Studie Energiekonzept 2040 : Energiewende funktioniert mit klimaneutralen Gasen besser

Anlage in Oberösterreich, bei der aus erneuerbarem Strom Wasserstoff hergestellt wird, der dann im weltweit ersten geologischen H2-Speicher für den Winter gelagert wird

Ein richtungsweisendes Projekt, bei dem erneuerbarer Strom (in Form von H2) im weltweit ersten geologischen Wasserstoffspeicher für den Winter nutzbar gemacht wird, ging heuer in Oberösterreich in Betrieb.

- © HLK/ E. Herrmann

Zwei Wege in eine klimaneutrale Energiezukunft Österreichs nahm das internationale Beratungsunternehmen Compass Lexecon unter die Lupe. Die aktuelle Studie „Energiekonzept 2040“ analysiert die Entwicklung der Energieversorgung bis 2040 – jenen Zeitpunkt also, ab dem Österreichs Energiesystem vollständig dekarbonisiert sein soll und folglich keine fossilen Energieträger mehr eingesetzt werden sollen. Die Studie, die in Teilen erstmals im Juni 2023 beim Zukunftsforum Grünes Gas in Wien vorgestellt wurde, zeigt zwei Wege auf, wie dieses Ziel erreicht werden kann und vergleicht die beiden Szenarien.
Beide Szenarien berücksichtigen eine energetische Sanierung des Gebäudebestands von rund 1,2 % auf Basis einer Studie des Umweltbundesamtes sowie nachhaltige Effekte der aktuellen Energiekrise auf den Gas- und Stromverbrauch.

Die beiden Energieszenarien

Das Szenario „starke Elektrifizierung“ in allen Sektoren bedeutet konkret den vollständigen Ausstieg aus Gasheizungen, eine starke Elektrifizierung von Industrie und Gewerbe sowie die vollständige Elektrifizierung des Mobilitätssektors. Auch in diesem Szenario kommt klimaneutrales Gas weiterhin zur Strom- und Fernwärmeerzeugung sowie in der Industrie zum Einsatz: Biomethan, erzeugt aus landwirtschaftlichen Reststoffen sowie Wasserstoff, gewonnen aus Ökostrom. Um im Sommer produzierten grünen Strom im Winter nutzbar zu machen, muss dieser in Wasserstoff umgewandelt und gespeichert werden. Auch das Szenario „starke Elektrifizierung“ funktioniert nur mit (klimaneutralem) Gas.
Im Szenario „diversifizierter Energieträgermix“ wird die Dekarbonisierung auch durch die direkte Nutzung klimaneutraler Gase wie beispielsweise Biomethan in den Haushalten und im Gewerbe sowie einem höheren Einsatz von klimaneutralem Wasserstoff in der Industrie erreicht. Dieses technologieoffenere Vorgehen ist in der Praxis leichter und kostengünstiger umsetzbar, zumal die bereits bestehende Gasinfrastruktur mit ihrem Versorgungsnetz und ihren Gasspeichern weiterhin genutzt wird.

Kernaussagen der Studie

Beide Szenarien (starke Elektrifizierung, diversifizierter Energieträgermix) benötigen große Mengen der klimaneutralen Gase Biomethan und grüner Wasserstoff. 2040 werden in Österreich in beiden Szenarien 20 Terrawattstunden (TWh) Biomethan eingesetzt, beide Szenarien erfordern auch den Produktionshochlauf für Wasserstoff in Österreich. Das Potenzial der inländischen Wasserstoffproduktion bis 2040 liegt bei 25 TWh. In beiden Szenarien ist der H2-Gesamtbedarf jedoch deutlich höher:
• 66 TWh beim Szenario mit „starker Elektrifizierung“
• 98 TWh beim Szenario mit „diversifiziertem Energieträgermix“
Wasserstoff-Importe werden also erforderlich sein
. Investitionen in eine Adaption des Gasnetzes für Import und Verteilung des Wasserstoffs blieben dabei aber bisher überschaubar.

