100 Prozent erneuerbare Energie : AIT-Studie: Energieversorgung der Industrie nur mit Erneuerbaren ist möglich

© AIT/Klima- und Energiefonds

Das Austrian Institute of Technology (AIT) hat im Auftrag des Klima- und Energiefonds untersucht, wie die österreichische Industrie – die derzeit rund 30 Proozent der heimischen Gesamtenergie benötigt – durch Erneuerbare versorgt werden kann und welche Anforderungen an die Energieinfrastruktur daraus resultieren. Das Ergebnis: Die 100-prozentige Versorgung der Industrie mit erneuerbaren Energien ist theoretisch möglich. Großer Handlungsbedarf besteht vor allem bei Erzeugungs- und Netzausbau sowie bei Speichern für entsprechende Flexibilitätsbereitstellung.

Wolfgang Hribernik, Head of Center for Energy am AIT: „Das AIT entwickelte in der Studie eine Methodik, auf deren Basis drei Szenarien für die Versorgung der Industrie mit erneuerbaren Energien dargestellt werden. Die Ergebnisse zeigen, dass wir den Umstieg in Österreich schaffen können. Allerdings brauchen wir dafür mehr Konsequenz für den Ausbau der Erneuerbaren als auch eine systemische Untersuchung für den Bedarf der anderen Sektoren wie Verkehr und Haushalt.“

Bezugnehmend auf die #mission2030, die österreichische Klima- und Energiestrategie, zeigt die Studie mit dem Titel „IndustRiES – Energieinfrastruktur für 100 Prozent erneuerbare Energie in der Industrie“ anhand von drei Szenarien mögliche Wege auf, wie die österreichische Industrie mit Energie aus erneuerbaren Energieträgern versorgt werden kann. Mit den in Österreich zur Verfügung stehenden Potenzialen an erneuerbaren Energien von 231 Terrawattstunden kann der industrielle Endenergieverbrauch in allen Szenarien bilanziell gedeckt werden. Die zur Verfügung stehende Energie reicht jedoch nicht aus, um alle Sektoren zu versorgen. Dafür muss Energie importiert werden – in Summe bis zu 97 Terrawattstunden des Endenergiebedarfs.

Strom spielt Schlüsselrolle

Beim Umstieg auf erneuerbare Energie im Industriesektor wird die Elektrifizierung auf Basis erneuerbaren Stroms eine Schlüsselrolle spielen. Aktuell wird der Gesamtenergiebedarf der österreichischen Industrie zu 32 Prozent aus elektrischer Energie gedeckt. Die heutige Stromnachfrage der Industrie liegt bei 30 Terrwattstunden und könnte um mehr als das Doppelte steigen. Das entspricht 30 zusätzlichen Donaukraftwerken.

Infrastrukturausbau in Verbraucher-Hotspots notwendig

In Oberösterreich und der Steiermark wird es zu den stärksten Veränderungen des Strombedarfs kommen. Mit Windkraft in Ostösterreich und Wasserkraft in den Alpenregionen liegen die Erneuerbaren-Potenziale örtlich nicht unbedingt dort, wo die energieintensive Industrie angesiedelt ist. Langfristig bedarf es einen verstärkten Infrastrukturausbau in den Regionen dieser Verbraucher-Hotspots, um eine vollständige Versorgung der Industrie mit erneuerbarer Energie zu ermöglichen. Zusätzlich müssen regionale Netzausbauten zum Anschluss neuer Windparks oder Wasserkraftwerke sowie die Verstärkung der Netzanbindungen an das benachbarte Ausland erfolgen.

Um tiefergehende Analysen durchzuführen zu können, wurden im Rahmen der Studie die beiden Berechnungstools NEAT und IndustRiES entwickelt: Mit NEAT erfolgte die Auswertung der Szenarienergebnisse, während mit IndustRIES auf der Basis von bestehenden Daten aus den Bundesländern untersucht wurde, welche Anforderungen sich durch die Umstellung für die Energieinfrastruktur ergeben. Diese Tools sollen Infrastrukturbetreibern, Planern und Entwicklern von Infrastrukturausbauplänen mögliche Korridore, Schwerpunkte und Verschiebungen aufzeigen, die sich durch die Umstellung der österreichischen Industrie auf eine erneuerbare Energieversorgung ergeben.

Umsetzung ist fraglich

In der Theorie funktionieren die Ansätze des AIT, doch die Realität sieht anders aus. Ab 2020 droht laut Erneuerbare Energie Österreich ein Einbruch bei erneuerbaren Energien um 30 Prozent. Seit Monaten verhandeln die im Parlament vertretenen Parteien eine Übergangsregelung für erneuerbare Energien, während Projekte im Umfang von über einer Milliarde Euro auf die Umsetzung warten. Vor allem eine Lösung für die Förderung von Biomassekraftwerken wird dringend benötigt. Kann sich die neue Regierung nicht schnell einigen, drohen 2020 die Schließungen mehrerer Kraftwerk. „Es ist grotesk“, so Peter Püspök, Präsident Erneuerbare Energie Österreich. „Die Jugend geht auf die Straße und beinahe wöchentlich sehen wir neue Studien, die zeigen, was wir mit den vorhandenen Möglichkeiten schon erreichen können. Gleichzeitig findet man keine Übereinkunft und einige Lobbys versuchen sogar die kleinsten Fortschritte zu verhindern. Ich hoffe sehr, dass sich die Parlamentsparteien für ernsthaft Klimabewegte nicht unwählbar machen, indem sie keinen Kompromiss für einen raschen Ausbau der erneuerbaren Energien finden. Ich bin aber optimistisch, dass die Parteien jetzt die Stimmen der Bevölkerung hören.“