Meinung : Gebäudeeffizienz: Ungeheuerlich!

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Klimaschutz bewegt die Deutschen mehr als je zuvor. Das zeigt sich beispielsweise bei den mittlerweile all-freitäglichen Schülerstreiks Fridays for Future. Die langjährigen Bekundungen und Versprechungen von Spitzenpolitikerinnen und -politikern, meist in Form vager Zielformulierungen und Lippenbekenntnissen, verlieren ihre Wirkung als Beruhigungspillen. Das Verfehlen der Klimaziele 2020 war längst abzusehen. Für 2030 sollte dann aber wirklich Ernst gemacht werden, hieß es postwendend. Das wäre auch dringend nötig: Neben einer weiteren Blamage vor der Weltgemeinschaft drohen bei weiteren Zielverfehlungen saftige Strafzahlungen aus Brüssel. Doch bislang reichten auch diese Damoklesschwerter nicht, die Lethargie der deutschen Energiepolitik zu durchbrechen. Aktuellste Beispiele: die Absage der Gebäude-Kommission und der nun bekanntgewordene GEG-Entwurf.

Die Begründung für die Absage lautete lapidar, man habe genug Experten im Hause. Das klingt erstmal komisch, nimmt man den GEG-Entwurf genauer unter die Lupe – ist aber mehr Ausdruck mangelnden politischen Willens denn mangelnder Kompetenz. Doch während sich der Anspruch im Koalitionsvertrag nur auf ein weiter-wie-bisher beschränkte, fällt der Entwurf durch diverse Aufweichungen teilweise sogar hinter die Anforderungen aus den 70er Jahren zurück. Angezeigt wäre doch, vorhandenes technisches Know-how aus dem Jahre 2019 zu nutzen und in die Breite zu tragen.

Eigentlich sollte der schlafende Riese Energieeffizienz längst geweckt worden sein, um eine erfolgreiche Energiewende möglich zu machen. Stattdessen lässt man ihn weiter schlummern und erweckt stattdessen ein weiteres Ungeheuer. Nehmen wir beispielsweise die sogenannte Innovationsklausel. Was an einer alleinigen Umstellung der Anforderungsgröße innovativ sein soll, bleibt auch bei genauem Hinsehen offen. Absehbar ist hingegen die Schaffung eines neuen Bürokratiemonsters, das auf Bundesländer und Bauämter lauert, die dann ein weiteres, zusätzliches Anforderungssystem vollziehen müssen.

Auch der angedachte Quartiersansatz scheint höchstens gut gemeint, ist jedoch alles andere als gut gemacht. So können zwar künftig Vereinbarungen über gemeinsame Versorgungskonzepte geschlossen und in diese gemeinsam in Anrechnung gebracht werden. Der echte Game-Changer für vor Ort effizient erzeugte, erneuerbare Energie bleibt jedoch aus und auch eine eindeutige Quartiersdefinition fehlt. Dafür werden Schlupflöcher geschaffen, indem künftig einzelne bessere Gebäude in einem weitläufigen Stadtgebiet herangezogenen werden können, um reihum CO2-Schleudern in ihrem weiteren Umfeld schönzurechnen.

Die zusätzliche Anrechnung von PV-Strom entpuppt sich als Schummelklausel: Statt Effizienz und Erneuerbare gemeinsam voranzubringen werden sie gegeneinander ausgespielt. Die Regelung höhlt de facto energetische Standards aus und stellt fossile Systeme sogar besser als erneuerbare. Doch es kommt noch dicker (oder eher dünner): Durch eine mit dem GEG geplante Änderung einer Fußnote in einer Anlage wären künftig praktisch alle Bestandsgebäude von einer Nachrüstpflicht befreit, auch wenn deren Wärmeschutz schlechter ist als das vor 40 Jahren geltende Neubauniveau.

Das Paradoxe: Fast die Hälfte der Neubauten erfüllt bereits heute höhere Standards als gesetzlich vorgeschrieben. Anstatt diesen Vorsprung nachhaltig auszubauen, werden diese Standards weiter ausgehöhlt. Die Gesetzgebung hinkt der Marktentwicklung und den Kundenwünschen weit hinterher. Die Dummen sind am Ende Häuslebauer und Mieter, die deutlich mehr Heizkosten zahlen als nötig – schließlich sind die geltenden Standards wirtschaftlich – sonst hätten FDP und CDU sie damals kaum beschlossen.

Derweil stehen die technischen Lösungen längst in den Startlöchern. Die Volkswirtschaft könnte von steigender Wertschöpfung durch zeitgemäße energetische Standards im Neubau und einer deutlichen Steigerung der Sanierungsrate profitieren. Doch statt diese Früchte zu ernten, durch Einführung der lange versprochenen Steuerförderung oder ein zeitgemäßes Gebäudeenergierecht etwa, bleiben die großen wirtschaftlichen Potenziale weiter unangetastet. Noch können Bundesregierung und Bundestag die Wende einläuten. Die DENEFF unterstützt gerne dabei.

Christian Noll ist geschäftsführender Vorstand der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz e. V. (DENEFF).