Kritik am Entwurf der Regierung : Ziviltechniker sehen Unabhängigkeit in Gefahr
Das Berufsgesetz der Ziviltechniker in Österreich verstößt gemäß Urteil des Europäischen Gerichtshofs (ECLI:EU:C:2019:632) gegen die Dienstleistungsrichtlinie. Österreich muss nun das Ziviltechnikergesetz ändern. Aber der nun vorliegende, in Begutachtung befindliche heimische Gesetzesentwurf, mit dem den Forderungen der EU-Kommission bzw. des EuGH-Urteils entsprochen werden soll, schießt allerdings weit über das Ziel hinaus und gehe zu Lasten der Ziviltechniker und Dienstleistungsempfangenden (Konsumenten/Verbraucher). So ist zumindest die Meinung der Ziviltechniker (ZT), die in einem österreichweiten Schulterschluss den Gesetzesentwurf massiv kritisieren. Ohne Not werde ein ganzer Berufsstand in Österreich bedroht, und zwar nicht unbedingt durch das EuGH-Urteil, sondern viel mehr durch den Gesetzesentwurf der österreichischen Regierung.
Warum die Ziviltechniker aufschreien
Unter dem Begriff Ziviltechniker sind verschiedene, hauptsächlich baubezogene Berufsgruppen aus dem Ingenieurswesen bis hin zu Architekten zusammengefasst. Sie sind unabhängige Experten, die z. B. bei der Beurteilung von Baufortschritten zur Veranlassung von Teilzahlungen tätig werden oder bei der Abgabe einer Bau-Fertigstellungsanzeige. Diesen „technischen Notaren“ kommt eine wichtige Rolle als unabhängige Experten (m/w/d) zu. Aber genau das könnte durch die Gesetzesnovelle stark aufgeweicht werden. Die sieht nämlich vor, dass Ziviltechniker in „interdisziplinäre“ Gesellschaftskonstruktionen, also gemeinsam mit anderen Berufsgruppen, geparkt werden können, und diese Gesellschaften dann wiederum als Minderheitsbeteiligung einer weiteren Gesellschaft die Befugnisse eines Ziviltechnikerbüros einverleiben können.
„Das ist keine Verwässerung, sondern eine durch Interessenvermengung De-facto-Beseitigung des österreichischen Modells der Ziviltechniker. Dass nicht-ausführungsberechtigte EU-AusländerInnen jetzt ohne angemessenen Schranken gleichgestellt und beurkundungsfähig werden sollen, ist eine weitere, überschießende Maßnahme“, erklärt dazu SPÖ-Wohnbausprecherin Ruth Becher in einer Aussendung. Auch seitens der FPÖ kritisiert man den Gesetzesentwurf der Regierung heftig.
Ein Gegenentwurf
„Die Bedeutung kritischer, hochqualifizierter und unabhängiger Experten für die Gesellschaft wird offenbar nicht erkannt, beziehungsweise bewusst aufs Spiel gesetzt“, warnt Erich Kern, Präsident der Kammer der Ziviltechnikerinnen/Architektinnen und Ingenieurinnen WNB.
„Wir fordern, die überschießenden Regelungen ebenso wie die zahlreichen Widersprüche der Gesetzesvorlage zu korrigieren und zeigen in unserer Stellungnahme auf, welche Maßnahmen zu setzen sind, um den Berufsstand der Ziviltechniker zu retten, der Täuschung von Konsumentinnen und Konsumenten - den Dienstleistungsempfangenden - entgegen zu wirken sowie Verbraucherschutz zu gewährleisten und dem EuGH-Urteil zu entsprechen“.
Alle ZT:Länderkammern und die Bundeskammer begrüßen die Lösungsideen von Präsident Erich Kern, unterstützen und teilen diese Forderungen vollinhaltlich.
Petition unterstützbar
Im Namen der zt:Länderkammern und unterfertigt von allen Präsidenten brachte die Ziviltechnikerkammer zur Novelle des Ziviltechnikergesetzes 2019 eine Stellungnahme beim Österreichischen Parlament ein und bittet alle Österreicher (m/w/d) die Petition der ZT zu unterstützen.
Hier geht es zur Stellungnahme zum Gesetzesentwurf und zur Petition der Ziviltechniker auf der Parlamentsseite, die noch bis 11. September 2020 unterstützt werden kann.