KLIMASCHUTZ + SICHERHEIT : Energiewende fördert den Frieden

Informierten über Energiewende, Klimaschutz und Sicherheit (v. l.): Horst Jauschnegg (Vorsitzender des ÖBMV), Gerald Karner (Aventus GmbH), Martin Jänicke (Freie Universität Berlin) und Georg Günsberg (Strategie-Berater). Bild: Biomasseverband Zur Veranstaltung „Nachhaltiger Klimaschutz; unverzichtbar - unaufschiebbar - erneuerbar" am 26. Mai lud der Österreichische Biomasse-Verband zahlreiche Experten aus dem In- und Ausland nach Wien ein. Neben den Themenblöcken Klimaschutz und dem Beitrag der aktiven Waldbewirtschaftung stand auch die Auswirkung des Klimawandels auf die Sicherheitspolitik auf der Vortragsagenda.

Klimawandel ist Herausforderung und…

Die in den vergangenen Jahrzehnten beobachtete Beschleunigung des Klimawandels ist eine Herausforderung für die Klimapolitik. Die Klimafolgen sind bereits spürbar: Erwärmung der Atmosphäre sowie der Meere, Eismassenabbau, Hitzewellen und Hochwässer in Europa. „Ohne zusätzliche Maßnahmen erwärmt sich die Erde bis 2100 um bis zu 4,8° C. Das 2° C-Ziel ist zwar noch erreichbar, jedoch bedarf es sofortiger und radikaler Maßnahmen: Die Verringerung der Treibhausgas-Emissionen um 40 bis 70 % bis 2050 und annähernde Klimaneutralität bis 2100“, erklärte Univ.-Prof. Martin Jänicke von der Freien Universität Berlin, der als Review Editor am 5. Weltklimabericht mitwirkte. Lösungsansätze sind: Erhöhung der Energieeffizienz, Vervierfachung des Anteils kohlenstofffreier und -armer Energieerzeugung und Landnutzungsänderungen, wie beispielsweise Aufforstungen. „Technisch ist das Problem lösbar. Klimapolitisch muss noch einiges getan werden, um die Prozesse mittels Fördermaßnahmen zu beschleunigen“, so Jänicke. „Die Kosten dafür sind vergleichsweise gering − zwischen 0,04 bis 0,14 % des jährlichen Zuwachses der Konsumausgaben für Güter und Dienstleistungen. Es ist nun Zeit zu handeln!". Das sehen die Europäer ähnlich, wie eine Umfrage zeigt

…für 90 % der Europäer ein ernstes Problem

Neun von zehn Europäer gaben bei einer Umfrage der EU-Kommission im März 2014 an, dass sie den Klimawandel für ein ernstes Problem halten − 69 % für ein „sehr ernstes“. 80 % stimmten zu, dass Klimaschutz und effiziente Energienutzung die Wirtschaft ankurbeln und Jobs schaffen können.

EU-Energieversorgung zeigt deutliche Verwundbarkeit auf

Der Klimawandel und seine potenziellen Folgen sowie die Energiesicherheit sind globale Herausforderungen mit enormer sicherheitspolitischer Relevanz. Stabilität und Sicherheit im Sinn einer friedlichen Entwicklung stehen in direktem Zusammenhang mit der Energieproduktion. Die gegenwärtige Struktur des globalen Energieverbrauchs, die nach wie vor stark von der Nutzung fossiler Energieträger geprägt ist, hat daher nicht nur gravierende Auswirkungen auf das globale Klima, sondern auch eine außen- und sicherheitspolitische Dimension.

„Die Energieversorgung der EU weist bereits jetzt, u.a. durch die zunehmende relative Knappheit von Erdöl und Erdgas, eine deutliche Verwundbarkeit auf", analysierte Sicherheitsexperte Gerald Karner, Aventus GmbH. „Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Importabhängigkeit der EU28 bis 2030 von rund 47 auf 68 % erhöhen wird“. Eine Energiewende stellt somit nicht nur ein umweltpolitisches Erfordernis dar. Energieversorgungssysteme zählen zu den kritischen Infrastrukturen in einem Staat und weisen unterschiedliche Verwundbarkeiten auf − Atomkraftwerke zum Beispiel eine hohe.

Ein systematischer Ausbau erneuerbarer Energien (möglichst verbrauchernah) kann einen Beitrag zur inneren Sicherheit darstellen.

