Der Weg zum Prosumer : „Als Energieversorger muss man sich davon lösen, nur Lieferverträge abzuschließen“

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Wer eine Photovoltaikanlage am Hausdach installiert, gilt nicht länger als einfacher Konsument, er wird zum Prosumer. Das sind jene Kunden, die nicht nur Energie verbrauchen, sondern auch erzeugen. Mit diesem Modell soll der Anteil an erneuerbarer Energie erhöht und besser auf die Flexibilität von Wind- und Solarkraft reagiert werden können. Für den Kunden bedeutet das Prosumer-Dasein mehr Autarkie, auf Energieversorger kommen dadurch neue Herausforderungen zu. Wie die Versorger Kunden am Weg zur Unabhängigkeit unterstützen können und welche Vorteile beide Seiten daraus ziehen können, erklärt Martin Wagner, Geschäftsführer von Verbund Solutions, im HLK-Interview.

HLK: Innerhalb der Energiewirtschaft tritt der Begriff Prosumer immer häufiger auf, dabei versorgen sich Endkunden doch schon seit langem mit eigener Energie aus Photovoltaikanlagen. Warum ist es gerade jetzt attraktiv, Prosumer zu werden?

Martin Wagner: Die Bezeichnung Prosumer gewinnt vor allem aufgrund der Verpflichtungen des Pariser Übereinkommens an Bekanntheit. Österreich will bis 2030 seinen Strombedarf zu 100 Prozent aus erneuerbarer Energie decken und um das zu erreichen, müssen wir jetzt echt aktiv werden. Für die erneuerbare Energieversorgung benötigen wir rund 14 Terawattstunden Photovoltaikleistung, das ist etwa so viel wie ganz Wien verbraucht. Wir müssen also aus allen Kanonen feuern, um das Ziel zu erreichen und dafür braucht es Industrie und Privatkunden gleichermaßen.

HLK: Ab wann gilt man denn als Prosumer? Reicht dafür schon eine Photovoltaikanlage am Hausdach?

Martin Wagner: Grundsätzlich schon, aber wir sehen, dass das meist nicht alles ist was der Kunde will. Früher war das Energiesystem sehr klar strukturiert: Es gab einen Stromerzeuger, den Netzbetreiber und den Endkunden. Heute ist das Thema viel breiter gefächert. Der Kunde will mehr, er will produzieren, speichern und verbrauchen. Die Österreicher sind sehr affin für Photovoltaik und mit entsprechenden Angebotsmodellen kann man diese Affinität fördern und den Umstieg zum Prosumer vereinfachen.

HLK: Wie sehen solche Angebotsmodelle aus?

Martin Wagner: Man muss die Energieversorgung ganzheitlicher betrachten. Mittlerweile verkaufen wir bei der Verbund-Tochter Solavolta zu rund 25 Prozent der Photovoltaikanlagen auch einen Batteriespeicher. Ein anderes Tochterunternehmen, Smatrics, bietet die sogenannte Wallbox an, mit der Kunden ihre E-Fahrzeuge einfach und sicher laden können. In erster Linie ist es wichtig, gute Angebote und faire Preise anzubieten, damit die Anlagen am Markt erfolgreich sein können. Ziel muss dabei sein, dem Kunden möglichst viel Autarkie zu ermöglichen und das mit einer gewissen Kontinuität.

HLK: Sind hier Förderungen notwendig oder sind erneuerbare Technologien mittlerweile etabliert genug?

Martin Wagner: Förderungen sind immer Motor und Treiber. Für die Photovoltaik waren Förderungen zu Beginn sehr wichtig, mittlerweile würde sich die Technologie aber auch selber tragen, da die Preise stark gesunken sind. Wichtig ist eine kontinuierliche Förderung, die auch eine gewisse Planungssicherheit bringt. Ich halte wenig von Förderungen, die nur punktuell zur Verfügung stehen und bei denen der Fördertopf innerhalb weniger Sekunden ausgeschöpft ist.

HLK: Förderungen sorgen aber auch dafür, dass sich Photovoltaikanlagen schneller rentieren. Warum sollte der Konsument ohne Förderung in PV investieren?

Martin Wagner: Weil sich Photovoltaik mittlerweile lohnt. Wir haben eine Marktqualität erreicht, bei der Strom aus der Photovoltaikanlage günstiger ist, als Strom aus dem Netz. Zwar dauert es, rund zehn Jahre, bis sich die PV-Anlage amortisiert hat, sie hält aber auch verdammt lange. Die Nutzungsdauer liegt zwischen 20 und 30 Jahren. Damit ist die Photovoltaikanlage eine rentable Geschichte. Wenn man sich die aktuellen Zinsen ansieht, ist Photovoltaik auf jeden Fall eine sinnvolle Investition.

HLK: Welches Interesse haben Energieversorger daran, ihre Konsumenten zu Prosumern zu machen?

Martin Wagner: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass jeder Kunde mit einer Photovoltaikanlage ein zufriedener Kunde ist. Verbindet man die Anlage mit einem Speicher und einem eigenen Energiemanagementsystem, wird der Kunde in allen Energiefragen unterstützt. Als Energieversorger muss man sich davon lösen, nur Lieferverträge abzuschließen. Es geht heutzutage viel eher um durchgängige Kundenbetreuung.

HLK: Nun soll ein Prosumer nicht nur Energie möglichst nahe am Verbrauchsort erzeugen, er soll diese Energie auch sinnvoll einsetzen. Welche Rolle spielt die Digitalisierung dabei?

Martin Wagner: Eine sehr wesentliche, denn das Haus sollte im eigenen Umfeld das klügste Element werden. Beim Endkunden wird das Thema Smart Home zukünftig eine immer wichtigere Rolle spielen. Es ist nicht mehr zeitgemäß das Licht über einen Schalter oder die Rollos über eine Schnur zu bedienen. All diese Tätigkeiten können mit einem intelligenten Energiemanagementsystem verbunden und damit effizienter werden. Das System entscheidet dabei selbst, wie viel Solarenergie gespeichert wird und wie viel Strom direkt verbraucht wird. Breit ausgelegte Smart Home-Installationen haben es am Markt nicht leicht, aber sie beginnen langsam, sich durchzusetzen.

HLK: Angenommen, jeder würde zum Prosumer werden wollen und die Zahl der dezentralen Energieerzeuger würde stark wachsen: Ist Österreich auf eine Digitalisierung des Energiesektors vorbereitet?

Martin Wagner: Natürlich ist es eine große Herausforderung für die Netze, wenn viel Energie dezentral produziert und verbraucht wird. Jeder Kunde muss auch wenn keine Sonne scheint mit Energie versorgt werden. Dafür müssen die Netze performant ausgelegt werden und auch die Steuerung muss entsprechend angepasst werden. Hier gibt es noch einiges zu tun, aber die Netzbetreiber sind auf einem sehr guten Weg. Dort wo es notwendig ist, wird der Ausbau bereits verstärkt und auch die „Aufschlauung“ der Netze ist in vollem Gange. Damit sind wir in Österreich gut aufgestellt.