Strom – im Winter ein knappes Gut

Das Zukunftsszenario mit einer starken Elektrifizierung des Energiesystems birgt neben vergleichsweise höheren Investitionen für den Ausbau der Stromgewinnung, -infrastruktur und der -anwendung weitere Herausforderungen: Die Studie berechnet signifikante Unterschiede der beiden Szenarien beim künftigen Stromverbrauch. Im „stark elektrifizierten“ Szenario kann Österreich die benötigte Strommenge bis 2040 nicht aus eigener Produktion decken (siehe Grafik), was einen Anstieg der Stromimporte nach sich ziehen und zu mehr Abhängigkeit vom Ausland führen würde.
Erneuerbarer Strom ist in den Wintermonaten nicht nur in Österreich Mangelware
, sondern in ganz Europa. Auch die Nachbarländer Österreichs stehen im Zuge der Energiewende vor ähnlichen Herausforderungen.
Im Szenario „diversifizierter Energieträgermix“ hingegen wird der österreichische Energiebedarf durch Strom und klimaneutrales Gas gedeckt, mit dem Resultat, dass Österreich 2040 Netto-Stromexporteur sein könnte. Auch die Investitionskosten sind im Vergleich zur anderen Variante geringer. Vom Gesichtspunkt der Versorgungssicherheit aus, ist ein diversifizierter Energiemix folglich sinnvoller, weil in beiden Szenarien ohnehin Wasserstoffimporte notwendig sind.

Stromimporte der unterschiedlichen Untersuchungsszenarien
© Quelle - FGW

Ist Importstrom immer klimaneutral?

Beim Zukunftsszenario mit starker Elektrifizierung des Energiesystems kommt zudem ein Übergangsproblem hinzu: Der importierte Strom aus einigen Nachbarländern wird basierend auf EU-Vorgaben erst ab 2050 „planmäßig“ CO2-neutral sein. Wird Österreich bis 2050 aus diesen Ländern mit Strom beliefert, so stammt dieser zumindest teilweise aus Kraftwerken, die weiterhin fossile Energieträger nutzen. Dieser Umstand erhöht den CO2-Ausstoß in den Produktionsländern und unterläuft Österreichs Ziel, ab 2040 nur noch erneuerbare Energieträger einzusetzen.
Noch eine Frage stellt sich: Will man im Winter Atomstrom nach Österreich importieren, auch wenn er als „CO2-frei“ angesehen werden könnte (aber nicht als „emissionslos“ – über 6.000 km² sind bis heute für menschliche Nutzung wegen der Radioaktivität durch die Tschernobyl-Katastrophe unbrauchbar; Böden in halb Europa sind teilweise noch immer mehr oder weniger stark radioaktiv belastet)?

Solide Versorgung – geringere Risiken

Der „diversifizierte Energieträgermix“ steht für sichere Energieversorgung und mehr Unabhängigkeit von Stromimporten. Sein Fundament ist die gut ausgebaute Gasinfrastruktur. Allein Österreichs großvolumige Gasspeicher haben derzeit eine Kapazität von rund 97 TWh. Diese Energiemenge entspricht in etwa 40 % des heutigen Gesamtenergiebedarfs Österreichs.
Die vorhandenen Gasspeicher stellen in Zukunft auch die „Batterien“ für die Energiewende dar. Sie werden künftig auch klimaneutrale Gase wie grünen Wasserstoff aus Wind und Photovoltaik speichern können, bis er benötigt wird.
Die Gasspeicher sind also nicht nur Garant der Versorgungssicherheit des Landes, sondern bilden auch eine solide Basis für den Aufbau einer Wasserstoff- und Biomethanindustrie in Österreich.
Dass sich in Österreich seit heuer der weltweit erste geologische Wasserstoff-Speicher befindet, wo erneuerbarer Strom in Form von Wasserstoff bereits speicherbar gemacht wird, sei an dieser Stelle angemerkt (HLK berichtete ausführlich in der Printausgabe VI-2023).