Er kann sich nicht vorstellen, „dass sich die EU, deren Erwartung an ein Niedrigenergiegebäude bei keinem oder einem nur sehr geringen Energiebedarf liegt, mit einer Lösung abspeisen lässt, die in etwa dem KfW-Standard 70 gleichkommt.“
Für Leppig ist klar, dass sich damit weder die Energiewende umsetzen, noch die zugesagten EU-Klimaschutzziele für 2030 und 2050 einhalten lassen. Und Simone Peter vom BEE weist darauf hin, dass der Gesetzentwurf es nicht nur verpasse, einen EU-konformen Standard für Niedrigstenergiegebäude zu definieren. Die Bundesregierung bleibe damit sogar hinter ihrer eigenen Effizienzstrategie „Gebäude“ zurück, die im Durchschnitt ein Effizienzhaus-Standard 55-Niveau für notwendig hält. Auch werde die Sanierung des Gebäudebestands „völlig unzureichend berücksichtigt“.
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Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert zudem die zahlreichen Ausnahmen für Bestandsgebäude, etwa beim Kesseltausch. Die Umweltschutzorganisation fordert, den Einbau neuer Ölheizungen ab 2020 zu verbieten. Überdies müssten sich die Energieausweise für alle Gebäude am tatsächlichen Energiebedarf orientieren. Die stellvertretende DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz forderte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) auf, den Entwurf zurückzuziehen und „deutlich nachzubessern“.
Nur die Immobilienbranche jubelt
Zufrieden zeigt sich jedoch die Immobilienbranche: Der KfW-Effizienzstandard 55 etwa sei technisch kaum noch machbar und wirtschaftlich nicht mehr darstellbar und der Effekt für den CO2-Ausstoß allenfalls gering. Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) freute sich darüber, dass die Bundesregierung die bisherigen EnEV-Standards unverändert lasse und auf ein breiteres technisches Wirkungskonzept setze. Laut einem Gutachten hätte er die Fertigungskosten um 19 Prozent verteuert. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland (BID) hatte vorgerechnet, dass 40 Wohnungen damit um 650.000 Euro teurer geworden wären.
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Hinsichtlich der Energienutzung zeigen sich vor allem Verbände der Erneuerbaren Energien unzufrieden: Das Hauptstadtbüro Bioenergie kritisiert, dass der Gesetzentwurf die Einbindung bewährter erneuerbare Optionen wie Biogas, Holz oder andere Biomassen vernachlässige. Überdies sei die bestehende Stromgutschriftmethode zur Berechnung des Primärenergiefaktors für Wärme aus Kraft-Wärme-Kopplungs-(KWK)-Anlagen beibehalten worden. Damit fehlten jedoch weiterhin Anreize, in Wärmenetzen erneuerbare Energien einzusetzen.
Berechnungschaos
Auf Kritik stößt bei mehreren Branchenverbänden aus dem Bioenergiebereich, dass bei der Berechnung des Primärenergiebedarfs eines Gebäudes oder Wärmenetzes die Wärme aus Biogas mit Wärme aus Erdgas, Flüssiggas, Heizöl und Steinkohle gleichgesetzt werde. Es gebe keine Nutzungspflicht der Erneuerbaren für den gesamten Gebäudebestand. Der Biogasrat+ fordert den Heizungsaustausch gekoppelt an den Einsatz von erneuerbaren Energien steuerlich zu fördern. Der Bundesverband Wärmepumpe, der naturgemäß Wärmepumpen als führende erneuerbare Heiztechnologie sieht, hingegen ärgert sich, dass „konventionellen Energieträgern auch in der aktualisierten Gesetzesvorlage nach wie vor zu viel Spielraum eingeräumt wird“.
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Das Thema „Graue Energie“ spielt schließlich im Gesetzesentwurf überhaupt keine Rolle, obgleich die Ökobilanz beim Bau öffentlicher Gebäude bereits die verwendeten Rohstoffe berücksichtigt werden müssen. Insbesondere die Herstellung von Beton, Zement und Stahl sind energieintensiv. Das Bauwende-Bündnis weist darauf hin, dass beim gegenwärtigen Bauen die Hälfte der Energie, die ein Haus über den gesamten Lebenszyklus verbraucht, bereits mit der Herstellung verbraucht ist. Es setzt sich deshalb dafür ein, dass Klimaschutz und Ressourcenschonung im Bausektor eine größere Rolle spielen. Beispielsweis könnten Förderungen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Anreize für die Bauindustrie setzen, den Einsatz von grauer Energie zu verringern.
Die Deutsche Umwelthilfe kritisiert schließlich, dass sich das Wirtschaftsministerium mit dem Entwurf so lange Zeit gelassen hat. Ursprünglich sollte er bereits im Januar 2018 vorgestellt werden. Ähnlich sieht das auch der Verband für Wärmelieferungen. Dessen Geschäftsführer Tobias Dworschak sagt: „Verzögerungen von mehreren Jahren wie beim aktuellen Gebäudeenergiegesetz können wir uns im Hinblick auf den stetig voranschreitenden Klimawandel nicht mehr erlauben.“
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