Windenergie : Die Energiewende muss unverträglich werden

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Stellen Sie sich vor, Sie legen sich abends müde ins Bett und wenn Sie morgens aufwachen, steht plötzlich ein Windrad direkt vor Ihrem Schlafzimmerfenster. So stellt sich der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier wohl den Windenergie-Ausbau vor, wenn er meint, dieser sei nicht bürgerverträglich. Altmaier behauptet in einem Interview im Deutschlandfunk von sich, er würde die „berechtigten Sorgen vieler Menschen ernst nehmen“. Dabei wird aber nur an das Hier und Jetzt gedacht, also die Aussicht, und nicht an die schwerwiegenden Folgen, die der mangelnde Windkraftausbau auf das Klima und damit wiederum auf die Bürger und nicht zuletzt auf die Wirtschaft hat.

Ja, Windräder sind nicht unbedingt schön, aber das sind auch Kohletagebaue nicht und dennoch wird Kohlestrom in Deutschland nach wie vor subventioniert. Die Energiewirtschaft erhält jährlich Subventionen von 20,3 Milliarden Euro, der Großteil davon entfällt auf die Energiegewinnung aus Kohle. Für alle umweltschädlichen Subventionen wurden in Deutschland alleine im Jahr 2012 57 Milliarden Euro ausgegeben. Fossile Energie wird damit günstiger, die Anreize, in erneuerbare Energietechnologien zu investieren, sinken – das verzerrt den Wettbewerb. Damit diese Fehlanreize kompensiert werden können, müssen umweltfreundliche Technologien zusätzlich gefördert werden, damit sie sich am Markt halten können. Der Markt regelt alles, außer: er wird geregelt.

Bis 2038 will Deutschland aus der Kohle aussteigen. Bisher ist das aber noch ein weiter Weg zu gehen, wird doch kommendes Jahr sogar ein neues Kohlekraftwerk in Betrieb genommen. Im Ruhrgebiet geht im Sommer 2020 das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 mit einer Leistung von 1.100 Megawatt ans Netz. Über 1,5 Milliarden Euro hat der Betreiber Uniper in das künftig größte Kohlekraftwerk Deutschlands investiert.

Windstille Zeiten

Deutschland arbeitet damit weiter am Kohle-Ausbau und lässt die Windkraft zurück. Laut einer Analyse der Fachagentur Windenergie an Land gingen 2019 nur rund 148 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 507 Megawatt ans Netz. In den vergangenen Jahren wurde diese Zahl bereits in den ersten drei Monaten erreicht. Dadurch stehen nun rund 3.000 deutsche Arbeitsplätze auf dem Spiel. Erst im April musste das Hamburger Windkraftunternehmen Senvion Insolvenz anmelden. 4.000 Mitarbeiter standen dadurch plötzlich vor der Arbeitslosigkeit.

Mit seinem Arbeitsplan zur Stärkung der Windenergie an Land will Peter Altmaier Klarheit für Betreiber und Bürger schaffen. Der Plan beinhaltet aber auch die Verschärfung der Abstandsregelung zwischen Windrädern und Wohnhäusern. Zukünftig sollen Windräder nur noch mit einem Mindestabstand von 1.000 Meter zu solchen Gebäuden errichtet werden dürfen. Auch der Artenschutz soll stärker in die Windkraft-Planung miteinbezogen werden. Derzeit steht in Deutschland eine Fläche von 49.400 Quadratkilometer leer, die für Windräder genutzt werden könnte. Damit wäre eine zusätzliche Windenergie-Leistung von 1.190 Gigawatt möglich. Mit dem neuen Gesetzesentwurf zum Windkraft-Ausbau würde sich die potenzielle Fläche drastisch verringern.

Aktuell beträgt der Anteil der Windenergie am gesamten Bruttostrom in Deutschland 17,5 Prozent. 28.675 Onshore- und 1.305 Offshore-Windenergieanlagen erzeugen erneuerbare Energie für die deutschen Bürger und Unternehmen. Bis 2030 will die große Koalition den Ökostrom-Anteil in Deutschland von derzeit 43 Prozent auf 65 Prozent erhöhen. Nach Photovoltaik ist Windenergie dafür die wichtigste Energiequelle. Wenn der Windkraft-Ausbau gelingen soll, müssen somit auch Opfer gebracht werden. Die Energiewende wird es nicht jedem recht machen können, sie bürgerverträglich, schnell und wirtschaftsfreundlich umzusetzen, ist ein Ding der Unmöglichkeit.

Gegenwind aus dem Umweltministerium

Zumindest der deutschen Umweltministerin Svenja Schulze scheint die hohe Bedeutung der Windenergie bewusst zu sein. Sie stellt sich gegen den Gesetzesentwurf für den Windenergie-Ausbau. „Wir sind mit dem Vorschlag nicht einverstanden“, so die Umweltministerin. Der Ausbau der Windkraft an Land sei essentiell und werde mit dem Gesetzesentwurf verhindert, meint Schulze.

Nicht nur die Klimaziele und die GroKo leiden unter dem mangelnden Windkraft-Ausbau, auch die österreichische Wirtschaft ist davon betroffen. Rund 180 Betriebe sind hierzulande im Bereich Windkraft tätig und auf Exporte angewiesen. Vor fünf Jahren waren in der Branche bot die Windenergie noch rund 5.600 Arbeitsplätze, heute sind es nur mehr 4.000. Der Umsatz hat sich von 680 Millionen Euro auf 400 Millionen reduziert. Während die Abstandsregelung die Bürger vor einer schlechteren Aussicht bewahren soll, wirkt sich der schleppende Ausbau schon heute spürbar auf die österreichische und deutsche Wirtschaft aus. Davon sollte tatsächlich Abstand genommen werden.