NACHLESE BAUHERRENKONGRESS : Analoge Orte in digitalen Zeiten – Attraktive, identitätsstiftende Arbeitswelten

Podiumsdiskussion mit (v.l.) Karin Bauer (DerStandard, Moderation), Thomas Kurz (Heid Schiefer Rechtsanwälte),

Ernst Maurer (Maurer & Partner ZT GmbH),

Günter Mayer (stv. Direktor AK NÖ),

Karl Friedl (M.O.O.CON Geschäftsführer). Bild: Walter Oberbramberger/M.O.O.CON 14 Unternehmen stellten den TeilnehmerInnen ihre neuen Arbeitswelten vor. Die Keynote Speaker Jan Teunen und Franz Kühmayer stießen mit ihren Thesen auf reges Interesse.

„Je stärker Digitalisierung und Automatisierung voranschreiten, desto stärker wird die Bedeutung von Arbeitsräumen als gebaute Identität“, so die These von Karl Friedl, Veranstalter und M.O.O.CON Geschäftsführer, die er an den Anfang der Veranstaltung stellte. Sowohl in den Keynotes als auch den vielen Impulsvorträgen fand diese Ansicht Bestätigung.

Jan Teunen: „Wir müssen die Schönheit zurückholen“

Keynote Speaker Jan Teunen, der es sich als Cultural Capital Producer zur Aufgabe gemacht hat Unternehmen dabei zu helfen, ihre Kultur in den Vordergrund zu stellen, machte klar, dass es ein langes Gedächtnis braucht, um identitätsstiftende Arbeitsräume zu schaffen. Man muss dabei nicht nur die Bedürfnisse der Menschen kennen und befriedigen, sondern sich auch an die Gesetze des Kosmos erinnern. Die fünf Wirkungselemente der Architektur heißen Wirtschaftlichkeit, Schutz, Zusammengehörigkeit, Identitätsstiftung und Kulturpflege. Nach diesen Werten wurden die ersten Häuser gebaut – und es waren schöne Häuser.

Ein weiterer Aspekt, den Teunen in Erinnerung rief: Büros wurden erfunden, um das Kostbare zu schützen. Nur mit der Erinnerung an diese Wahrheit kann es gelingen, den Menschen in einer viel bewegten, unsicheren Zeit wieder das zu geben was sie brauchen: Rückgrat und motivierende, sinnstiftende Umgebungen, in denen sie sich wohl und beschützt fühlen und in denen sie daher schöpferisch tätig sein können. Denn eines ist für Teunen klar: „Wir Menschen sind nicht dazu da, um Dinge abzuarbeiten. Wir alle sind Kreateure, Erfinder und Innovatoren. Die Digitalisierung wird uns schneller dort hin zurückbringen und daher ist es unser aller Aufgabe, die Schönheit wieder in den Vordergrund zu stellen und dadurch die Verbindung mit dem Kosmos wiederherzustellen.“

Ein erfolgreiches Unternehmen auf Zeit: Das neue ArbeitnehmerInnen-Zentrum Niederösterreich

Das neue Zuhause der Arbeiterkammer Niederösterreich und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund ist nicht bloß eine Hülle, die vor gut einem Jahr von über 300 MitarbeiterInnen bezogen wurde: „Mit der Eröffnung wurden auch ein Paradigmenwechsel und große organisatorische Veränderungen eingeläutet“, berichtet Günter Mayer, stellvertretender Direktor der AK NÖ, in der Podiumsdiskussion zum Gastgeber-Objekt. Karl Friedl, der mit M.O.O.CON das nutzerseitige Projektmanagement verantwortete, ergänzt: „Unser erstes Projekt war ein Strategieprojekt. Die Initiierungs- und Planungsphase dauerte auch deshalb recht lang, weil sich die AK intensiv mit ihrer zukünftigen Arbeitswelt auseinandersetzte.“ Die am Podium vertretenen Diskutanten, Karl Friedl, Günter Mayer, Architekt Ernst Maurer und Vergaberechtsanwalt Thomas Kurz waren sich einig: Der Schlüssel zum Erfolg dieses Projekts waren die intensive und ehrliche Auseinandersetzung der AK mit ihrer Identität und die frühe Miteinbeziehung aller Projektbeteiligten. So konnte das ArbeitnehmerInnen-Zentrum „in time“ und „in budget“ sowie zur vollen Zufriedenheit des Bauherren fertiggestellt werden. Das Ergebnis ist ein stark tätigkeitsorientiertes, flexibles Büro mit viel Raum für Kommunikation, aber auch für konzentriertes Arbeiten und Rückzug.

Die Projektziele, ein moderner Dienstleister und eine offene, kundenorientierte Organisation zu sein, die auf die Bedürfnisse ihrer MitarbeiterInnen und Mitglieder eingeht, wurden laut Günter Mayer zu 100 % erreicht.

Evolution von Arbeitswelten – bestehende Identität und Zielbild 4.0

Nachhaltig denkende Unternehmen sehen sich vor jedem Bauvorhaben der Herausforderung gegenüber, ein ambitioniertes Zielbild zu zeichnen, ohne dabei den Anschluss an die bestehende Struktur und Kultur zu verlieren.

„In der Arbeitswelt 4.0 gilt es, den Gap zwischen dem ,Status Quo’ und dem ,Unternehmen der Zukunft’ mit besonderer Sorgfalt zu schließen, um nicht Gefahr zu laufen, seine Identität irgendwo am Weg bis zum Einzug in ein neues Gebäude zu verlieren“, wissen Sabine Zinke und Bernhard Herzog von M.O.O.CON aus ihrem Beratungsalltag.

