Reform : Neues Gewährleistungsrecht: Was Handwerker jetzt beachten müssen

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“Verbraucherfreundlich und zukunftsfit” - so bewarb Justizministerin Alma Zadič die geplante Reform des Gewährleistungsrechts. Für Unternehmen bedeutet das: Sie müssen, wenn Kunden in Zukunft mangelhafte Ware beanstanden, mit rechtlichen Verschärfungen rechnen.

Zadičs neues juristisches Baby trägt dabei den eleganten Namen “Gewährleistungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz” - kurz GRUG. Die Bundesregierung setzt damit zwei EU-Richtlinien um: Die Warenkauf-RL und die Digitale-Inhalte-RL. Mit diesen Rechtsakten verfolgt die Union gleich mehrere Ziele, wobei es ihr vorderhand um eine Rechtsvereinheitlichung geht, die den Binnenmarkt stärken soll.

Speziell mit der Warenkaufs-RL will die EU dabei Verbraucher besserstellen, indem diese gewährleistungsrechtliche Ansprüche unbürokratischer geltend machen können. Und, Überraschung: Auch das Klima spielt eine Rolle. Mit längeren Fristen will man Unternehmen dazu anspornen, langlebigere Produkte auf den Markt zu bringen.

Die Änderungen im Überblick

Letzteres Ziel ist wohl hauptverantwortlich für eine der umstrittensten Passagen im GRUG. So wird die Vermutungsfrist für die Beweislastumkehr auf ein Jahr verlängert. Wenn Kunden also auf ihr Gewährleistungsrecht pochen, müssen Händler in Zukunft auch bis zu zwölf Monate nach Verkauf des Geräts nachweisen, dass dieses bei Übergabe funktionstüchtig war. Diese Regelung betrifft auch unzulässige Schwachstellen, wie etwa sich lösende Kleber und lockere Schrauben. Bisher fand die Beweislastumkehr erst nach sechs Monaten statt.

Aufpassen müssen an dieser Stelle etwa Installateure, die Geräte verkaufen. Das neue Gesetz umfasst zwar prinzipiell nur die Veräußerung “beweglicher Dinge” und keine Dienstleistungen. Sobald allerdings eine Übergabe - also ein Verkauf - stattfindet, hat der Installateur als Händler Gewähr zu leisten. Auch Mängel, die bei der Montage und Installation entstehen, könnten in diesem Zusammenhang unter das Regime des GRUG fallen. Ob dieser Fall so eintritt, ist jedoch noch ungeklärt: Hier kommt es darauf an, wie der EuGH die Richtlinie in Zukunft auslegt und ob er Werk- und Kaufverträge getrennt betrachtet.

Veränderung ergeben sich auch bei der Verjährung und der Vertragsauflösung. Künftig können Konsumenten ihre Ansprüche bis zu drei Monate nach Ablauf der Gewährleistungsfrist gerichtlich geltend machen. Vertragsauflösungen benötigen weiters nur noch einer “Erklärung”, können also auch mündlich erfolgen. Letzteres dürfte in der Praxis eine geringe Rolle spielen, da schriftliche Vertragsauflösungen auch Konsumenten eine höhere Rechtssicherheit bieten. Gerichtlich geltend gemacht müssen Vertragsauflösungen allerdings nicht mehr werden.

Auch Smart-Home Bereich betroffen

Weitere spannende Neuerungen bietet das GRUG in seinem “zukunftsfitten” Teil. Denn das neue Gewährleistungsrecht umfasst auch digitale Dienstleistungen, sowie Waren mit “digitalem Anteil”. Davon sind zum Beispiel smarte Heizungssysteme betroffen, die per App gesteuert werden.

Eine Aktualisierungspflicht soll sicherstellen, dass solche “Smart Goods” auch langfristig ihren Dienst tun. Problematisch ist hier die schwammige Formulierung der Passage: Die Unternehmen seien verpflichtet, kostenlose Software-Updates bereitzustellen, “solange dies vernünftigerweise zu erwarten ist”. Wie lange “vernünftigerweise” ist, werden im Zweifel die Gerichte entscheiden, heißt es aus Juristenkreisen. Die Update-Pflicht kann in jedem Fall über die Dauer der Gewährleistung des Geräts hinausgehen. Auch an dieser Stelle gilt: Wer zuletzt verkauft, wird als Erster belangt. Handwerksunternehmen, die etwa smarte Thermostate verkaufen, müssen also für eine nicht näher bestimmte Dauer Aktualisierungen gewährleisten.