Ferner ist laut Karner durch den massiven Rückgang an fruchtbaren Böden und der Wasserverfügbarkeit als Folge des Klimawandels auch das verstärkte Auftreten von regionalen Ressourcenkonflikten zu befürchten. Durch die enge Beziehung zwischen Entwicklungen im Energiesektor und dem Ausmaß des Klimawandels bildet sich ein sicherheitspolitischer Klima-Energie-Komplex heraus, für den integrierte Lösungsansätze zu suchen sind. „Werden diese nicht schnell genug umgesetzt, drohen nicht nur lokal begrenzte Ressourcenkonflikte, sondern auch überregionale. Energieversorgungssysteme, die auf der Nutzung erneuerbarer Energien beruhen, können bei einem systematischen und durchdachten Ausbau neben einem ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen auch einen friedenspolitischen Beitrag leisten", stellte Karner klar.

Aktive Waldbewirtschaftung = „Ass im Ärmel“

„Durch die nachhaltige Waldbewirtschaftung und den Einsatz von Holzprodukten sowie Bioenergie aus der schwedischen Forst- und Holzwirtschaft konnten 2012 70 Mio. Tonnen THG-Emissionen eingespart werden. Diese Menge entspricht dem gesamten THG-Ausstoß des Landes. Um die schwedische CO2-Bilanz weiter zu optimieren, sollte sich die Holznutzung auf Massivholzprodukte und Bioenergie konzentrieren. Die Holzverwendung in Form von Papier und Zellstoff sollte nicht forciert werden", kommentierte Horst Jauschnegg, Vorsitzender des Österreichischen Biomasse-Verbandes, die im März vorgestellte Studie „Potential Roles of Swedish Forestry in the Context of Climate Change Mitigation“. Veröffentlicht wurde diese von Waldbauprofessor Tomas Lundmark, Schwedische Universität für Agrarwissenschaften (SLU) in Umea. Durch eine stärkere Holzverwendung könnten die Einsparungen an THG-Emissionen in Schweden auf 100 Mio. Tonnen THG pro Jahr gesteigert werden. Der Beitrag zum globalen Klimaschutz würde dadurch deutlich erhöht. Voraussetzung dafür ist eine verstärkte Substitution fossiler Brennstoffe und energieintensiver Materialien durch Holz.

„Betrachtet man den Klimaschutz global und langfristig, ist die aktive nachhaltige Waldbewirtschaftung unser Ass im Ärmel. Werden bewirtschaftete Wälder aber großflächig 'außer Nutzung' gestellt, fehlen Holzprodukte und der Rohstoff für Bioenergien. Diese müssten durch zusätzlichen Einsatz von Kohle, Öl und Gas kompensiert werden, was enorme CO2-Emissionen zur Folge hätte“, so Jauschnegg.

Reserven des US-Schieferölgebietes Monterey um 96% gekürzt

Eine Kopie des strittigen US-amerikanischen Fracking-Booms sei für Europa nahezu unmöglich. Schiefergas und -öl werden keinen entscheidenden Beitrag zur Reduktion der fossilen Energieimportabhängigkeit leisten können. Ihre Nutzung sei sowohl mit ökologischen wie auch mit wirtschaftlichen Risiken verbunden – das waren die Kernaussagen von Strategie-Berater Georg Günsberg. „Die erhöhte Öl- und Gasproduktion der USA ist enorm, aber die Kernfrage ist: Wie lange kann sie auf diesem hohen Niveau gehalten werden und zu welchem Preis?", erklärte Günsberg. Der deutliche Anstieg des US-Gaspreises in den vergangenen beiden Jahren zeige, dass das geringe Preisniveau auf Dauer nicht haltbar sein wird, denn auch die Kosten für Fracking sind entsprechend hoch. Die sogenannten „Low Hanging Fruits“ seien bald geerntet. „Wie lange der Boom dauert, ist generell fraglich", so Günsberg. „Vor wenigen Tagen erlebte beispielsweise Kalifornien einen herben Rückschlag. Die US-Energiebehörde EIA musste die Schätzung für förderbare Reserven des wichtigsten Schieferöl-Gebietes Monterey um 96 % herunterstutzen. Der kalifornische Traum des billionenschweren Öl-Geschäfts ist damit vorerst geplatzt. Eine Strategie, die auf dem fossilen Boom aufbaut, bietet sowohl für Regierungen und investierende Unternehmen als auch für den Kapitalmarkt enorme Unsicherheiten“.

Der einzige nachhaltige Weg, die Last hoher fossiler Importkosten im Sinne von Klimaschutz, Versorgungssicherheit und eines wettbewerbsfähigen Standortes zu reduzieren, sei der Ausbau erneuerbarer Energien und die Verringerung des Energieverbrauchs.

Anmerkung: Weitere Informationen, die Langfassungen aller Vorträge (im PDF-Format), sowie eine deutsche Übersetzung der zitierten schwedischen Studie finden sich auf den Webseiten des Biomasseverbandes.