KNOW-HOW-ABWANDERUNG DROHT : Bioenergie-Branche und -Forschung stehen still

Lächelten nur fürs Foto, nicht wegen der Sachlage (v. l.):

Franz Titschenbacher, Präsident der Landwirtschaftskammer Steiermark;

Tomas Lundmark von der Swedish University of Agricultural Sciences;

Walter Haslinger, Geschäftsführer des Forschungsinstituts Bioenergy 2020+ und Univ.-Prof. Hermann Hofbauer von der TU Wien. Bild: HLK/Herrmann Die Nutzung von Biomasse für energetische Zwecke ist in Österreich eine Erfolgsgeschichte – viele heimische Unternehmen arbeiten in diesem Bereich und sind auch international gut unterwegs. Aber sie geraten durch den stockenden Heimmarkt, in dem Heizungsanlagen kaum erneuert werden, unter Druck.

Tolle Erfolge, aber…

„Innovative heimische Biowärmetechnologien sind weltweit das Maß der Dinge und seit vielen Jahren ein Exportschlager“, erklärt Walter Haslinger, Geschäftsführer des Forschungsinstituts Bioenergy 2020+, bei der Pressekonferenz während der 5. Mitteleuropäischen Biomassekonferenz in Graz (18. bis 20. Jänner 2017).

„Die österreichische Wissenschaft und Forschung liefert mit vergleichsweise geringer öffentlicher Unterstützung weltweit anerkannte Spitzenergebnisse. Die Zwei-Bett-Wirbelschichtdampfvergasung ‚Made in Austria’ ist eine der erfolgversprechendsten Technologien zur Bereitstellung von Wärme, Strom und Syntheseprodukten (Anm. d. Red: synth. Diesel, Gas,…) weltweit – eine Schlüsseltechnologie für Bioökonomie und Energiewende.“ Eine Vielzahl von Innovationen wurden von österreichischen Technologieanbietern am Markt umgesetzt. Sie sind die Grundlage für ihre Exporterfolge. Ermöglicht wurde dies auch durch einen attraktiven Heimmarkt: Die Biomasse-Nutzung wurde in den vergangenen Jahren kontinuierlich ausgebaut und stellt mit etwa 20 % des Primärenergieverbrauchs die größte heimische Energiequelle dar.

…jetzt Stillstand in der Bioenergie(forschung)

„Diese positiven Entwicklungen der Bioenergiebrache sind aber in der jüngsten Vergangenheit in Österreich fast gänzlich zum Stillstand gekommen“, erklärt Univ.-Prof. Hermann Hofbauer von der TU Wien, und begründet dies folgendermaßen:

► Aufgrund zu geringer Forschungsmittel können nur ca. 15 % der eingereichten Forschungs-Projekte durchgeführt werden. Von sieben eingereichten Projekten wird aus Geldmangel nur eines gefördert.

► Durch fehlende Nachfolgetarife im Ökostromgesetz für KWK-Anlagen auf Basis Biomasse und Biogas stehen funktionstüchtige Anlagen vor dem Aus.

► Durch die gezielte Absenkung des Ölpreises durch die OPEC werden massive Rückgänge von neu installierten Holzheizungen verzeichnet, was die heimische Kesselbranche massiv bedroht!

Dringender politischer Handlungsbedarf

„Die Politik hat es verabsäumt, solide Rahmenbedingungen für eine gedeihliche Weiterentwicklung der Bioenergie zu schaffen und der Branche positive Zukunftsperspektiven sowie ein freundliches Investitions-Klima zu geben. Ohne Bioenergie werden die in Paris vereinbarten Klimaziele nicht erreichbar sein. Gleichzeitig läuft man Gefahr, Volksvermögen, das in die Förderung der Anlagen geflossen ist, nach und nach zu vernichten. Das von den Forschungsorganisationen und den Unternehmen aufgebaute Know-how droht in das Ausland abzuwandern. Es besteht dringender politischer Handlungsbedarf!“, fordert Hofbauer.

Haslinger ergänzt: „Die heimische Politik hat die Vorteile der Bioenergie in zunehmendem Maße vergessen. Für die Bioenergieforschung stehen zu geringe Mittel zur Verfügung, und der Wettbewerb um diese hat obszöne Ausmaße angenommen, der wertvolle Humanressourcen vernichtet. Die Gestaltung vernünftiger Rahmenbedingungen für Investitionen in gewerbliche und industrielle Umsetzungsprojekte sowie die Stimulierung von Endkundenmärkten wurde verabsäumt. Den österreichischen Technologieanbietern wurde damit die wichtige Basis für einen funktionierenden Heimmarkt entzogen.“

Damit droht Österreich einmal mehr das Schicksal, das schon vielen Erfindern zuvor in diesem Land ereilte: „Der Prophet im eigenen Land zählt nichts“. Wertvolles Know-how droht ins Ausland abzuwandern. Und nicht zuletzt geraten auch die heimischen Biowärme-/Kessel-/Hersteller aufgrund des stagnierenden Heimmarktes unter Druck.