Klimasimulation : Eine künstliche Sonne für Oslo

Norwegen ist ein reiches Land. Und leistet sich ein recht kostspieliges neues Nationalmuseum: 600 Millionen Euro kostet der Neubau mit seinen knapp 60.000 Quadratmetern Fläche, erfüllt mit außergewöhnlicher Architektur.

Eyecatcher und prägendes Element des Gebäudeensembles direkt am Hafen ist die Alabasterhalle mit mehreren Tausend Quadratmetern Fassadenfläche. Glaskeramikplatten, die der Glasdoppelfassade vorgesetzt wurden, erzeugen im Ausstellungsbereich weiches Licht. Dank eines integrierten Sonnenschutzes wird gleichzeitig für ein behagliches Raumklima gesorgt.

Norwegen ist eigentlich auch ein kaltes Land. Und trotzdem haben sich die Architekten Gedanken darüber gemacht, wie das gläserne Museum im Sommer möglichst energiesparend gekühlt werden könnte. Zwei Besonderheiten machten die Umsetzung zur Herausforderung: Zum einen hat die Fassade mit über einem Meter eine ungewöhnliche Tiefe, zum anderen strömt Abluft im Zwischenraum beider Glasebenen aus dem Gebäude.

Beim Funktionstest im Labor des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik in Stuttgart musste ein deutlich größerer Fassadenabschnitt als sonst üblich als Aufbau auf den Prüfstand. Getestet wurde mit einem einzigartigen Sonnensimulator. Die Glasdoppelfassade des Osloer Nationalmuseums wurde von den Wissenschaftler des Fraunhofer IBP aufs Härteste geprüft. MIR kommunikasjon/Kleihues + Schuwerk So funktioniert der Sonnensimulator

Typische Anwendungsfelder der Sonnensimulation sind die künstliche Alterung von Werkstoffen, die Ermittlung des Gesamtenergiedurchlassgrads, die Klärung von Funktion und Lebensdauer von Produkten und Systemen oder Wärmelastprüfungen, die spontanes Versagen von Bauteilen überprüfen.

Die Solarstrahlung ist eines der komplexesten Klimaelemente. Neben der richtigen Bestrahlungsstärke sind das Spektrum der Leuchtmittel und die optischen Elemente der Strahler passend zur jeweiligen Anforderung zu bedenken. Von Bedeutung für lichtlenkende Bauteile sind der Einfallswinkel der Strahlung oder die Zusammensetzung aus direkter und diffuser Strahlung, die unter anderem von der Tages- oder Jahreszeit abhängt.

Im großen Sonnensimulator verbaut sind Halogen-Metalldampflampen. Sie geben im solaren Bereich zwischen 300 und 2.500 nm ein sonnennahes, kontinuierliches Spektrum ab. Das ist wichtig, da die eingesetzte künstliche Lichtquelle dem natürlichen Sonnenlicht möglichst nahe kommen muss. Leider gibt es noch keine technisch befriedigende Lösung, um das solare Spektrum mit LED-Technik abzudecken.

Für spezielle Anwendungen, wie bei sich mehrfach überlagernden Reflexionen bei benachbarten Gebäuden, lassen sich in Sondereinstellungen auf Teilflächen Bestrahlungsstärken von bis zu 5 kW/m² realisieren. Der große Sonnensimulator im Fraunhofer Insitut beim Test einer Fassade. Bild: Fraunhofer Bald möglich: Sonnensimulation hilft bei der Klimatisierung

Die Sonnensimulation ist dort das Mittel der Wahl, wo wegen außergewöhnlicher Fassadenentwürfe klassische Prüfmethoden nicht greifen. „Auch die Klimarandbedingungen des jeweiligen Standorts, an dem sich das Gebäude befindet, sind einzubeziehen“, weiß Fraunhofer-Forscher Michael Würth, der die Simulation wesentlich mit entwickelt hat. Falls erforderlich werden auch unkonventionelle Ansätze gewählt. So wurde ein mehrere Quadratmeter großes Glasdach in zwei Zonen aufgeteilt. Beide wurden im Parallelbetrieb, jedoch gegenläufig im zyklischen Wechsel von vier Stunden zuerst sengender, künstlicher Hochsommersonne und anschließend Wolkenbruch und Wintertemperaturen von minus zehn Grad Celsius ausgesetzt und das über einen Zeitraum von mehreren Monaten.

