Gebäude/Brandschutz/Haftung : Das Wissen oder Wissenmüssen (nach der EU-BPV)

EU-Bauprodukte-Verordnung Brandschutz Alfred Popper Brandschutz lüftungstechnik
© Stockfotos

Autor Mag. Dr. Alfred Popper, Richter i.R .,Lehrbeauftragter, Vortragender an Universitäten, Fachbuchautor und internationaler Vortragender, klärt hier in diesem Bericht über die Herausforderungen, welche die EU-Bauprodukte-Verordnung mit sich bringt, auf.

Wird ein Gebäude errichtet, sind etliche Gesetze/Normen/Verordnungen einzuhalten. Die Vielfalt ist riesig. Viele dieser Vorgaben dienen der Sicherheit und dem Schutz von Menschenleben. Eine dieser Vorgaben ist die EU-Bauprodukteverordnung (kurz BPV). Die BPV schafft EU-weit harmonisierte Bedingungen für die Herstellung und Vermarktung von Bauprodukten und gilt seit 01.07.2013 verbindlich in allen Mitgliedsstaaten.

Spätestens damit stehen nicht nur alle beteiligten Wirtschaftsakteure (Hersteller, Importeure, Händler, Bevollmächtigte oder Anlagenbauer), sondern auch Behörden, Planer, Bauherren, örtliche Bausaufsicht und abnehmende Stellen vor neuen verantwortlichen Herausforderungen. Und das mit einer Umkehr der Beweislast, denn das verfassungsrechtlich geschützte absolute Rechtsgut Leib und Leben genießt höchste Priorität. Der Hersteller (z.B. von Brandschutzklappen oder Entrauchungsklappen oder Abschottungsprodukten) haftet nach der BPV grundsätzlich für seine erklärte Leistung. Was das in der Praxis bedeutet und welche Verantwortung dadurch jeder Einzelne hat, will ich Ihnen an drei Bespielen verdeutlichen.

1.) Brandschutzklappen

Das gewählte Brandschutzklappenprodukt hat für die benötige Einbausituation auf der Baustelle vor Ort keine erklärte Leistung. Was bedeutet das in der Praxis?

Gemäß EN 15650 und damit gemäß EN 1366-2 dürfen Brandschutzklappen nur wie geprüft (klassifiziert) eingebaut werden. Als Bespiel: Eine Brandschutzklappe hat nur die Prüfung für „eingemörtelt in die Wand“. Kann man diese Brandschutzklappe „vor (außerhalb) der Wand“ mit Hilfe eines Gutachtens einbauen bzw. verwenden, und welche Verantwortungen ergeben sich dadurch für die beteiligten Wirtschaftsakteure?

Grundsätzlich sagt das Kapitel II/Artikel 4/ Absatz 2 der BPV folgendes über die „Leistungserklärung und CE-Kennzeichnung“ aus:

„(2) Ist ein Bauprodukt von einer harmonisierten Norm erfasst oder entspricht ein Bauprodukt einer Europäischen Technischen Bewertung, die für dieses ausgestellt wurde, so dürfen Angaben in jeglicher Form über seine Leistung in Bezug auf die Wesentlichen Merkmale gemäß den anwendbaren harmonisierten technischen Spezifikationen nur zur Verfügung gestellt werden, wenn sie in der Leistungserklärung enthalten und spezifiziert sind, es sei denn, gemäß Artikel 5 wurde keine Leistungserklärung erstellt“.

Eine Ausnahme schafft nur der Artikel 5, der hier gemeinsam mit den Artikeln 36 bis 38 angewendet werden könnte. Ich würde nicht sagen, dass man mit dem Artikel 5 von einer geprüften Einbausituation „nur Wand“ auf eine Einbausituation „vor der Wand“ schließen kann.

a) Welche Verantwortung ergibt sich jetzt für den Fall, dass der Anlagenbauer mit einem Gutachten die „Einbausituation vor der Wand“ abgenommen bekommt, ohne dass diese Einbausituation in der Leistungserklärung genannt wird?

