HLK: Die Power-to-X Technologie steckt noch in den Kinderschuhen und doch wird schon große Hoffnung in sie gesteckt. Sie soll ein wichtiger Baustein der Energiewende und eine nachhaltige Alternative zu Erdöl und Erdgas sein. Wie wichtig ist P2X Ihrer Meinung nach wirklich?
Peter Kasten: Die Technologie ist auf jeden Fall notwendig für die Energiewende, vor allem in Anwendungen, für die es wenig technische Alternativen für den Klimaschutz gibt. Im Verkehrssektor wäre das beispielsweise der Luftverkehr und Seeverkehr. Aber auch im Industriesektor gibt es viele Anwendungen, die heute fossilen Wasserstoff einsetzen und die diesen durch nachhaltigen, strombasierten Wasserstoff ersetzen können. Beispiele dafür sind das Hydocracking in Raffinerien oder die Ammoniakproduktion. Im Stromsektor dient P2X bei hohen EE-Anteilen dem Überbrücken von Dunkelflauten und auch im Wärmesektor kann es in spezifischen Anwendungen genutzt werden.
HLK: Nun hat das Öko-Institut öffentlich Nachhaltigkeitskriterien für die Power-to-X-Technologie gefordert. Warum braucht man hier gewisse Spielregeln?
Peter Kasten: Aus dem ganz einfachen Grund, dass die Technologie an sich nicht zwangsläufig nachhaltig ist. Ohne Nachhaltigkeitsregeln und mit der Nutzung fossiler Energie könnte es passieren, dass wir durch die Produktion synthetischer Kraftstoffe mehr Treibhausgase ausstoßen, als wenn wir fossile Kraftstoffe nutzen. Je nach Entwicklung des Stromsektors und P2X-Stoff erreichen wir beim deutschen Strommix erst 2035 bis 2040 eine bessere Klimabilanz als bei den fossilen Stoffen. Derzeit wird in Deutschland stark an Förderungen für P2X gearbeitet, die die Technologie möglichst schnell vorantreiben sollen. Wir brauchen aber von Anfang an Anlagenkonzepte, die im Sinne des Klimaschutzes arbeiten, ansonsten werden wir hier in einigen Jahren vor die Herausforderung gestellt, wenig nachhaltige Anlagenkonzepte wieder auszuphasen. Darum bemühen wir uns darum, dass bereits jetzt Nachhaltigkeitskriterien eingeführt werden. Was passiert, wenn man zu spät reagiert, haben wir bei den Biokraftstoffen gesehen.
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HLK: Welches Problem gab es bei den Biokraftstoffen? Warum wurden die Projekte mehr oder weniger auf Eis gelegt?
Peter Kasten: Im Bereich Biokraftstoffe haben wir viel Geld investiert, um eine Klimaschutztechnologie auszubauen. Systemische Wirkungen wie indirekte Landnutzungsänderungen waren von Anfang bekannt, wurden bei der Nachhaltigkeitsbewertung aber völlig vernachlässigt. Das wurde uns jetzt zum Verhängnis, weil die Biokraftstoffe die Klimaschutzanforderungen nicht erfüllen und Biokraftstoffe aus Futter- und Nahrungsmitteln wieder aus dem Markt gedrängt werden müssen. Das kann in ähnlicher Weise auch beim Power-to-X-Verfahren passieren.
HLK: Wann hat man den Zeitpunkt übersehen, Nachhaltigkeitskriterien einzuführen?
Peter Kasten: Ich denke, in der allerersten Phase des Markteinstiegs kann so eine Technologie noch mit weniger strengen Kriterien funktionieren. Aber sobald man mit der Skalierung beginnt, werden auch Nachhaltigkeitsregeln benötigt. Bei PtX-Anlagen geht es um Investitionen in Milliardenhöhe. Es sollte also auch im Interesse der Investoren liegen, dass die Technologie langfristig nachhaltig eingesetzt werden kann.
HLK: Wie müssen Nachhaltigkeitskriterien bei P2X gestaltet sein, damit sie wirklich wirksam sind und den Klimaschutz unterstützen?
Peter Kasten: Der wichtigste Faktor ist ganz klar, dass die Energie für die P2X-Anlagen aus zusätzlichen erneuerbaren Quellen stammen muss, die ansonsten nicht gebaut werden würden. Nur wenn zusätzliche erneuerbare Energie verwendet wird, kann P2X annähernd vollständig klimaneutral hergestellt werden. Als zweites Kriterium ist außerdem die CO2-Quelle der P2X-Anlage wichtig. Es wird zusätzliches CO2 benötigt, um aus dem aus Strom gewonnenem Wasserstoff E-Fuels herstellen zu können. Das CO2 sollte dafür aus der Luft oder aus nachhaltigen biogenen Prozessen gewonnen werden. Stammt das CO2 aus Industrieprozessen, könnte dadurch die Emissionsminderung in der Industrie verlangsamt werden, da die Emittenten den Anreiz zur CO2-Reduktion verlieren.
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HLK: Nun kann heute weder Deutschland noch Österreich seinen Strombedarf mit erneuerbarer Energie decken. Lohnt sich Power-to-X dann überhaupt?
Peter Kasten: Es macht auf jeden Fall Sinn, in die Technologie einzusteigen. So eine aufwendige Technologie entsteht ja nicht innerhalb weniger Tage, sondern man muss viel Zeit und Aufwand in die Entwicklung investieren. Dementsprechend lohnt es sich, mit dieser Entwicklung möglichst bald anzufangen. Aber eben nur, wenn bereits jetzt Nachhaltigkeitskriterien eingeführt werden, an denen Investoren und Unternehmen sich orientieren können. Die Kriterien sind die Voraussetzung dafür, dass wir P2X als Klimaschutzoption betreiben können. Und gleichzeitig dienen sie als Handlungsrichtlinien, die Unternehmen langfristig wirtschaftliche Sicherheit vermitteln sollen.
HLK: Das Öko-Institut hat nun ein Impulspapier veröffentlicht und seine Anforderungen an die Nachhaltigkeitskriterien öffentlich gemacht. Glauben Sie, dass Sie damit bei der Politik Gehör finden?
Peter Kasten: Es wird auf jeden Fall zu einer Diskussion um Nachhaltigkeitskriterien in der Erneuerbare Energie Richtlinie II kommen und dementsprechend muss sich die Politik damit befassen. Ich kann nur empfehlen, sie so auszugestalten, dass sie eine Lenkungswirkung zu treibhausgasfreundlichen Anlagenkonzepten entfalten. Passiert das nicht, kann es sein, dass wir wie bei den Biokraftstoffen erhebliche Investitionen in Kraftstoffe mit hohen Treibhausgasemissionen tätigen und die P2X-Technologie zusätzlich in der öffentlichen Wahrnehmung als Klimaschutzmaßnahme an Glaubwürdigkeit verliert. Es macht also Sinn, die Nachhaltigkeitskriterien von Anfang an durchaus anspruchsvoll auszugestalten.
Vielen Dank für das Gespräch!