EU-KOMMISSION : Sicherheit der Energieversorgung in der EU
Auf seiner Tagung vom März 2014 verpflichtete der Europäische Rat die Kommission dazu, eine detaillierte Studie über die europäische Energieversorgungssicherheit durchzuführen und einen umfassenden Plan zur Verringerung der Energieabhängigkeit der EU vorzulegen. Das hat die Europäische Kommission Ende Mai 2014 nun getan. Die Diversifizierung der ausländischen Energielieferungen, der Ausbau der Energieinfrastruktur, die Vollendung des EU-Energiebinnenmarkts und Energieeinsparmaßnahmen sind die wichtigsten Punkte, welche die Europäische Kommission jüngst zur Stärkung der Energieversorgungssicherheit präsentierte. In der Strategie wird zudem die Notwendigkeit hervorgehoben, nationale energiepolitische Entscheidungen zu koordinieren und bei den Verhandlungen mit externen Partnern mit einer Stimme zu sprechen. Die Strategie baut auf den Fortschritten auf, die seit der Krise im Jahr 2009 bereits erzielt wurden. Die Vorschläge der Kommission, die Maßnahmen zur Sicherung einer unterbrechungsfreien Versorgung in diesem Winter einschließen, werden von den europäischen Staats- und Regierungschefs auf der Tagung des Europäischen Rates am 26. /27. Juni 2014 erörtert.
Meinungen Barroso´s und Oettinger´s
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso erklärte: „Die EU hat nach der Gaskrise 2009 viel für die Verbesserung ihrer Energieversorgungssicherheit getan. Dennoch ist diese nach wie vor gefährdet. Die Spannungen in der Ukraine haben dies erneut verdeutlicht. Angesichts einer Importabhängigkeit von insgesamt mehr als 50 % müssen wir weitere Schritte unternehmen. Die Kommission hat heute eine umfassende Strategie vorgelegt, die im Juni Gegenstand der Beratungen der EU-Staats- und Regierungschefs sein wird. Ich rechne auf ihre entschlossene Unterstützung, da eine Verbesserung der Energieversorgungssicherheit in unser aller Interesse liegt. In Fragen der Energieversorgung muss Europa mit einer Stimme sprechen und an einem Strang ziehen.“
EU-Energiekommissar Günther Oettinger äußerte sich dazu wie folgt: „Wir wollen starke und stabile Partnerschaften mit wichtigen Lieferländern, müssen aber vermeiden, dass wir politisch und kommerziell erpressbar werden. Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben eine lange Liste mit Hausaufgaben vor sich: Gemeinsam müssen wir unsere Solidarität mit den stärker gefährdeten Mitgliedstaaten stärken. Außerdem müssen wir den Energiebinnenmarkt vollenden, unsere Infrastruktur verbessern, unsere Energieeffizienz steigern und unsere eigenen Energieressourcen besser nutzen. Ferner müssen wir die Diversifizierung der externen Energielieferanten, insbesondere der Gaslieferanten, schneller vorantreiben. Nur konkrete Maßnahmen werden dabei helfen.“
Stresstests für Gasversorgung
Um eine unterbrechungsfreie Versorgung im kommenden Winter gewährleisten zu können, schlägt die Kommission umfassende Risikobewertungen (Stresstests) vor. Diese sollen auf regionaler oder auf EU-Ebene stattfinden und eine Störung der Erdgasversorgung simulieren. Dabei soll geprüft werden, wie das Energiesystem Risiken bei der Versorgungssicherheit verkraften kann; darauf aufbauend sollen Notfallpläne entwickelt und Sicherungsmechanismen eingeführt werden. Solche Mechanismen könnten unter anderem Folgendes umfassen: eine Aufstockung der Gasvorräte, eine Senkung der Gasnachfrage durch die Umstellung auf andere Brennstoffe (insbesondere für Heizzwecke), die Entwicklung einer Notfall-Infrastruktur wie die Realisierung von Reverse-Flow-Möglichkeiten und die Zusammenlegung von Teilen der zur Garantie der Versorgungssicherheit vorhandenen Vorräte.
7 Maßnahmen
Um den mittel- und langfristigen Herausforderungen im Bereich der Versorgungssicherheit zu begegnen, schlägt die Kommission sieben Maßnahmen in mehreren Schlüsselbereichen vor:
1.Die Vollendung des Energiebinnenmarkts und der Bau fehlender Infrastrukturverbindungen sind von wesentlicher Bedeutung, um auf mögliche Versorgungsstörungen dadurch rasch reagieren zu können, dass die Energieflüsse in der EU dorthin gelenkt werden, wo sie benötigt werden. Die Kommission hat 33 Infrastrukturprojekte als für die Energieversorgungssicherheit der EU entscheidend ausgewiesen. Außerdem schlägt sie vor, das Ziel für den Verbundgrad der installierten Stromerzeugungskapazität bis 2030 auf 15 % zu erhöhen, wobei die Kostenaspekte und das Handelspotenzial in den betreffenden Regionen berücksichtigt werden. (Die Mitgliedstaaten haben sich bereits verpflichtet, bis 2020 einen Verbundgrad von 10 % zu erreichen).