Die harmonisierten Normen der BPV sind der geforderte Stand der Technik. Brandschutz dient in speziellem Ausmaß der Verhinderung von Körperverletzungen, und ist nicht nur wegen der internationalen Brandkatastrophen der letzten Jahre von steigender Bedeutung.

Bauherren, Architekten und Planer

Bauherren, Architekten und Planer sind schon im Vorhinein, das heißt bei der Ausschreibung und Planung in der Verpflichtung der BPV, weil die BPV das „Entwerfen“ und die „Ausführung“ mitumfasst, was nur durch strikte Einhaltung des durch die BPV und die harmonisierten technischen Spezifikationen vorgegebenen Standes der Technik gewähreistet ist. Bauherren, Architekten und Planer müssen daher diesen durch Prüfungs-Bewertungsverfahren sichergestellten Sicherheitsstand gewährleisten. Weichen sie verschuldet von diesem Stand der Technik in irgendeiner Weise, z. B. durch mangelhafte Ausschreibungen, Umgehungen der Prüfungs- und Bewertungsverfahren oder aus Kostengründen auf der Baustelle, ab, müssen sie im Brandfall den Beweis erbringen, dass der Brand auch bei Einhaltung der BPV in gleicher Weise entstanden wäre. Der strafrechtliche Vorwurf der fahrlässigen Tötung, oder der Beihilfe zu diesen Taten scheint möglich zu sein. Garantie-, Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche, auch die strafrechtliche Gemeingefährdung, könnten sogar schon vor Eintritt eines Unfalles geltend gemacht werden.

Das Verschulden beginnt, wenn man gegen EU-Verordnungen oder andere rechtlich zwingende Bestimmungen (Gesetze, Verordnungen, Bescheide) verstößt, oder den Stand der Technik ignoriert. Das, was zu einer Gefahr für das absolute Rechtsgut Leib und Leben werden kann, wird niemals dem Stand der Technik entsprechen. Warnpflichten und Aufklärungen spielen ebenfalls eine große Rolle, damit ein Verschulden vermieden wird.

b) Der Anlagenbauer, der Brandschutzprodukte kauft und sie, sei es auch mit weiteren Dienstleistungen weiterveräußert, ist ein Händler im Sinne der BPV und damit ein Wirtschaftsakteur.

Ein Verschulden wird nach dem Wissensstand und den technischen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Herstellung des Werkes beurteilt. Die Vorschriften der BPV sind der aktuelle Stand der Technik und gehören daher zum verantwortlichen Wissensstand aller Personen, die für Bauprodukte Verantwortung tragen. Die BPV ist ein Schutzgesetz.

Bei einem Verstoß gegen ein Schutzgesetz trifft den Schädiger die Umkehr der Beweislast. Jedes Wissen oder Wissen müssen von der Überschreitung der Berechtigungen, Fähigkeiten und Befugnisse wird als Verschulden gewertet und führt nach OGH zu einer Direkthaftung des gewerberechtlichen Geschäftsführers gegenüber einem Geschädigten (8Ob57/17s). Um eine Haftung sowohl gegenüber dem Gewerbeinhaber als auch gegenüber Dritten zu vermeiden, hat sich der gewerberechtliche Geschäftsführer mit den für ihn maßgeblichen gewerberechtlichen Vorschriften vertraut zu machen (8Ob57/17s). Das gilt selbstverständlich auch für alle ihn betreffenden verwaltungsrechtlichen Vorschriften. Geschäftsführer müssen daher die Mitarbeiter ihrer Firma über ihnen bekannte Verstöße gegen die BPV aufklären und ihnen ein rechtswidriges Verhalten untersagen.

Damit sind auch technische Leiter und Einkaufsleiter in der Pflicht. Nicht der billigste Bieter, sondern jener mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis sollte bei Ausschreibungen zum Zug kommen. Und wenn die Leistungserklärung für den benötigten Verwendungszweck fehlt, wo ist dann die Leistung?

