Brief aus Brüssel : Frauen, Ihr müsst Euch trauen!

Jetzt bin ich schon seit gut 20 Jahren in dieser Industrie zuhause. Vieles hat sich seit meinen Anfängen geändert, manches aber ist leider noch immer auf dem alten Stand. Dazu zählt leider auch der Mangel an Frauen in unserer Branche. Um dies herauszufinden, ist keine besonders umfangreiche Recherche erforderlich. Es reicht schon, sich die Konferenzprogramme verschiedener Veranstaltungen über die Jahre hinweg anzuschauen. Nimmt man dann noch ein paar Zahlen zu Hilfe, wie zum Beispiel vom International Institute of Refrigeration (IIR), dann sind auch die letzten Zweifel ausgeräumt: Frauen vergeblich gesucht! So geht daraus zum Beispiel hervor, dass weniger als zehn Prozent der Besucher des weltweiten IIR Kongresses im Jahr 2015 Frauen waren und dass weniger als zwei Prozent der Beschäftigten in der Kälte- Klima- und Wärmepumpenbranche in den USA und Großbritannien dem weiblichen Geschlecht angehören.

Männer-Podien

Ich bin sicher keine Hardcore-Verfechterin von Frauenquoten und ähnlichen Ideen und bin auch grundsätzlich der Ansicht, dass Leistung und Kompetenz das auschlaggebende Kriterium auf dem Arbeitsmarkt sein sollten – und nicht das Geschlecht – aber vielleicht reicht das eben doch nicht aus in einer seit Jahrzehnten von Männern dominierten Branche. Dabei möchte ich nicht einmal unterstellen, dass es sich hierbei um gezielte Diskriminierung handelt. Vielleicht ist unsere Branche für Frauen ja nicht attraktiv? Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass es daran liegt, denn das Problem ist ja keineswegs auf den Kälte- Klima- und Wärmepumpensektor beschränkt, sondern zieht sich wie ein roter Faden durch alle technisch dominierten Gebiete. Vielleicht sind Frauen auch zurückhaltender als Männer, wenn es darum geht, sich vor Publikum zu produzieren? Denn ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwierig es ist, Frauen hierfür zu gewinnen. Erst letztes Jahr im Dezember, als EPEE und EVIA, zwei europäische Industrieverbände, in Berlin die EUREKA 2017 organisiert haben, hatten wir größte Schwierigkeiten, ausgewogene Podiumsdiskussionen zu gestalten. Ziel der Veranstaltung war es, die Ansprüche künftiger Generationen an Kälte- Klima- Wärmepumpen- und Lüftungstechnik besser zu verstehen und hierzu eine Diskussion zwischen Industrie und Studenten ins Leben zu rufen. Bezeichnenderweise haben sich dazu nur männliche Studenten aus dem Ingenieurwesen gemeldet, die einzige weibliche Vertreterin kam aus dem Bereich Marketing.

Twitter-Initiativen

Die Frage ist nun, was kann man dagegen tun oder ob man etwas dagegen tun sollte? Ich denke schon, zumal unsere Industrie an einem akuten Mangel an Nachwuchskräften leidet – ganz unabhängig davon, ob Mann oder Frau. Deswegen finde ich Initiativen wie zum Beispiel „500womenscientists.org“ gut, wie ich sie vor kurzem auf Twitter entdeckt habe. Diese Plattform ist ein gutes Beispiel für den Aufbau von Netzwerken, mit Hilfe derer man beispielsweise leichter Frauen aus der Wissenschaft finden kann, die interessiert daran sind, Vorträge zu halten. Oder die Gruppe „Women in RACHP“ auf LinkedIn, die vom britischen Institute of Refrigeration ins Leben gerufen wurde und die ebenfalls als Netzwerk dient. Und so gibt es sicherlich noch zahlreiche weitere Initiativen, die zeigen, dass es hier einen echten Bedarf gibt.

Klick mal für mich!

Sehr wichtig ist aber auch das Selbstbewusstsein der Frauen, denn leider gibt es noch immer Szenen, über die man nur den Kopf schütteln kann. So wurde zum Beispiel eine meiner Mitarbeiterinnen, hochqualifiziert und unter 30, die letztes Jahr auf einer Konferenz als Vortragende eingeladen war, von einem der anderen männlichen Sprecher zunächst geflissentlich ignoriert und später dann aufgefordert, ob sie doch bitte die Slides für ihn weiterklicken könnte – obwohl er direkt daneben stand und dies durchaus selbst hätte tun können. Das ist einfach nicht mehr zeitgemäß und es ist wichtig, sich in solchen Situationen zu wehren, auch wenn es nach außen hin vielleicht wie eine Lappalie aussehen mag. Ein anderes Beispiel ist die Verhandlung von Gehältern. Hier zeigen Studien, dass Frauen oft von vorn herein mit bescheideneren Zielsetzungen in den Ring steigen als ihre männlichen Kollegen.

Es gibt noch viel zu tun

Aber trotz allem: ermutigend finde ich den Umgang der nächsten Generation untereinander im Alltag, zum Beispiel, wenn ich meine Tochter sehe oder die jüngeren Kollegen im Büro. Hier scheint sich in punkto Respekt und Gleichberechtigung tatsächlich einiges grundlegend geändert zu haben und das lässt hoffen, dass sich dies nach und nach auch in der Gesellschaft durchsetzt. Doch bis dahin bleibt noch viel zu tun – in unserer Branche und in vielen anderen auch.