Kältemittel : Kalt erwischt

Des einen Leid, des anderen Freud: so könnte man den Vortrag eines Vertreters der EU-Kommission zu den Auswirkungen der F-Gase Verordnung neulich auf einer Konferenz in Berlin interpretieren. Die positive Nachricht kam gleich zu Anfang: Die F-Gase-Emissionen gehen erstmals seit 15 Jahren wieder zurück. Der Kommissionsbeamte führte dies in erster Linie auf die alte F-Gase-Verordnung, die PKW-Richtlinie sowie - derzeit natürlich noch in geringerem Umfang - auf das Inkrafttreten der neuen F-Gase Verordnung zurück. Soweit für alle Beteiligten gut.

Danach scheiden sich allerdings die Geister. Denn es folgte ein Überblick über die Preisentwicklung der HFKWs seit 2014 - und die zeigt steil nach oben bis zu lockeren 200 Prozent mehr für R404A in den letzten Monaten. Ein Ende ist nicht abzusehen. Für die EU-Kommission eine wenig überraschende und sogar gewollte Folge des HFKW-Phase-Downs. Denn schon im kommenden Jahr stehen enorme Einschnitte von 37 Prozent und mehr an, wenn man die Mengen, die in vorbefüllten Geräten nach Europa kommen und die ebenfalls unter den Phase-Down fallen, einbezieht. Für zahlreiche Marktteilnehmer ist das eine Katastrophe, denn damit hatten viele nicht gerechnet – von kleinen Familienbetrieben bis hin zu Großunternehmen.

Konstrukt aus Brüssel

Schauen wir aber noch einmal zurück zum Jahresanfang. Da lautete die allgemeine Devise noch: Abwarten. Die alte F-Gase Verordnung, die auch Grundlage für die neue Verordnung ist, war ja hinreichend bekannt: Leckagereduzierung, Zertifizierung – alles kein Drama. Okay, das R-404A Verbot ab 2020 ist schon ein harter Brocken, aber bis dahin sind es ja noch ein paar Jährchen. Und der Phase-Down? Mal wieder so ein Konstrukt aus Brüssel. Auswirkungen? Noch zu Beginn dieses Jahres anscheinend fast keine. „Die Preise für R-404A sind so niedrig wie schon lange nicht mehr“ hatte mir noch im Januar ein großer, europäischer Anlagenbauer kundgetan.

Mangelerscheinungen

Jetzt sieht die Lage eben dramatisch anders aus. Die enormen Preisanstiege lassen sich nun im Gegensatz zu so abstrakten Dingen wie der Reduzierung von CO2-Äquivalenten, um die es beim Phase-Down ja geht, kaum mehr ignorieren und entsprechend ist eine regelrechte Panik ausgebrochen. Von Hamsterkäufen wird berichtet, von akutem Kältemittelflaschenmangel, Lieferengpässen für alle möglichen Kältemittel bis hin zu den Befürchtungen von Importeuren vorbefüllter Klimageräte, diese nicht mehr einführen zu können. Denn wer es versäumt hat, rechtzeitig Kontingente für die darin enthaltenen HFKWs zu erwerben, hat jetzt ein Problem: Entweder man bekommt derzeit keine mehr oder aber eben nur zu horrenden Preisen.

Wie konnte Brüssel das zulassen?

Der Unmut am Markt wächst entsprechend. Die Kältemittelproduzenten verdienen sich eine goldene Nase, und die Kleinen sind die Dummen, sagen die einen. Wie konnte Brüssel nur so etwas zulassen, fragen sich die anderen. Was dabei allerdings gern vergessen wird: die Alternative zum Zeitpunkt der Verhandlungen der neuen F-Gase Verordnung vor ein paar Jahren waren umfassende HFKW Verbote, und der politische Wind wehte stark in diese Richtung. Es gebe doch schließlich genug Alternativen, hieß es immer wieder aus politischen Kreisen, warum also diese lästigen HFKWs noch weiter erlauben. Geflissentlich übersehen wurde dabei die Tatsache, dass dies zum einen nicht für alle Anwendungen gilt und dass es zum anderen noch einige Hürden von Training und Normen bis hin zu Gebäuderegeln zu nehmen gibt, bis beispielsweise brennbare Kältemittelalternativen umfassend eingesetzt werden können.

Besser Phase Down als Shut Down

Vor diesem Hintergrund gewährt der Phase-Down eine gewisse Flexibilität, die bei Verboten nicht gegeben gewesen wäre und die der Branche das Leben eigentlich etwas erleichtern sollte, sofern sie denn schnell genug und vorausschauend darauf reagiert. Das war nun bislang offensichtlich nicht der Fall. Und manche Länder wollen sogar noch eins drauf setzen und zusätzliche Steuern für HFKWs basierend auf deren GWP-Wert einführen. In Spanien beispielsweise schon vor einiger Zeit geschehen, in Frankreich derzeit diskutiert und von der Branche vehement bekämpft. Ob der Widerstand von Erfolg gekrönt sein wird, bleibt abzuwarten.

Sicher ist auf jeden Fall eines: Jammern bringt uns nicht weiter, anderen die Schuld in die Schuhe schieben und sich selbst als armes Opfer hinstellen auch nicht, denn an der F-Gase Verordnung selbst wird sich nichts ändern, zumindest nicht in Richtung einer Lockerung. Eher das Gegenteil könnte der Fall sein. Wenn nämlich der Phase-Down nicht funktionieren sollte, können wir uns schon heute auf Verbote und strengere Maßnahmen einstellen – die oben erwähnten Steuern sind ein erster Vorgeschmack. Daher sollte die Branche geschlossen die Ärmel hochkrempeln, keine Zeit mit Schuldzuweisungen verlieren, die Herausforderungen pragmatisch angehen und vor allem auch das Positive daran sehen: Kältemittelumstellungen und neue Technologien können eine echte Geschäftschance darstellen – und das nicht nur für die großen Konzerne.