Was im Schadensfall drohen könnte

Im Schadensfall droht Geschäftsführern, technischen Leitern, Projektleitern und Einkaufsleitern jeweils aus anderen Verantwortlichkeiten wegen Verletzung der in Österreich unmittelbar geltenden BPV als Schutzgesetz die strafrechtliche Haftung wegen fahrlässiger Körperverletzung, oder der Beihilfe zu diesen Taten, wenn sie sich in ihrem Verantwortungsbereich fahrlässig über den Stand der Technik hinwegsetzen. Das kann beispielsweise durch fehlerhafte Bestellungen oder ungenaue Erkundigungen der Fall sein. Garantie-, Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche, möglicherweise auch die strafrechtliche Gemeingefährdung, können sogar schon vor Eintritt eines Unfalles geltend gemacht werden. Nicht zu vergessen ist, dass der Anlagenbauer als sogenannter Assembler zum Kreis der Endhersteller im Sinne des § 3 PHG zählt, somit nach der verschuldensunabhängigen Produkthaftung für Produktfehler jedem Verletzten gegenüber haftbar sein kann.

c) Bei Missachtung des Standes der Technik kann es auch für die örtliche Bauaufsicht zu rechtlichen Problemen kommen. Schwerwiegende Mängel reichen sogar für den Anscheinsbeweis, dass die Bauaufsicht ihre Überwachungspflicht verletzt hat (BGH 27. 11. 2008, VIIZR206/06).

Für den Anscheinsbeweis genügt ein geringerer Überzeugungsgrad des Richters als bei dem in Österreich geltenden Regelbeweismaß. Schwerwiegend ist ein Mangel, der jederzeit festgestellt werden kann, also beispielsweise, dass ein Produkt, das CE gekennzeichnet ist, die Leistungserklärung gerade für den gegenständlichen Verwendungszweck nicht aufweist. Keineswegs nur für Architekten gilt, dass die Bauaufsicht die Einhaltung der technischen Regeln und der behördlichen Vorschriften durch die mit der Ausführung der Arbeiten beauftragten Bauunternehmen zu überwachen und die Interessen des Bauherrn wahrzunehmen hat. Einschreiten muss die ÖBA, wo Fehler erkennbar sind, wo also ein „Wissenmüssen“ gegeben ist (vgl. 8Ob618/93). Die Leistungserklärung von Brandschutzprodukten ist über- prüfbar und gewährleistet den Stand der Technik und die Rechtmäßigkeit der Verwendung. Daher droht bei Missachtung der BPV Schadenersatz (bei Querschnittslähmungen mit der Dauerrente mehrere 100.000 Euro) und der strafrechtliche Vorwurf der fahrlässigen Tötung (Strafrahmen 1 Jahr).

d) Für alle Haftenden sollte auch der Versicherungsschutz überdacht werden. Bei Obliegenheitsverletzungen haften Versicherungen oftmals nicht. Ob die Missachtung der BPV und der Normen eine Obliegenheitsverletzung aus Gründen der groben Fahrlässigkeit darstellt, muss dann im Einzelfall geprüft werden.

Der Oberste Gerichtshof führte zur „groben Fahrlässigkeit“ zum Beispiel aus: „Grobe Fahrlässigkeit“ ist anzunehmen bei einer außergewöhnlichen und auffallenden Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht oder wenn der Eintritt des Schadens als wahrscheinlich und nicht bloß als möglich vorhersehbar war. Die Schwere des Sorgfaltsverstoßes und die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts haben besondere Bedeutung. Ebenso kann eine weit übersteigende Sorglosigkeit grobe Fahrlässigkeit bedeuten. (10ObS2338/96p). Auch der Einwand, ich habe es nicht bemerkt oder gesehen“, wird von der Rechtsprechung oft verworfen und als grobe Fahrlässigkeit beurteilt. Das „Kennenmüssen“ stellt nämlich grundsätzlich darauf ab, ob etwas bei verkehrsüblicher, objektiv gebotener Sorgfalt erkennbar ist oder auffallen muss; es ist also dann anzunehmen, wenn die Unkenntnis auf einer Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt beruht (5Ob102/09z; 7Ob208/14k, 7Ob214/17x). Diese Erkenntnisse des Höchstgerichtes sollten daher im Zusammenhang mit Leistungserklärungen besonders berücksichtigt werden.