Ein von M.O.O.CON in Zusammenarbeit mit Trigon und Annemarie Schallhart entwickeltes Tool – die Landkarte der Evolution von Arbeitswelten – hilft Unternehmen dabei sich richtig einzuordnen und nicht Gefahr zu laufen zu viel zu wollen. Die Entwicklungsstufen heißen: Eroberer (Macht), Abarbeiter (Stabilität), Experte (Perfektion), Leistungsträger (Erfolg), Mitunternehmer (Team) und Gestalter (System).

Nach einer ausführlichen Erklärung und Definition der Begriffe durften sich die TeilnehmerInnen des Bauherrenkongresses selbst live testen. Das Ergebnis brachte rund 40 % Leistungsträger und starke 22 % Mitunternehmer zum Vorschein. 12 % ordneten sich beim Abarbeiter und 15 % beim Experten ein; 2 % gaben an auf der Stufe der Eroberer zu sein und immerhin 7 % sahen sich schon beim Gestalter.

Franz Kühmayer: „Büros waren gestern. Was kommt danach?“

So lautete der provokante Titel der Keynote von Franz Kühmayer vom Zukunftsinstitut. Zu Beginn seines Vortrags meinte Kühmayer: „Wir überbewerten technologische Entwicklungen und übersehen häufig, dass soziale, gesellschaftliche Entwicklungen einen viel stärkeren Einfluss auf unser Leben und Tun haben. Die Frage wie das Büro der Zukunft aussieht, hängt stark davon ab wie Gesellschaft, Arbeit und Unternehmen in Zukunft aussehen.“

Für ihn sind Menschen soziale und kreative Wesen. Genau wie Jan Teunen ist auch Kühmayer der Ansicht, dass uns die Digitalisierung daher näher zur Humanität zurückbringt. Momentan prägen noch sehr oft tayloristischen Prinzipien unseren Arbeitsalltag: Arbeitsteiligkeit, Produktivität und „the one best way to do things“ stehen im Fokus. „Wir müssen das Gegenteil fördern und fordern. Mehr Kooperation und Austausch statt Abteilungsdenken, mehr Ergebnisorientierung statt Produktivitätsmessung anhand von abgesessener Zeit und interaktionelle statt transaktionelle Arbeitsweise sind gefragt“, so Kühmayer weiter.

Seiner Meinung nach ist jeder, der an einem Schreibtisch sitzt potenziell durch die Digitalisierung gefährdet. Auch er stimmte mit anderen Rednern des Tages überein: Es braucht eine ernsthafte, harte, mühsame und ehrliche Auseinandersetzung mit der Unternehmenskultur bevor man neue Bürowelten plant. Er schließt mit dem Satz: „Die Frage ist nicht, ob das Büro gestern war, sondern wie die Arbeitswelt in der Zukunft aussieht.“

World Café und Praxisbeispiele am Podium

In einer angenehm kommunikativen World Café Atmosphäre präsentierten 14 Unternehmen ihre neuen Arbeitswelten und weitere zwei wurden in kurzen Impulsvorträgen vorgestellt:

Das Hoerbiger-Forum ist ein Ort für Pioniere. Ein wandlungsfähiger Ort, den Besucher mitgestalten und weiterentwickeln können. Hier wurde laut Daniel Strauß, von Triad Berlin, nicht nur eine Marke inszeniert, sondern ein identitätsstiftender Raum geschaffen.

Die Doppelmayr Zentrale ist ein Arbeitsort wie ein Dorf. Ganz der natürlich gewachsenen Doppelmayr-Struktur entsprechend wird eine neue Unternehmenszentrale mit Plätzen, Gassen, Höfen, Durchgängen und Terrassen geschaffen. Herwig Spiegl, von den für die Planung verantwortlichen AllesWirdGut Architekten, ermutigte das Publikum dem Überraschenden, Ungeplanten in einem Bauprojekt eine Chance zu geben und nicht von Anfang an eine Absage zu erteilen. Nur so konnte seiner Meinung nach die neue, immer noch auf Sicherheit basierende, aber doch sehr innovative Doppelmayr Zentrale ins Leben gerufen werden.

An den Round Tables präsentierten außerdem folgende Unternehmen ihre umgesetzten Projekte:

- Arbeiterkammer Niederösterreich, St. Pölten

- Auswirkungen des Datenschutzes auf die digitale Arbeitswelt – Komdat, DELTA

- Erber Campus, Getzersdorf

- EVN – EVN Arbeitswelt, Maria Enzersdorf

- Land Salzburg - Landesdienstleistungszentrum (LDZ)

- Legero – Neubau Headquarter Legero Graz

- Media Shop TV, Neunkirchen

- Ottobock, Wien

- ÖAMTC – Neue Zentrale, Wien Erdberg

- SVA Landesstelle Niederösterreich, St. Pölten

- Swarovski – Campus 311, Wattens

- Virtual Reality am Beispiel Franziskus Spital Landstraße, Wien – DELTA

- Volkshilfe Wien – Volkshilfe Weinberggasse, Wien

- Wiener Netze, Smart Campus, Wien

Blick in den gut besuchter Saal im neuen

ArbeitnehmerInnenzentrum St. Pölten.

Rund 160 TeilnehmerInnen nahmen am

7. Bauherrenkongress 2017 teil. Bild: Walter Oberbramberger/M.O.O.CON