Wirtschaftsvertreter üben Kritik

Aktualisieren will auch die WKO und zwar die Meisterprüfungsordnung für Gas- und Sanitärtechnik, sowie Kälte- und Klimatechnik. Man wolle künftige Mitarbeiter auf die Rechtslage vorbereiten und Unternehmen rechtzeitig Informationen bereitstellen, hieß es aus der Innung der Sanitär-, Heizungs-, und Lüftungstechniker in der WKO. Vom GRUG ist man in der Kammer erwartungsgemäß wenig begeistert: “Die künftige Rechtslage bringt natürlich eine zusätzliche Belastung für unsere Unternehmen”, so die Kritik. Vor allem die Verlängerung der Beweislastumkehr stößt der WKO sauer auf.

Auch beim Verband der Installations-Zuliefererindustrie (VIZ) bezeichnete Vorstand Kersten Viehmann diesen Passus als “nicht erfreulich”. Der Verband kündigte an, man werde die Rahmenverträge zwischen Installateuren und Herstellern dahingehend prüfen und gegebenenfalls aktualisieren.

Dabei kamen die Hersteller bei der Reform sogar glimpflich davon. Der Gesetzgeber hätte den Spielraum gehabt, eine direkte Herstellerhaftung einzuführen, worauf er allerdings verzichtete. Lediglich in einem Punkt werden Händler gegenüber den Herstellern bessergestellt: Gewährleistungsrechtliche Rückgriffe in der Lieferkette können nur noch ausgeschlossen werden, wenn der Verkäufer dadurch nicht grob benachteiligt wird.

Konsumentenschützer nicht restlos überzeugt

An dieser Stelle schlägt sich just Konsumentenschützerin Petra Leupold auf die Seite der Unternehmen: “In der Praxis beobachte ich oft, dass es ein Machtgefälle zwischen Händlern und Herstellern gibt. Der Verkäufer haftet deswegen oft für Schäden, die er selber nicht verursacht hat und bleibt auf der Ware sitzen”, kritisiert sie. Leupold ist Rechtsexpertin beim Verein für Konsumenteninformation (VKI) und war Mitglied der GRUG-Arbeitsgruppe im Justizministerium (BMJ). Insgesamt stößt das neue Gewährleistungsrecht aus Sicht des VKI natürlich auf breite Zustimmung.

Der Verein übt aber auch Kritik: Die Bundesregierung hätte die Beweislastumkehr und die Gewährleistungsfrist deutlich verlängern müssen, denn “zwei Jahre Gewährleistung bei langlebigen Produkten wie Waschmaschinen sind evident nicht sinnvoll”, so Leupold. Die Juristin vermisst auch Maßnahmen gegen die geplante Obsoleszenz.

Gesetz wird im Juli beschlossen

Dass diese Wünsche der Konsumentenschützer nicht erfüllt wurden, ist wohl dem Umstand geschuldet, dass man im Justizministerium letzten Endes doch bemüht war, die Interessen der Verbraucher und Unternehmen auszutarieren. So zumindest formulierte es Johannes Stabentheiner, Abteilungsleiter im BMJ gegenüber dem “Standard”.

Nichtsdestotrotz stellt das GRUG grosso modo eine rechtliche Schlechterstellung der Unternehmen gegenüber den Konsumenten dar. Momentan befindet sich das Gesetz noch bis 7. Mai in der Begutachtungsphase und soll im Juli verabschiedet werden. Ab 1. Jänner 2022 kommen die Bestimmungen dann in der Praxis zur Anwendung. Die WKO kündigte an, den Vorschlag zu analysieren und sich für Unternehmen einzusetzen, ließ sich aber nicht näher in die Karten schauen.

Dass sich die neue Rechtslage noch zugunsten der Wirtschaft wendet dürfte aber ohnehin unwahrscheinlich sein. Denn in Sachen Konsumentenschutz kann man das GRUG - trotz der Verschärfungen für Unternehmen - nicht gerade als Gold Plating bezeichnen. Vielmehr wurden hier die Mindestanforderung der Richtlinien umgesetzt. “Verbraucherfreundlich” hin oder her.