2.) Entrauchungsklappe

Eine gewählte Entrauchungsklappe hat für die benötigte Einbausituation bei einer Druckbelüftungsanlage nicht die richtige Klassifizierung. Was bedeutet das in der Praxis?

Gemäß EN 12101-8 bzw EN 1366-10 dürfen Entrauchungsklappen nur wie geprüft (klassifiziert) eingebaut werden. Welche Klassifizierung eine Entrauchungsklappe braucht, ist der OIB Richtlinie 2 sinngemäß zu entnehmen. Da die Klassifizierung für eine Entrauchungsklappe relativ kompliziert ist, hat hier das Komitee 141 des Austrian Standard Institute eine Stellungnahme an das OIB abgegeben, bzw. wurden die Mindestklassifikationen für Druckbelüftungsanlagen in der TRVB 112 S für den jeweiligen Anwendungsbereich definiert. Ein Beispiel:

Eine Entrauchungsklappe „eingebaut in der Wand am Gang“ braucht gemäß TRVB 112 S die Klassifikation EI90 (vedw i↔o) S1000 C10000 HOT 400/30 AAmulti. Sollte ein Anlagenbauer aber ein Fabrikat, das nur die Klassifikation EI90 (vew i↔o) S500 C300 AAmulti besitzt verwenden, ergeben sich vor und im Brandfall rechtliche Aspekte: Auch in diesem Beispiel gilt, dass die Leistungserklärung die Vorrausetzung für Bestellung, Verwendung und Abnahme ist.

Es wird im Garantie-, Gewährleistungs- oder Schadensfall geprüft werden, aus welchem Grund es zu dem Fehler gekommen ist. Das Argument des Anlagenbauers, dass er sich auf den Planer verlassen hat, wird an seiner Prüf- und Warnpflicht gemessen werden. Wurde vom Bauherrn oder Generalunternehmer vorgeschrieben, dass sich der Anlagenbauer eines bestimmten Planers zu bedienen hat, hat der Anlagenbauer eine Warnpflicht. Die Warnpflicht des Unternehmers ist eine werkvertragliche Nebenpflicht, die auch schon im vorvertraglichen Stadium bestehen kann und die Interessen des – wenngleich auch selbst sachkundigen oder sachverständig beratenen – Werkbestellers wahren soll, wenn die vom Unternehmer erkannte oder für ihn erkennbare Gefahr besteht, dass das Werk wegen außerhalb der unmittelbaren Sphäre des Unternehmens liegender Umstände auf Bestellerseite misslingen und dem Besteller dadurch ein Schaden entstehen könnte (4Ob539/94). Wurde das Brandschutzprodukt vom Planer nicht einmal vorgegeben, dann liegt die Auswahl des Produktes in der alleinigen Verantwortung des Anlagenbauers, gleichgültig welche Ratschläge er bekommen hat. Er muss die rechtmäßige und sichere Variante auswählen.

Eine Prüfpflicht der Eignung von Produkten besteht immer. Regelwerke stellen eine Zusammenfassung üblicher Sorgfaltsanforderungen an den Werkunternehmer dar, sind daher zu beachten. (2Ob193/09k; 1Ob79/15x; 4Ob22/16p; 1Ob214/16a; 8Ob46/17y; 7Ob38/17i; 3Ob62/18s zu § 1168a ABGB und § 1311 ABGB) Bei einer ÖNORM handelt es sich grundsätzlich um eine unverbindliche Empfehlung des Normungsinstitutes, der nur dann normative Wirkung zukommt, wenn sie der Gesetzgeber (unter Umständen mittels Verordnungserlassung) als verbindlich erklärt (2011/07/0248, 2011/07/0251, 2011/07/0250, 2011/07/0249, 2012/05/0187, 2013/07/0154). Wenn es eine „harmonisierten Norm“ (hEN) für ein Bauprodukt gibt, ist deren Anwendung eine durch die BPV zwingend gewordene Verpflichtung. Schließlich gelten EU Verordnungen direkt in Österreich. CE Kennzeichnungen bedeuten keineswegs, dass der benötigte Verwendungszweck tatsächlich vorhanden ist. Daher ist die Leistungserklärung grundsätzlich die Vorfrage für die Verwendung eines Brandschutzproduktes.

