BMWFW/ AUSTRIAN STANDARDS : Neues Normengesetz in Begutachtung

Alle Kritikpunkte zum neuen Normengesetz findet man auf der Internetseite von Austrian Standards.
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Vizekanzler und Bundesminister Reinhold Mitterlehner

will die von vielen beklagte Normungsflut eindämmen und

für eine kostenlose Teilnahme an der Normung sorgen. Bild: BMWFW/Jakob Glaser Österreichs Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner hat Ende Juni 2015 ein neues Normengesetz in die Begutachtung versandt. „Wir wollen die Transparenz und Steuerung des nationalen Normenwesens verbessern, um die von vielen Wirtschaftstreibenden beklagte Normenflut einzudämmen. Darüber hinaus ermöglichen wir eine kostenlose Teilnahme an der Normung, was vor allem Klein- und Mittelbetrieben hilft“, sagt Mitterlehner. Laut Gesetzesentwurf wird eine Normung in Zukunft nur mehr auf Antrag mit konkreten Begründungen erfolgen. Auch die Kosteneffekte müssen sofort transparent gemacht werden. Zusätzlich gibt es ein neues Einspruchsrecht gegen Normungsanträge, das von einer gesetzlich eingerichteten Schlichtungsstelle behandelt wird. „Das wird mit dazu beitragen, unnötige Normungsvorhaben zu reduzieren“, so Mitterlehner.

Kostenlose Teilnahme

Die Teilnahme an der Normung, also in den Normengremien, soll in Zukunft kostenlos sein. Damit trägt der Gesetzesentwurf vor allem den Anliegen von Klein- und Mittelbetrieben (KMU) und Ein-Personen-Unternehmen (EPU) Rechnung. Derzeit muss jeder Teilnehmer einen Beitrag von 450 Euro zuzüglich Umsatzsteuer bezahlen. Hochgerechnet auf die rund 3.500 Teilnehmer an der Normung ergibt sich eine Ersparnis von rund 1,7 Millionen Euro pro Jahr. Darüber hinaus wird geregelt, dass Normen, die vom Bundes- oder einem Landesgesetzgeber verbindlich erklärt werden, im gesamten Wortlaut kostenlos zu veröffentlichen sind. Damit sollen die Rechtsanwender vollen Zugang zum Inhalt haben.

Mehr Nachvollziehbarkeit und Transparenz

Weiters sieht der Gesetzesentwurf ein stärkeres Aufsichtsrecht der öffentlichen Hand vor. Daher soll es ein Lenkungsgremium unter Teilnahme von Vertretern des Bundes und der Länder geben, um die nationalen Programme besser zu steuern. In diesem Sinne wird auch das Aufsichtsrecht des Wirtschaftsministeriums, das bisher auf Anfragen beschränkt war, konkretisiert und erweitert. Zusätzlich werden die Anforderungen an die Geschäftsordnung der Normungsorganisation erweitert, um insbesondere eine ausgewogene Mitwirkung aller Stakeholder zu sichern und mehr Transparenz zu ermöglichen.

Der Entwurf macht den gesamten Normungsprozess nachvollziehbarer und transparenter. Die Normungsorganisation muss in Zukunft eine Datenbank führen, in der bei allen Normen der vollständige Titel, die Nummer, eine Zusammenfassung des Inhalts, der Status und die Information, ob es sich bei der Norm um ein nationales oder europäisches Normungsvorhaben handelt, aufzulisten sind. Bei nationalen Normen ist außerdem der Antragssteller anzugeben. Das Datum des Inkrafttretens und der Veröffentlichung der Norm sind ebenfalls ersichtlich zu machen.

Der Gesetzesentwurf berücksichtigt auch die Normungsverordnung der Europäischen Union und erfüllt dadurch die Anforderungen der internationalen Normung.

Die Begutachtungsfrist läuft bis zum 3. August 2015. In Kraft treten soll das neue Normengesetz am 1. Jänner 2016.

Massive Kritik von Austrian Standards

Austrian Standards hat am 7. Juli 2015 eine vorläufige Stellungnahme zum Entwurf des Normengesetzes versandt. Eine umfassende Stellungnahme wird bis 3. August übermittelt werden. Hier eine Übersicht der zentralen Mängel und Kritikpunkte:

Der Gesetzentwurf enthalte mehrere offensichtlich verfassungswidrige Bestimmungen, u.a.:

• Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes durch Ungleichbehandlung der allgemeinen Normung gegenüber der elektrotechnischen Normung und durch Diskriminierung von Normungsvereinen gegenüber anderen Vereinen;

• Eingriffe in den Kern der Vereinsfreiheit, insbesondere in deren wirtschaftliche Selbstverantwortung und in deren Recht auf freie Organkreation;

• Eingriffe in die Grundrechte des Eigentums und der Erwerbsfreiheit durch eine entschädigungslose Enteignung (Finanzbestimmungen, Verbot der Beiträge) sowie durch eine entschädigungslose Verstaatlichung (Zwangslizenz, Zwangsmitgliedschaft staatlicher Organe im Vorstand, staatliches Vetorecht);

• ein in der Verfassung nicht gedecktes Weisungsrecht an eine nichtstaatliche Institution;

• Beseitigung der von der Verfassung geforderten verwaltungsgerichtlichen Beschwerdemöglichkeit;

• finanzielle Verpflichtung der Länder, die der einfache Bundesgesetzgeber aus Kompetenzgründen nicht vorsehen kann

Die Ziele des Regierungsprogramms werden laut Austrian Standards nicht umsetzt, insbesondere betreffend Neuausrichtung der Finanzstruktur des Normenwesens unter gleichzeitiger Entlastung der Anwender sowie

•im Kontext des erleichterten Zugangs zu Normen und

•in Bezug auf die Mitarbeit im Normungsprozess für KMU.

Normung nur für jene, die es sich leisten können?

Für viele wohl der massivste und schwerwiegendste Beschwerdepunkt:

Der Entwurf ermögliche nationale Normung nur mehr für jene, die sich die Vollkosten eines Normungsprojekts leisten können!

Das international kompatible Finanzierungsmodell des österreichischen Normungssystems, das sich derzeit zu mehr als 90 % finanziell selbst trägt, würde zerstört und würde damit eine bedeutende Subvention aus Steuermitteln bewirken.

Die Teilnahme Österreichs an der europäischen und internationalen Normung würde unmöglich gemacht, da die hier vorgesehenen Rahmenbedingungen für ein Normungsinstitut in Widerspruch zu den Mitgliedschaftskriterien europäischer und internationaler Normungsorganisationen stehen.

Österreich würde seine Stimme bei der Entwicklung von europäischen und internationalen Standards, die Grundlage für Wettbewerbsfähigkeit und insbesondere für den Export sind, verlieren und würde auch von den technologischen Entwicklungen abgeschnitten.

Österreichische Unternehmen müssten für Normtexte hohe Preise und Urheberrechtsabgeltungen ins Ausland zahlen.