Verkehrsflächen oder Dacheindeckungen haben auch einen Einfluss auf die Erwärmung innerstädtischer Oberflächen und damit den Klimawandel. Ein hoher Versiegelungsgrad vermindert die Kühlung über Verdunstung, gleichzeitig speichern die Bauwerke selbst einen Teil der tagsüber eingestrahlten Energie. Bislang gibt es als einzigen Bewertungsmaßstab den sogenannten Solar Reflectance-Index (SRI). Beim Standardverfahren bleiben stärker strukturierte Oberflächen sowie instationäre Speichereffekte allerdings unberücksichtigt. Für beides erarbeitet Würth mit Hilfe des Sonnensimulators neue Bewertungsmöglichkeiten. Durch eine integrierbare Beregnung und Waage können weitere hygrothermische Untersuchungen, wie die Ermittlung der Verdunstungsleistung von Bauwerksoberflächen durchgeführt werden.

Eröffnet wird das neue Nationalmuseum im Jahr 2019. So präsentiert sich der Sonnensimulator in seinem Inneren. Durch Spiegelbleche wird die Fläche scheinbar vergrößert und Randeffekte verringert. Bild: Fraunhofer FAKTENCHECK

Das geschieht bei der Klimasimulation

Die Arbeitsgruppe Wärmekennwerte / Klimasimulation von Fraunhofer in Stuttgart erstellte für das Museum in Oslo ein aufwändiges Versuchsmodell mit sechs unterschiedlichen Klimazonen, um damit den praxisnahen Betrieb zu simulieren. Dabei werden die Produkte wechselnden klimatischen Randbedingungen ausgesetzt.

Das wird mit der Klimasimulation erreicht:

+ Überprüfung von Witterungsbeständigkeit und Gebrauchstauglichkeit von Produkten.

+ Erforschung des hygrothermischen Verhaltens von Materialien und Systemen unter verschiedenartiger klimatischer Beanspruchung.

+ Entwicklung von Produkten zum Schutz vor extremen Klimabeanspruchungen und deren Auswirkungen sowie von Produkten, die der Energiegewinnung dienen.

Die Klimasituation kann im Labor, im Freiland oder kombiniert durchgeführt werden:

+ Im Labor: In speziellen Klimakammern wird das Produkt unterschiedlichen Klimasituationen ausgesetzt. Es können beliebige Klimazyklen gefahren und die Randbedingungen auf weltweit beliebige Standorte angepasst werden.

+ Unter freiem Himmel: Oft werden die Produkte auf der Rückseite einem vordefinierten Raumklima ausgesetzt. Voraussetzung ist neben Steuerung und Dokumentation des Raumklimas die genaue Aufzeichnung aller äußeren Klimaparameter. Die Abhängigkeit von den lokalen Witterungsbedingungen stellt den größten Nachteil der Freilandsimulation dar. Wenn unklar ist, welche Klimaparameter das Produktverhalten maßgeblich beeinflussen, sind die realen Bedingungen allerdings hilfreich.

+ Die numerische oder auch rechnerische Klimasimulation arbeitet mit mathematischen Modellen, die das physikalische Verhalten von Produkten unter vorgegebenen Randbedingungen abbilden.

+ Kombination: Freiland- und Laborklimasimulationen sind oft aufwendig. Die Planung oder Optimierung solcher Testreihen mithilfe der numerischen Simulation ist von Vorteil. Beispielsweise können für die Auswahl von Produktvarianten und Randbedingungen die kritischsten Kombinationen vorab durch Vergleichsrechnungen ermittelt werden.