Der Verkäufer eines an sich fehlerfreien Produktes, dessen Verwendung in spezifischen Teilbereichen zu Schädigungen führen könnte, hat die Nebenverpflichtung zur Anleitung und Aufklärung. Die Haftung für „generell-abstrakt“ fehlerfreie Produkte, die in „individuell-konkreten“ Teilbereichen der Verwendung zu Schädigungen führen können und somit gefahrenträchtig sind, ist zu bejahen, wenn der Veräußerer mit einer derartigen Verwendung rechnen musste. Dementsprechend ist der Veräußerer zu einer richtigen Bezeichnung der von ihm verkauften Ware verpflichtet. (7Ob2224/96a; 2Ob197/97b; 10Ob399/97t; 9Ob76/99p; 4Ob146/10i; 6Ob215/11b; 4Ob240/15w).

Durch eine Abnahme wird das Verschulden des Bauherrn, Planers, Anlagenbauers, der örtliche Bauaufsicht nicht verringert, es ist dabei auf die Ausführungen zu Punkt 1 a) – d) zu verweisen.

Jeden Hersteller trifft neben anderen schadenersatzrechtlichen Regelungen die verschuldensunabhängige Produkthaftung, die auch mangelnde oder irreführende Information als haftungsbegründenden Fehler (§ 5 PHG „Darbietung“) bezeichnet. Daher haftet ein Hersteller über die BPV hinaus für jeden Fehler im Sinne des § 5 PHG. Für eine verschuldensabhängige Inanspruchnahme darf ich auf die Ausführungen zu 1 d) hinweisen.

Somit ist zusammenfassend auszuführen, dass es brandgefährlich ist, sich über die BPV, die harmonisierten Normen, die darüberhinausgehenden österreichischen Regelungen wie OIB Richtlinien, Baugesetze, Normen und TRVB hinwegzusetzen und sich auf „andere Stellen“ zu verlassen. Gerade jetzt zählt die Eigenverantwortung, denn sonst fehlen im Brandfall die Argumente.

3.) Abschottungsprodukte

Ausführender montiert auf ein Weichschott Brandschutzmanschetten als Zusatzmaßnahme für ein Kunststoffrohr. Weichschott und Brandschutzmanschette sind vom gleichen Produzenten und sind durch europäisch technische Bewertung (ETA) und Leistungserklärung klassifiziert. Auch das Kunststoffrohr ist in Bezug auf Werkstoff, Durchmesser und Wanddicke durch die europäisch technische Bewertung (ETA) und Leistungserklärung abgedeckt. Für die Montage der Brandschutzmanschette am Weichschott verwendet er Federspiralschrauben, lt. ETA müsste er die Brandschutzmanschetten mittels Gewindestangen miteinander verschrauben. Weil aber

• die Spiralfederschraube viel einfacher und schneller in der Anwendung ist,

• ein anderer Hersteller seine Abschottungssysteme damit sehr umfangreich getestet und klassifiziert hat und

• aus Sicht des Ausführenden Weichschottsysteme und Brandschutzmanschetten sowieso gleich sind, egal von welchem Produzenten, wurde diese Befestigungsvariante gewählt.

Daraus ergeben sich folgende Fragen:

• Kann die Befestigung der Brandschutzmanschetten so einfach ausgetauscht werden?

• Kann eine objektbezogene Einzelbeurteilung durch ein Ingenieurbüro hilfreich sein?

• Wer ist schlussendlich dafür verantwortlich, dass diese Anwendung im Ernstfall auch funktioniert?

• Ein Ziviltechniker macht die Fertigstellungsanzeige bei der Baubehörde. Ist auch er mit in der Verantwortung?

