Kommentar : Willkommen in Katowice

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© kilhan - stock.adobe.com

Partout Polen. Wenn die rund 25.000 Teilnehmer der Weltklimakonferenz in den nächsten Tagen in Katowice ankommen, aus ihren Zügen, Flugzeugen und Autos steigen, werden sie olfaktorisch womöglich gleich damit konfrontiert, was ineffiziente und ressourcenverschwendende Energiepolitik anrichten kann: ein wenig Kohlegeruch wird in die Nasen der Teilnehmer kriechen, Smog womöglich das Atmen erschweren.

Willkommen in Katowice, einer Stadt, die symbolhaft für das Versäumnis Polens steht, auf erneuerbare Energien umzusteigen. Europas größter Kohlekonzern, die Polska Grupa Górnicza, hat hier ihren Hauptsitz, 32.000 Menschen sind alleine in der Region um Katowice vom Kohleabbau abhängig, mehr als 80.000 in ganz Polen. Jeder Bürger in Katowice atmet pro Jahr wegen des Smogs ie Schadstoffe von 1.711 Zigaretten zusätzlich ein. Teilnehmer des Klimagipfels werden also in den zwei Wochen mehr als 65 Zigaretten rauchen, ohne überhaupt eine Zigarette angerührt zu haben.

Willkommen in Polen, einem Land, das noch immer Energiepolitik betreibt, als würden wir das Jahr 1960 schreiben. 80 Prozent des Energiebedarfs werden durch Kohlestrom gedeckt und die nationalkonservative Regierung hat es mit einem Wechsel zu anderen Energieformen nicht eilig. Im Jahr 2030 sollen noch immer 60 Prozent der Energie von Kohlekraftwerken kommen. Soll Polen seinen Anteil an den Pariser Klimazielen einbringen können, müsste der Anteil des Kohlestroms auf 39 Prozent gesenkt werden.

Das wird nicht passieren. Polen ist ein energiepolitischer Modernisierungsverlierer, der Energie-Paria der EU – und hat bisher keinerlei Anstrengungen unternommen, über Alternativen nachzudenken. Dabei wäre es dringend an der Zeit: jährlich sterben in Polen rund 50.000 Menschen an den Folgen der Luftverschmutzung, die Städte, auch Katowice, führen die europäischen Ranglisten an, wenn es um Luftverschmutzung geht. Die nationalkonservative Regierung in Warschau, stets bemüht, realitätselastisch zu argumentieren, dünkt das kaum: „Polen lehnt die EU-Klimaziele für das Jahr 2030 ab, weil diese einen negativen Einfluss auf den Elektrizitätssektor und die Wirtschaft als Ganzes haben würden“, heißt es in einem Positionspapier des polnischen Energieministeriums. Nur knapp 15 Prozent des polnischen Strommixes kommen derzeit aus erneuerbaren Energien.

Das polnische Energieministerium hat recht. Ein Land, das energiewirtschaftlich in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts stecken geblieben ist, könnte tatsächlich schwer davon getroffen werden, wenn es in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts plötzlich seine gesamte Energiewirtschaft auf die Klimaziele von Paris ausrichten müsste. Polen hat keine Energiestrategie, sondern nur eine momenthafte Energiepolitik, die auf den Partikularinteressen der Regierung basiert. Und darauf, dass die EU ihre eigenen Klimaziele sabotiert, indem Kohlekraftwerke in ganz Europa noch jahrelang mit EU-Geldern gefördert werden. So wird Kohlestrom wirtschaftlich – und das ist dann wieder neue Munition für die Argumentarien der Realitätsverweigerer in Warschau.

Schade für Polen. Denn Klimapolitik sorgt nebenbei auch für ein dynamisches Investitionsklima. Jährlich 180 Milliarden Euro müssen nach Schätzungen der EU-Kommission bis zum Jahr 2030 aufgebracht werden, um die Transformation in eine kohlenstoffarme Wirtschaft zu stemmen. Ein Markt, reguliert und getrieben durch internationale Verträge; ein Markt, der sich in Polen aber wohl deutlich langsamer entwickeln wird.

Willkommen in Katowice. Wenn die Gipfelteilnehmer in den kommenden zwei Wochen durch das Konferenzgelände laufen, wird ihnen an der einen oder anderen Stelle ein orange-schwarzes Logo mit dem Schriftzug JSW SA auffallen. Es ist jenes der Jastrzębska Spółka Węglowa, einem der größten Kohleabbauunternehmen Polens. Und einem der Hauptsponsoren der Weltklimakonferenz.