Bundessparte Gewerbe und Handwerk WKÖ : Anreize setzen, um die Konjunktur-Talfahrt zu stoppen

Christina Enichlmair (KMU Forschung Austria), Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der WKÖ, Reinhard Kainz (GF der Bundessparte Gewerbe und Handwerk).

Berichteten über die konjunkturelle Situation im Gewerbe und Handwerk (v. l.): Christina Enichlmair (KMU Forschung Austria), Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der WKÖ, Reinhard Kainz (GF der Bundessparte Gewerbe und Handwerk).

- © HLK/ E. Herrmann

Die Zahlen sind, wie sie sind. Da gibt es nichts zu beschönigen. Die konjunkturelle Situation im Gewerbe und Handwerk ist alles andere als erfreulich“, sagte Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). Gemeinsam mit KMU Forschung Austria präsentierte sie am 09. Jänner 2024 die aktuelle Lage des Gewerbe und Handwerks im Rahmen eines Pressegesprächs in Wien.
Dass in Österreich 240.902 Unternehmen zum Gewerbe und Handwerk zählen (von insgesamt 539.973 Unternehmen in Österreich) und diese 831.144 Menschen (von 2,8 Mio. unselbstständig Beschäftigten) Arbeit geben, sei der Form halber erwähnt.

Ergebnisse der Konjunkturbeobachtung

Die Umsätze sind im Gewerbe und Handwerk in Österreich im Gesamtjahr 2023 nach vorläufiger Schätzung um -3,0 % nominell (wertmäßig) bzw. um -9,5 % real (mengenmäßig) gesunken. Das reale Umsatzminus 2023 dürfte somit höher als im Corona-Jahr 2020 ausfallen (damals -9,0 %).
Seit der Pandemie 2020 konnte das Gewerbe und Handwerk in Österreich in keinem einzigen Jahr (!) ein reales Umsatzplus erwirtschaften
(2020: -9,0 %, 2021: -0,4 %, 2022: -3,5 %).
So verzeichneten alle investitionsgüternahen Branchen im vierten Quartal 2023 Auftragsrückgänge. Im Schnitt sank der Auftragsbestand um 14,5 %. Besonders drastisch fielen die Rückgänge für die Hafner, Platten-, Fliesenleger und Keramiker mit -34,5 %, die Tischler und Holzgestaltenden Gewerbe mit -21,8 % sowie für Gärtner/Floristen (-17,9 %) und Metalltechniker (-16,6 %) aus.
In den konsumnahen Branchen meldeten die Betriebe im vierten Quartal 2023 ebenfalls überwiegend Umsatzrückgänge: Keine einzige Branche konnte einen positiven Saldo verzeichnen – die Rückgänge hier sind zum Teil dramatisch.
Eine Erholung von der Corona-Pandemie wurde durch die Vielfalt aktueller Herausforderungen im Gewerbe und Handwerk zunichte gemacht“, kommentierte Christina Enichlmair von KMU Forschung Austria. „Aus der Umfrage und den Kommentaren lässt sich nicht herauslesen, dass die Talsohle bereits erreicht wäre.

Gedämpfte Erwartungen zu Jahresbeginn 2024

Zum Jahresauftakt 2024 sind die Erwartungen weiterhin sehr gedämpft, wie KMU Forschung Austria bei den Unternehmen erhob: Nur 12 % der Betriebe erwarten Steigerungen, 50 % erwarten Stagnation und 38 % gehen sogar von weiteren Umsatz- oder Auftragsrückgängen aus. Mit minus 26 Prozentpunkten ist der Saldo damit ähnlich negativ wie während der Corona-Pandemie; in den baunahen Branchen wird sogar mit noch schlechteren Geschäften als damals gerechnet.
Es sei deshalb „höchst an der Zeit, die Talfahrt zu stoppen und den Stimmungsumschwung einzuleiten“, plädiert Scheichelbauer-Schuster. Die Spartenobfrau sieht den schwachen Konjunkturdaten zum Trotz dafür intakte Voraussetzungen: „Die Lohnabschlüsse haben Planbarkeit gebracht und die Kaufkraft gestützt. Die Inflation wird 2024 auch in Österreich sinken, das stärkt den Konsum. Wir werden aber auch Investitionen brauchen, um aus der Rezession zu steuern. Dafür brauchen wir mehr Zuversicht.
Wirtschaftsforscher Holger Bonin und AMS-Chef Johannes Kopf hatten sich rund um den Jahreswechsel 23/24 für gezielte Unterstützungsmaßnahmen zugunsten der Baukonjunktur ausgesprochen, insbesondere im Wohnbau. Das sei auch möglich, ohne die Inflation zu befeuern. „Wir teilen die Einschätzung der Experten, dass diese Anreize zur Ankurbelung des Wohnbaus gezielt und rasch wirksam sein müssen“, so Reinhard Kainz, Geschäftsführer der Bundessparte Gewerbe und Handwerk. Für mehr Investitionsfreude wäre eine spürbare Entlastung der Betriebe notwendig.

Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der WKÖ
Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der WKÖ, appelliert an die Regierung, dass diese jetzt mehr Anreize im Wohnbau setzt und den Handwerkerbonus NEU wieder aufleben lässt. - © HLK/ E. Herrmann

Anreize für den Wohnbau schaffen

Konkret schlägt die Bundessparte Gewerbe und Handwerk der WKÖ folgende Maßnahmen vor, um vor allem im Wohnbau Anreize zu setzen:
Private Bauwerber könnten steuerlich begünstigt werden, indem 100.000 Euro als Sonderausgabe für die Wohnraumschaffung absetzbar werden. Zugleich sollten auch Kredit-Rückzahlungen oder Zinsen steuerlich geltend gemacht werden können und Nebenkosten (Grunderwerbssteuer bis 1,5 Mio. Euro, Gebühren für Grundbuch- und Hypotheken-Eintragung) entfallen.
Auch für Bauträger könnte die Finanzierung durch steuerliche Entlastungen erleichtert werden. Dafür bieten sich als erprobtes Instrument Abschreibungen an – etwa durch eine Verdoppelung der linearen AfA (Abschreibung für Abnutzung) für Wohngebäude von 1,5 auf 3 % bzw. das Wieder-Ermöglichen der degressiven AfA von 30 %.
Anpassung der KIM-Verordnung für die Kreditvergabe: Eine Anhebung der zulässigen Schuldendienstquote von 40 auf 45 % und der Beleihungsquote von 90 auf 95 % würde insbesondere für Jungfamilien die Leistbarkeit von Wohnkrediten deutlich verbessern.
Die Wiedereinführung eines Handwerkerbonus NEU würde die regionale Wertschöpfung besonders beleben. Diese Maßnahme hatte sich von 2014 bis 2017 als Win-win-win-Situation für Konsumenten (m/w/d), regionale Wirtschaft und Staat erwiesen.

Sie möchten wichtige News aus der HLK-Branche nicht verpassen? Dann abonnieren Sie unseren kostenlosen wöchentlichen HLK-Newsletter! Hier geht’s zur Anmeldung.