Antworten aus technischer Sicht:

• Es dürfen nur jene Befestigungsmittel für Brandschutzmanschetten verwendet werden welche auch in der Leistungserklärung und europäisch technischen Bewertung (ETA) angeführt sind.

• Weichschottsysteme und Brandschutzmanschetten verschiedener Hersteller mögen sich ähnlich in Aufbau und Materialien sein, aber das Austauschen der Materialien untereinander bzw. das Übertragen von Anwendungen von einem System auf das Andere ist durch Leistungserklärung und ETA nachzuweisen.

In rechtlicher Hinsicht ergibt sich:

Die Europäische Technische Zulassung bzw. European Technical Approval nach der früher gültigen Bauproduktenrichtlinie wird seit Inkrafttreten der Europäischen Bauproduktenverordnung als Europäische Technische Bewertung bzw. European Technical Assessment (ETA) bezeichnet und ist ein allgemein anerkannter Nachweis zur technischen Brauchbarkeit eines Bauproduktes im Sinne der Bauproduktenverordnung in den Mitgliedsstaaten der EU.

Bewertungen gemäß der ETA beruhen auf Prüfungen, Untersuchungen und technischen Gutachten durch Institutionen, die von den Mitgliedstaaten der EU bestimmt und von der Europäischen Organisation für Technische Bewertung (European Organisation for Technical Assessment – EOTA) anerkannt sind. Eine Bewertung umfasst dabei alle wichtigen Produktmerkmale eines Bauprodukts, die für die Erfüllung der europäischen baurechtlichen Anforderungen bedeutsam sind.

Die Europäische Technische Bewertung wird nur für Bauprodukte vorgenommen, die nicht durch den Anwendungsbereich einer nach Bauprodukteverordnung EUV 305/2011 harmonisierten Europäischen Norm abgedeckt sind.

Grundlagen der ETA

Grundlagen für die Beurteilung der Konformität eines Bauprodukts in Hinblick auf die Anforderungen der Bauproduktenverordnung sind zum Großteil in den nach der Bauproduktenverordnung harmonisierten Europäischen Normen festgelegt. Sollte für ein bestimmtes Bauprodukt keine harmonisierte europäische Norm zutreffen, so wird von der Europäischen Organisation für Technische Bewertung (European Organisation for Technical Assessment – EOTA) für das entsprechende Produkt ein Europäisches Bewertungsdokument erarbeitet.

Die erteilte Europäische Technische Bewertung (European Technical Assessment – ETA) erlaubt dem Produkthersteller damit die CE-Kennzeichnung des Bauprodukts und den ungehinderten Zugang zum europäischen Markt bzw. deren Vertragsstaaten. Mit einer CE-Kennzeichnung bestätigt der Hersteller somit, dass er das hierzu vorgeschriebene Nachweisverfahren durchgeführt hat und eine Konformität seines Produkts mit der Zulassung gegeben ist.

Bis zum Zeitpunkt 1. Juli 2013 wurden von der EOTA auf Grundlage der mittlerweile aufgehobenen Bauproduktenrichtlinie 89/106/EWG noch die „Leitlinien für die europäische technische Zulassung“ (ETAG) herausgegeben. Mit Veröffentlichung der Bauproduktenverordnung EUV 305/2011 und dem Ende der Übergangsfrist am 1. Juli 2013 werden die ETAG nicht mehr erarbeitet, da auf Grundlage einer Änderung im Erarbeitungsverfahren eine Umbenennung in „Europäisches Bewertungsdokument“ (European Assessment Document – EAD) notwendig geworden ist (Artikel 19 EU-Bauproduktenverordnung EUV 305/2011). Die ETAGs können aber weiterhin als Europäische Bewertungsdokumente verwendet werden (Artikel 66 EU-Bauproduktenverordnung EUV 305/2011).

Zusammen mit den Europäischen harmonisierten Normen (hEN) bilden die EADs die Europäischen Technischen Spezifikationen zur Bewertung von Bauprodukten.

