Leseprobe : Nachhaltige Industrie – wie geht das?

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Vom dezenten Blau ins bedrohliche Rot: Die Warming Stripes, erstmals visualisiert vom britischen Klimawissenschaftler Ed Hawkins, machen das rasche Voranschreiten des Klimawandels deutlich und für jedermann verständlich. Sie zeigen, wie die Temperatur in den vergangenen Jahren gestiegen ist und welche Chancen wir zur frühzeitigen Vermeidung der Erderwärmung verpasst haben. War es das jetzt? Was passiert in Zukunft? Können wir eine Klimakatastrophe überhaupt noch abwenden? Diese Fragen stellte sich der deutsche Ingenieur Alexander Radkte.

Die Darstellung von Ed Hawkins mittels farbiger Streifen hat Radtke gefallen, doch ihm fehlte etwas ganz Entscheidendes: Die Zukunftsperspektive. „Es kann noch deutlich schlimmer kommen“, ist Alexander Radtke überzeugt. Im Gegensatz zu den Warming Stripes von Hawkins enden die Streifen von Radtke nicht im Jahr 2016, sondern zeigen in zwei möglichen Szenarien - sogenannten Representative Concentration Pathways RCP - wie sich das Klima bis zum Jahr 2200 verändern könnte.

Besorgniserregend ist dabei vor allem das RCP8.5-Szenario. Dabei wird davon ausgegangen, dass keine Vorkehrungen für das Reduzieren der Treibhausgasemissionen getroffen werden. Die Emissionen steigen also weiterhin stark an und erreichen zwischen den Jahren 2100 und 2150 ihren Höhepunkt. Bis 2100 ist dabei mit einem Temperaturanstieg von 4,8 Grad Celsius gegenüber dem Referenzjahr zu rechnen. Bis 2200 steigt dieser Wert auf 7,8 Grad.

Im zweiten Szenario, dem RCP2.6, geht Radkte davon aus, dass der Höhepunkt des Emissionsausstoßes 2029 erreicht wird. Ab 2080 sollen sogar Negativemissionen möglich sein. „Dieser Weg ist kompatibel mit dem Zwei-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens, wird aber immer unwahrscheinlicher“, erklärt Radtke. Es muss sofort gehandelt werden, damit das Zwei-Grad-Ziel noch erreicht werden kann – und zwar in allen Sektoren.

CO2 in der Industrie

Der größte Treibhausgas-Verursacher ist der Energie- und Industrie-Sektor. Im Jahr 2017 beliefen sich die Gesamtemissionen des Sektors in Österreich auf 37 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent. Knapp dahinter liegt der Bereich Verkehr mit 23,7 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent. Der Gebäudesektor steht an dritter Stelle mit 8,3 Millionen Tonnen. Dieter Drexel, stellvertretender Bereichsleiter Ressourcen und Energie bei der österreichischen Industriellenvereinigung, sieht das gelassen, da ein Großteil dieser Emissionen dem EU-Emissionshandel unterliegt: „Beim Emissionshandel wird die Summe aller Emissionen sämtlicher energieintensiver Anlagen in der EU Jahr für Jahr weiter reduziert, sodass die Klimaziele auf den Punkt genau sicher erreicht werden können. Auch alle österreichischen energieintensiven Unternehmen unterliegen diesem Emissionshandel.“ Beim EU-Emissionshandel muss ein Betrieb für jede Tonne emittiertes CO2 einer Anlage ein gültiges Zertifikat vorweisen können. Jährlich gibt es nur eine begrenzte Anzahl dieser Emissionszertifikate, wodurch der CO2-Ausstoß insgesamt gesenkt werden soll.

Das bedeutet, dass der Industrie nicht unbegrenzt viele Zertifikate zur Verfügung stehen und das Einsparen von CO2 notwendig ist. „Um klimafreundlicher zu werden, hat die Industrie zwei Möglichkeiten: Einerseits den Energieverbrauch zu reduzieren und andererseits möglichst viel Energie aus erneuerbaren Quellen zu nutzen“, erklärt Drexel. Energie gespart kann zum Beispiel durch effizientere Prozesse, kürzere Wege und den Umstieg auf Elektromotoren werden. Wird dann erneuerbare Energie für den Betrieb dieser Motoren verwendet, spart ein Betrieb große Mengen an CO2 ein. Eine zusätzliche Effizienzsteigerung lässt sich durch das Nutzen der Abwärme aus Industrieprozessen erreichen. Mit der Abwärme kann beispielsweise ein Ofen erhitzt oder schlichtweg die Produktionsstätte beheizt werden.

Die Abwärme kann aber auch Haushalte mit Wärmeenergie versorgen. Genau das passiert unter anderem im Brauquartier Puntigam in der Steiermark, wo die Abwärme aus dem Gärprozess der Brauerei als Energiequelle für die Heizung und Warmwasserversorgung der benachbarten Haushalte genutzt wird. Rund 2.000 Personen können dadurch mit nachhaltiger Wärmeenergie versorgt werden.

Synthetisches Gas aus erneuerbarer Energie

„Auch synthetisches Gas ist eine Möglichkeit, den CO2-Fußabdruck eines Unternehmens aufzubessern. Allerdings muss man beachten, dass zur Herstellung von synthetischem Gas zusätzliche erneuerbare Energie benötigt wird. Außerdem gibt es bei der Elektrolyse Umwandlungsverluste“, so Dieter Drexler. Bei der Erzeugung von synthetischem Gas ist die Energie ein limitierender Faktor. Solange für die öffentliche Stromversorgung noch fossile Energie hinzugezogen werden muss, ist die Investition in die Erzeugung von synthetischem Gas aus erneuerbarer Energie nicht unbedingt sinnvoll.

Im kanadischen Calgary wird derzeit an Methoden geforscht, die es ermöglichen, emittiertes Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu filtern – und das sogar zu einem realisierbaren Preis: Rund 100 kanadische Dollar sollen pro entfernter Tonne CO2 anfallen. Drexler gibt sich dabei noch skeptisch: „Die Technologie an sich macht Sinn, aber man kann so eine Anlage nicht einfach irgendwo auf einem Hügel aufstellen. Eher müsste der Abgasstrom eines Unternehmens direkt durch eine solche Anlage geführt werden.“ Dafür muss die Technologie noch deutlich weiterentwickelt und speziell auf den Industriesektor angepasst werden. Sinnvoller ist es, die Emissionen im Vorhinein einzusparen, anstatt sie im Nachhinein beseitigen zu wollen: „Jede Tonne CO2, die ich nicht verursache, muss ich nicht ersetzen.“

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