2.Diversifizierung der Lieferländer und Versorgungswege: Im Jahr 2013 stammten volumenmäßig 39 % der Erdgaseinfuhren in die EU aus Russland, 33 % aus Norwegen und 22 % aus Nordafrika (Algerien, Libyen). Die EU wird ihre Beziehungen zu verlässlichen Partnern aufrechterhalten. Gleichzeitig strebt sie Beziehungen zu neuen Partnerländern sowie neue Versorgungsrouten an, z. B. in der Region des Kaspischen Beckens durch den Ausbau des Südlichen Gaskorridors, durch die Entwicklung des Mittelmeer-Gashubs und durch vermehrte Flüssiggaslieferungen.
3.Stärkung von Notfall- und Solidaritätsmechanismen und Schutz kritischer Infrastrukturen. In diesem Zusammenhang wird die Kommission z. B. die Bestimmungen und die Durchführung der Verordnung zur sicheren Erdgasversorgung überprüfen.
4.Erhöhung der einheimischen Energieproduktion: Dazu zählen unter anderem der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien und die nachhaltige Gewinnung fossiler Brennstoffe.
5.Verbesserte Koordinierung der nationalen Energiepolitiken und geschlossenes Auftreten in der externen Energiepolitik. Die Kommission will bei geplanten zwischenstaatlichen Abkommen mit Drittstaaten, die sich auf die Versorgungssicherheit auswirken könnten, frühzeitig beteiligt werden. Die Kommission wird ferner dafür sorgen, dass alle derartigen Vereinbarungen und alle Infrastrukturprojekte im Hoheitsgebiet der EU die einschlägigen EU-Vorschriften in vollem Umfang einhalten.
6.Weiterentwicklung von Energietechnologien.
7.Steigerung der Energieeffizienz: Da 40 % unseres Energieverbrauchs und ein Drittel unseres Erdgasverbrauchs auf Gebäude entfallen, spielt dieser Sektor eine entscheidende Rolle.
Reaktionen
„Bei allen Maßnahmen sollte Kosteneffizienz im Fokus stehen“, betont Stephan Schwarzer, Leiter der umwelt- und energiepolitischen Abteilung der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), anlässlich der präsentierten Mitteilung der Europäischen Kommission zur Strategie für eine sichere europäische Energieversorgung. „Weiter steigende Energiepreise gefährden den Wirtschaftsstandort Europa und die Wettbewerbsfähigkeit. Jede weitere Kostenbürde ist ein Handicap im globalen Wettbewerb“. Und weiter: „Der europaweite Ausbau von Erneuerbarer Energie hat in den letzten Jahren erfreulicherweise stark zugenommen. Dieser Aufwärtstrend soll fortgesetzt werden, wobei sinkende Produktionskosten an die Verbraucher weitergegeben werden sollen", betont Schwarzer.
Heftig fällt die Reaktion von Ulrike Lunacek, Vizepräsidentin der Grünen im Europäischen Parlament, auf den von Energiekommissar Oettinger präsentierten Vorschlag für eine Europäische Strategie für Energiesicherheit aus: „Was EU-Kommissar Günter Oettinger heute als Europäische Strategie für Energiesicherheit vorgestellt hat, steht absolut konträr zu unserem Grünen Plan einer Energiewende hin zu nachhaltigen Energien. Statt auf heimische, zukunftsfähige Erneuerbare setzt die Kommission auf den alten Energiemix aus Kohle, Atom und Schiefergas. Oettinger selbst hat zuletzt die Verringerung des Energieverbrauchs als einen Weg aus der Abhängigkeit von Russland genannt – jetzt findet sich dazu fast nichts in seiner Strategie. Kommissar Oettinger setzt damit seinen Kurs der Verantwortungslosigkeit fort und blockiert eine saubere und sichere Energiestrategie für die EU. Die Krise um die Ukraine und mit Russland zeigt, dass wir gemeinsame europäische Strategien zur Sicherung unserer Energieversorgung entwickeln müssen. Wir Grüne wollen einen europäischen Zukunftspakt für sichere, klimafreundliche und bezahlbare Energie. Wir brauchen ehrgeizige Ziele und Strategien für Erneuerbare Energien und Energieeinsparung. Die Energiewende wird nur europäisch gelingen und kann das große gemeinsame Zukunftsprojekt der Europäischen Union werden“.
Die von der Kommission angekündigten Sicherheits-Stresstests und die Entwicklung von Back-up-Mechanismen hält Walter Boltz, Vorstand des heimischen Strom- und Gasregulators E-Control und Vizepräsident der europäischen Energieregulatoren CEER, für einen guten Vorschlag. Für Österreich sei davon auszugehen, dass aufgrund der ausreichenden Gasinfrastruktur (Transport, Produktion und Speicher) ein Ausfall der russischen Lieferungen überbrückt werden kann. Zudem hat das Monitoring der Erfüllung des Versorgungsstandards im vergangenen Jahr bereits gezeigt, dass die Versorger in der Lage seien, ihre Gaskunden auch in Extremsituationen beliefern zu können. Die Überprüfung wird auch in diesem Sommer wieder von der E-Control vorgenommen.
Anmerkung: Die detaillierte Studie zur europäischen Energieversorgungssicherheit sowie die Mitteilung „Strategie für eine sichere europäische Energieversorgung“ findet man auf der Website der Europäischen Kommission.