Österreichische Technische Zulassung

Die österreichische technische Zulassung ist der formelle Nachweis der Brauchbarkeit eines Bauproduktes, für das es keine einheitliche europäische Zulassung gibt, und ist auf höchstens drei Jahre befristet. Die alleinige österreichische technische Zulassung berechtigt jedoch nicht zur Anbringung der CE-Konformitätskennzeichnung.

a) Welche Verantwortung ergibt sich jetzt für den Fall, dass der Ausführende mit einem Gutachten die „Befestigung der Brandschutzmanschetten mit Federspiralschrauben“ abgenommen bekommt, ohne dass diese Einbausituation in der Leistungserklärung genannt wird?

Die harmonisierten Normen der BPV und europäisch technischen Bewertungen sind der geforderte Stand der Technik. Brandschutz dient in speziellem Ausmaß der Verhinderung von Körperverletzungen, und ist nicht nur wegen der internationalen Brandkatastrophen der letzten Jahre von steigender Bedeutung.

Bauherren, Architekten und Planer sind schon im Vorhinein, das heißt bei der Ausschreibung und Planung in der Verpflichtung der BPV, weil die BPV das „Entwerfen“ und die „Ausführung“ mitumfasst, was nur durch strikte Einhaltung des durch die BPV und die harmonisierten technischen Spezifikationen vorgegebenen Standes der Technik gewährleistet ist. Bauherren, Architekten und Planer müssen daher diesen- durch Prüfungs- Bewertungsverfahren- sichergestellten Sicherheitsstand gewährleisten. Weichen sie verschuldet von diesem Stand der Technik in irgendeiner Weise, z. B. durch mangelhafte Ausschreibungen, Umgehungen der Prüfungs- und Bewertungsverfahren oder verwenden aus Kostengründen andere alternative Montagevarianten auf der Baustelle, ab, müssen sie im Brandfall den Beweis erbringen, dass der Brand auch bei Einhaltung der BPV in gleicher Weise entstanden wäre. Der strafrechtliche Vorwurf der fahrlässigen Tötung, oder der Beihilfe zu diesen Taten scheint möglich zu sein. Garantie-, Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche, auch die strafrechtliche Gemeingefährdung, könnten sogar schon vor Eintritt eines Unfalles geltend gemacht werden.

Das Verschulden beginnt, wenn man gegen EU-Verordnungen oder andere rechtlich zwingende Bestimmungen (Gesetze, Verordnungen, Bescheide) verstößt, oder den Stand der Technik ignoriert. Das, was zu einer Gefahr für das absolute Rechtsgut Leib und Leben werden kann, wird niemals dem Stand der Technik entsprechen. Warnpflichten und Aufklärungen spielen ebenfalls eine große Rolle, damit ein Verschulden vermieden wird.

b) Der Ausführende, der Brandschutzprodukte kauft und sie, sei es auch mit weiteren Dienstleistungen weiterveräußert, ist ein Händler im Sinne der BPV und damit ein Wirtschaftsakteur.

Ein Verschulden wird nach dem Wissensstand und den technischen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Herstellung des Werkes beurteilt. Die Vorschriften der BPV sind der aktuelle Stand der Technik und gehören daher zum verantwortlichen Wissensstand aller Personen, die für Bauprodukte Verantwortung tragen.

Damit sind Geschäftsführer der Anlagenbauer, technische Leiter und Einkaufsleiter in der Pflicht. Nicht der billigste Bieter, sondern jener mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis sollte bei Ausschreibungen zum Zug kommen. Und wenn die Leistungserklärung für den benötigten Verwendungszweck fehlt, wo ist dann die Leistung?

Im Schadensfall droht den Geschäftsführern der Anlagenbauer, technischen Leitern, Projektleitern und Einkaufsleitern jeweils aus anderen Verantwortlichkeiten wegen Verletzung der in Österreich unmittelbar geltenden BPV als Schutzgesetz die strafrechtliche Haftung wegen fahrlässiger Körperverletzung, oder der Beihilfe zu diesen Taten, wenn sie sich in ihrem Verantwortungsbereich fahrlässig über den Stand der Technik hinwegsetzen. Das kann beispielsweise durch fehlerhafte Bestellungen oder ungenaue Erkundigungen der Fall sein. Garantie -, Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche, möglicherweise auch die strafrechtliche Gemeingefährdung, können sogar schon vor Eintritt eines Unfalles geltend gemacht werden. Nicht zu vergessen ist, dass der Anlagenbauer als sogenannter Assembler zum Kreis der Endhersteller im Sinne des § 3 PHG zählt, somit nach der verschuldensunabhängigen Produkthaftung für Produktfehler jedem Verletzten gegenüber haftbar sein kann.

c) Bei Missachtung des Standes der Technik kann es auch für die örtliche Bauaufsicht und für Ziviltechniker die die Fertigstellungsanzeige ausstellen zu rechtlichen Problemen kommen. Schwerwiegende Mängel reichen sogar für den Anscheinsbeweis, dass die Bauaufsicht ihre Überwachungspflicht verletzt hat (BGH 27.11.2008, VIIZR206/06).

Für den Anscheinsbeweis genügt ein geringerer Überzeugungsgrad des Richters als bei dem in Österreich geltenden Regelbeweismaß. Schwerwiegend ist ein Mangel, der jederzeit festgestellt werden kann, also beispielsweise, dass ein Produkt, das CE gekennzeichnet ist, die Leistungserklärung gerade für den gegenständlichen Verwendungszweck nicht aufweist. Keineswegs nur für Architekten gilt, dass die Bauaufsicht die Einhaltung der technischen Regeln und der behördlichen Vorschriften durch die mit der Ausführung der Arbeiten beauftragten Bauunternehmen zu überwachen und die Interessen des Bauherrn wahrzunehmen hat. Einschreiten muss die ÖBA, wo Fehler erkennbar sind, wo also ein „Wissenmüssen“ gegeben ist (vgl. 8Ob618/93). Die Leistungserklärung von Brandschutzprodukten ist überprüfbar und gewährleistet den Stand der Technik und die Rechtmäßigkeit der Verwendung. Daher droht bei Missachtung der BPV Schadenersatz (bei Querschnittslähmungen mit der Dauerrente mehrere 100.000 Euro) und der strafrechtliche Vorwurf der fahrlässigen Tötung (Strafrahmen 1 Jahr).

d) Für alle Haftenden sollte auch der Versicherungsschutz überdacht werden. Bei Obliegenheitsverletzungen haften Versicherungen oftmals nicht. Ob die Missachtung der BPV und der Normen eine Obliegenheitsverletzung aus Gründen der groben Fahrlässigkeit darstellt, muss dann im Einzelfall geprüft werden.

Der Oberste Gerichtshof führte zur „groben Fahrlässigkeit“ zum Beispiel aus: „Grobe Fahrlässigkeit“ ist anzunehmen bei einer außergewöhnlichen und auffallenden Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht oder wenn der Eintritt des Schadens als wahrscheinlich und nicht bloß als möglich vorhersehbar war. Die Schwere des Sorgfaltsverstoßes und die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts haben besondere Bedeutung. Ebenso kann eine weit übersteigende Sorglosigkeit grobe Fahrlässigkeit bedeuten (10ObS2338/96p). Auch der Einwand, ich habe es nicht bemerkt oder gesehen“, wird von der Rechtsprechung oft verworfen und als grobe Fahrlässigkeit beurteilt.

Zusammenfassung

Im Brandfall werden die BPV, die harmonisierten Normen die ETA und die Leistungserklärung eine große Rolle spielen, und derjenige, der sich an die Vorgaben nicht hält, wird in einem Straf- und Zivilprozess mit starken Problemen zu kämpfen haben.

Das „Kennenmüssen“ zielt nämlich grundsätzlich darauf ab, ob etwas bei verkehrsüblicher, objektiv gebotener Sorgfalt erkennbar ist oder auffallen muss; es ist also dann anzunehmen, dass die Unkenntnis auf einer Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt beruht (5Ob102/09z, 7Ob208/14k, 7Ob214/17x). Diese Erkenntnisse des Höchstgerichtes sollten daher im Zusammenhang mit Leistungserklärungen besonders berücksichtigt werden.